Nachhaltigkeit im Fokus
BMW-Werk in Dingolfing nutzt künstliche Intelligenz für geringeren Lederverbrauch

08.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:16 Uhr |

Manuelle Kennzeichnung der Lederflächen mit Kreidestiften. −Foto: BMW

Das BMW-Werk in Dingolfing nutzt künstliche Intelligenz, um Leder zu schneiden. Das Verfahren senkt den Materialverbrauch um 15 Prozent und schont so Ressourcen, teilt das Unternehmen mit. Gleichzeitig werde der Verschnitt signifikant reduziert.



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Das BMW-Werk in Dingolfing setzt nun ein neues Verfahren ein, wenn es darum geht, Leder zu beurteilen und zu schneiden. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz können Lederflächen für die Innenausstattung von BMW Fahrzeugen besser beurteilt, effektiver genutzt und präziser zugeschnitten werden, teilt BMW mit. Das Verfahren senke den Lederverbrauch um rund 15 Prozent, schone so Ressourcen und verringere CO2-Emissionen. Gleichzeitig verbessere es die Qualität der Schnittteile und reduziert den Verschnitt signifikant.

„Jeder Verschnitt tut weh“


Die Individual Manufaktur des BMW Group Werks Dingolfing fertigt Interieur-Komponenten für BMW Fahrzeuge mit Sonderausstattung – zum Beispiel Instrumententafeln mit Lederbezug für verschiedene Modelle. Rund 200 Personen sind dort in der Produktion tätig. „Wir produzieren hier bestimmte Teile der Lederinnenausstattung, um das notwendige Wissen und die Kompetenz im Haus zu haben und so unsere Lieferanten besser unterstützen zu können,“ erklärt Marco Loistl, Leiter Produktion und Instandhaltung der Individual Manufaktur im Werk Dingolfing. Das sei wichtig, um die Fertigung weiterzuentwickeln, etwa in Sachen Nachhaltigkeit und Abfallreduktion. „Wenn man mit einem lebendigen Material wie Leder arbeitet, tut einem jeder Verschnitt, jeder nicht verwertbare Überrest in der Seele weh“, sagt Loistl. „Ist das Leder an einer Stelle aber fehlerhaft, können wir den Bereich nicht nutzen. Außerdem hat selbst die hochwertigste Lederhaut mal kleine Narben. Wenn solche Naturmerkmale zu ausgeprägt sind, kann an dieser Stelle nichts zugeschnitten werden.“

Mit künstlicher Intelligenz zum perfekten Schnitt


Je nach Einsatzgebiet können etwa drei Viertel der Lederflachware, wie man das nur gegerbte und gegebenenfalls gefärbte Stück Glattleder nennt, für die Verwendung im Fahrzeug genutzt werden, teilt das Unternehmen in einer Pressemitteilung mit. Der Grund: Eine Tierhaut sei nicht einfach rechteckig. Diese natürliche Form erschwere den Zuschnitt, hinzu kommen die Naturmerkmale.

Um den nutzbaren Anteil zu maximieren und Verunreinigungen auf dem Leder zu vermeiden, sei die BMW Manufaktur im Werk Dingolfing bereits 2018 von der manuellen Kennzeichnung der Lederflächen mit Kreidestiften auf digitale Markierungen umgestiegen. Doch auch ohne Kreidestift müssten die Mitarbeiter bei der Inspektion der Haut hochkonzentriert arbeiten, um kleinste Fehler wie einen Mückenstich zu entdecken, teilt der Konzern mit. Das sei nicht nur für die Augen anstrengend, denn es stehen ständig Entscheidungen an: Ist das Merkmal noch akzeptabel oder schon ein Fehler? Wenn ja: Für welchen Bereich ist das Leder geeignet, wie wird die Stelle klassifiziert?

Software ist mit Wissen der Mitarbeiter „gefüttert“



„Diese Arbeit kann man nicht lange am Stück machen“, sagt Loistl. „Auch deshalb haben wir angefangen, eine Erkennungssoftware mit dem Wissen unserer besten Mitarbeiter zu füttern.“ Eine ähnliche Software werde bereits in der Glasherstellung genutzt, um Einschlüsse und Luftblasen im Material zu entdecken. Eine Abwandlung für die Lederinspektion war daher gut möglich, teilt BMW mit. Seit 2021 inspiziere das Programm vollautomatisch die Flächenware aus Leder und teile sie in die entsprechenden Klassen ein.

Durch Digitalisierung werden Kosten reduziert


Die Entwicklung des Systems war laut BMW aufwendig, aber der geringere Ressourcenverbrauch, sinkende Kosten im Einkauf und die bessere CO2-Bilanz zeigten, dass die Richtung stimme, so das Unternehmen in einer Pressemitteilung. Von der automatischen Oberflächeninspektion zum durchgängig digitalen Prozess sei es daher ein logischer Schritt gewesen. Das Ergebnis des neuen Prozesses könne sich sehen lassen: Bei der gleichen Menge lederbezogener Interieur-Teile sei der Lederverbrauch im Werk Dingolfing um etwa 15 Prozent gesunken. Die Zahl der falsch zugeschnittenen oder fehlerhaften Lederteile sei sogar um Dreiviertel zurückgegangen. Die Digitalisierung helfe hier also, den Prozess effektiver zu gestalten und die Kosten zu reduzieren. Gleichzeitig erleichtere sie den Mitarbeitenden die Arbeit und schone die Umwelt, so BMW.

Leder ist wegen Haptik und Langlebigkeit beliebt



Auch wenn BMW den Kunden zunehmend hochwertige vegane Alternativen für die Fahrzeuginnenausstattung biete, sei echtes Leder aufgrund seiner Haptik und Langlebigkeit im Premium- und Luxussegment nach wie vor gefragt, teilt BMW mit. In Sachen Nachhaltigkeit gehe es eben nicht nur um die Frage nach der verbrauchten Menge. Ein wesentlicher Aspekt sei die Art und Weise, wie das Leder gegerbt wird. Mit Blick auf den CO2-Fußabdruck verursache die energie- und wasserintensive Weiterverarbeitung des Leders rund ein Fünftel der Emissionen. Die restlichen 80 Prozent entstehen durch die Rinder selbst. Betrachte man den CO2-Footprint des gesamten Tieres und lege ihn wertschöpfungsanteilig auf das Leder um, sind dem Material rund drei Prozent der CO2-Emissionen des Tieres zuzuordnen. Und obwohl die Automobilindustrie nur Leder von Rindern nutze, die für die Fleisch- und Milchindustrie gezogen werden, sind Leder- oder Textilalternativen ein weiterer wichtiger Schritt zur CO2-Reduktion. Doch der CO2-Wert allein sage noch nicht, wie nachhaltig ein Material sei. Die BMW Group habe daher auch alle anderen Nachhaltigkeitsaspekte wie Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz, Tierwohl und die verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung konsequent im Fokus, so das Unternehmen.

− mwe


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