1071 Bergwacht-Einsätze
Zahl der Bergtoten in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen hat sich halbiert

06.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:35 Uhr
Markus Leitner

Emotional belastend waren auch im Vorjahr die Einsätze mit tödlich Verunglückten. Am Hochfelln starb Ende März ein 56-jähriger Überseer. Er war am Jägersteig ausgerutscht und 150 Meter tief in diese schneebedeckte Rinne gestürzt. −Foto: Bergwacht Bergen

Die 15 Bergwachten in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen waren im Vorjahr bei insgesamt 1071 Einsätzen gefordert, wobei sich die ungewöhnlich hohe Zahl an Bergtoten vom Vorjahr (34) auf 17 halbiert hat.





Und auch die 2021 deutlich angestiegene Zahl an unverletzten, blockierten Bergsteigern (170) um rund ein Drittel wieder auf das Niveau der Vorjahre (116) zurückgegangen ist. Auch die Vermisstensuchen gingen von 60 auf 43 um rund ein Drittel zurück. 2021 hatten die Bergwachten vor allem wegen der pandemiebedingt noch geschlossenen Skigebiete insgesamt nur 867 Einsätze verzeichnet. Rund ein Drittel aller Einsätze fand mit Hubschrauber-Unterstützung statt. Die 15 Bergwachten der Landkreise Berchtesgadener Land, Traunstein und Altötting sind organisatorisch in der Bergwacht Region Chiemgau zusammengefasst; ihnen gehören rund 550 aktive Einsatzkräfte an

Den auffälligen Anstieg der Blockierten, Vermissten und Toten 2021 speziell in der Region Chiemgau erklärt sich die Bergwacht unter anderem mit den vielen zusätzlichen Heimat-Urlaubern, die wegen der Pandemie-Beschränkungen nicht wie sonst ins Ausland gefahren sind, dafür aber dann häufig zum allerersten Mal ohne Vorerfahrung in die bayerischen Berge. 2022 waren es immer noch 116 Menschen, die unverletzt, aber mit ihrer Situation überfordert, aus Bergnot gerettet werden mussten.

Risiken und Gefahren am Berg generell ernst nehmen



„Wir appellieren daher weiterhin an alle Bergsteiger, die Risiken und Gefahren am Berg generell ernst zu nehmen, die eigene Fitness und Erfahrung realistisch einzuschätzen und sich vor Touren immer gut vorzubereiten, Wetter-Prognose, Schnee-Verhältnisse und Gelände vorab zu checken und sich nicht blind auf GPS-Tracks und Beschreibungen aus dem Internet zu verlassen“, sagt Bergwacht-Regionalleiter Dr. Klaus Burger.

Mit seinem Stellvertreter Michael Holzner und Geschäftsführer David Pichler berichtete Burger in der Hauptversammlung der Bergwacht-Region Chiemgau vom Spannungsfeld zwischen Pflicht, Kameradschaft, hohen Anforderungen und begrenzter Freizeit, in dem sich die ehrenamtlichen Bergretter bewegen: „Der sehr zeit- und ausbildungsintensive, immer anspruchsvollere und unentgeltlich geleistete Dienst wird öffentlich häufig mit professionellen oder behördlichen Akteuren verglichen und auch dementsprechend bewertet und auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz reduziert. Gerettete sind oft ganz schön verwundert, wenn ihnen bewusst wird, dass wir das alles neben Familie und Beruf ehrenamtlich leisten“, erklärte Burger. Nebenbei sammelten die Kameraden gewaltige Summen an Spenden, wie jüngst rund 150.000 Euro für die neue Rettungsfahrzeug-Garage der Bergwacht Teisendorf-Anger, die im ersten Quartal 2024 stehen soll.

Noch recht viel Schnee im Hochgebirge



Pichler präsentierte eindrucksvoll die Einsatz- und Unfallzahlen. Die einsatzreichsten Monate waren 2022, vor allem bedingt durch das schöne Wetter und die wieder geöffneten Skigebiete, der Februar (187), der Januar und der März (je 149). 2023 verläuft bisher wegen des zunächst schneearmen Winters, entsprechend wenigen Skiunfällen und der vielen Regentage in der Übergangszeit zur Wander-Saison verhältnismäßig ruhig: Im Januar waren es 172 Einsätze, im Februar 75 und im März nur neun.

Derzeit liegt im Hochgebirge noch recht viel Schnee, was Wandern mit Problemen konfrontiert, die sie oft nicht erwarten und die sie ohne Erfahrung auch überfordern können: Die Wegfindung wird schwieriger, das Stapfen ist konditionell und technisch anspruchsvoller und erfordert zusätzliche Ausrüstung, und das Absturz- und Unfall-Risiko steigt.

339 Einsätze auf der Piste



Am meisten passiert ist 2022 beim Skifahren auf der Piste mit 339 Einsätzen, gefolgt von Wandern (276), Bergsteigen (168), Snowboarden (42), Bergradfahren (41; darunter acht mit dem E-Bike), Klettern (32), Skitouren (24), Gleitschirmfliegen (16), Langlaufen (12) und sonstigen Einsätzen und Hilfeleistungen. Wieder am meisten zu tun hatte die Bergwacht Berchtesgaden mit 336 Einsätzen, dicht gefolgt von Reit im Winkl mit 294, davon ein Großteil auf den Pisten im Skigebiet Winklmoos-Steinplatte. Dahinter lagen Ramsau mit 108, Bad Reichenhall mit 98, Ruhpolding mit 54, Marktschellenberg mit 42, Bergen mit 34, Grassau mit 31, Marquartstein mit 28, Inzell mit 21, Schleching mit 13, Teisendorf-Anger mit 9, Traunstein mit 2 und Altötting mit einem Einsatz.

Emotional belastend waren die Einsätze mit tödlich Verunglückten oder aufgrund internistischer Erkrankungen am Berg Verstorbenen. Evi Partholl, Leiterin des Kriseninterventionsdienstes (KID) der Bergwacht Chiemgau, betreut mit 14 Krisenberatern und drei Anwärtern in solchen Fällen Begleiter, Angehörige und auch die Einsatzkräfte.

Burger und Holzner bedankten sich bei allen ehrenamtlichen Bergrettern für ihr großes ehrenamtliches Engagement in außergewöhnlich fordernden Zeiten, ebenso bei den hauptamtlichen Mitarbeitern der Regionalgeschäftsstelle. Am 22. Juli 2024 feiert die Bergwacht-Region Chiemgau ihr 100-jähriges Bestehen im Alten Kurhaus in Reichenhall. - ml