„Da kommt man nicht mehr herum“
Fachkräfte aus dem Ausland Thema beim Deggendorfer Handwerkergespräch

07.12.2023 | Stand 07.12.2023, 5:00 Uhr

Stellten sich den Fragen der Handwerker: Franz Niemeier, stellvertretender Kreishandwerksmeister (2.v.l.), Georg Haber, Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, Andreas Daffner von der Ausländerbehörde und Matthias Wendt, operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. Moderiert wurde der Abend von Simone Heigl (links). − Foto: Franziska Hierbeck

Maler, Schreiner, Heizungsbauer und Friseure – alle haben mit dem gleichen Problem zu kämpfen: Es fehlt an Nachwuchs auf dem deutschen Arbeitsmarkt. „Um dieses Thema kommt man nicht mehr herum“, sagt Franz Niemeier, der stellvertretende Kreishandwerksmeister, und bringt damit die Situation seiner Kollegen auf den Punkt.

Handwerker verschiedener Gewerke haben in der Berufsschule 1 über die Erfahrungen und Chancen bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte diskutiert. Organisiert wurde das Deggendorfer Handwerkergespräch vom Wirtschafts- und Regionalmanagement des Landkreises.

Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist die Situation in Bayern besonders prekär. 86 Prozent der Berufe werden hierzulande als „Engpassberufe“ eingestuft. Und die Prognosen lassen keinen Optimismus zu: Ein Drittel weniger Erwerbspersonen gibt es 2060 bundesweit, „wenn Deutschland keine Zuwanderung zulassen würde“, heißt es vom Ministerium weiter.

Schon jetzt können Betriebe nicht mehr auf Kräfte aus dem Ausland verzichten



Sind Fachkräfte aus dem Ausland die einzige Chance auf wirtschaftliche Stabilität? Gemeinsam mit Experten zu diesem Thema sollte der Frage speziell für die Handwerksbetriebe in Deggendorf nachgegangen werden. Den Fragen des Publikums stellten sich der Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, Dr. Georg Haber, Matthias Wendt, der operative Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Deggendorf, und Andreas Daffner von der Ausländerbehörde des Landratsamts.

Ein Blick auf die Zahlen der Agentur für Arbeit zeigt, dass bereits jetzt die Deggendorfer Handwerksbetriebe nicht mehr auf ausländische Beschäftigte verzichten können. Im Landkreis arbeiten knapp über 7640 Frauen und Männer im Handwerk, der Ausländeranteil liegt bei etwa 1260 Personen (Stand Juni 2022). Herkunftsland Nummer eins ist Rumänien, gefolgt von Polen, Tschechien und Kroatien. Zwölf Prozent der Ausbildungsverträge in Ostbayern werden aktuell bereits mit Migranten geschlossen.

„Bevor an das Thema Ausland gedacht wird, sollten Potenziale im Inland erkannt werden“, sagte Matthias Wendt. So gebe es unter anderem viele positive Beispiele für Inklusion aus kleineren und mittleren Handwerksbetrieben.

„Wer wäre besser für Integration geeignet, wenn nicht das Handwerk mit seinen familiären Strukturen?“, pflichtete Dr. Georg Haber bei. Als Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz ist er das Sprachrohr für knapp 40 000 Handwerksbetriebe. Im Kontext der bundesweiten Entwicklungen stehe das ostbayerische Handwerk noch gut da. Dennoch werde das Handwerk im politischen Diskurs oft vergessen. „Verdichtete Krisen sind zur Normalität geworden. Es fehlt uns an Planungssicherheit, das ist unser größtes Problem.“

Unter den Betrieben herrscht noch Unsicherheit



Dass Unsicherheit unter den Betrieben herrscht, wurde auch beim Handwerkergespräch deutlich. Ist einmal ein Bewerber aus dem Ausland gefunden, welche gesetzlichen Regelungen gelten dann für eine Arbeitserlaubnis? Etwas mehr Licht ins Dunkel brachte Andreas Daffner von der Ausländerbehörde, der einen kurzen Überblick über die bürokratischen Hürden gab und auf das Beratungsangebot am Landratsamt verwies. Sein Tipp: Die Betriebe sollen viel Zeit für die Genehmigung der Anträge einplanen. „Deggendorf gehört zu den schnellsten Ausländerbehörden Bayerns“, betont er. Aber eine abschließende Genehmigung in den Heimatländern der Bewerber dauere teilweise anderthalb Jahre.

Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung soll es zukünftig schneller gehen: Ein anerkannter Berufsabschluss reicht dann für eine Arbeitserlaubnis aus. Jemand, der beispielsweise gelernter Bäcker ist, kann dann in Deutschland auch als Maurer arbeiten, sofern ein konkretes Arbeitsangebot besteht. Auch die Bescheinigung über ein gewisses Sprachniveau muss nach der neuen Gesetzgebung nicht mehr erbracht werden.

Bei der Diskussion, die sich unter den Unternehmern entspann, wurde deutlich, dass das Anwerben von ausländischen Mitarbeitern einen erheblichen Mehraufwand für die Arbeitgeber bedeutet. Unterstützung bei der Wohnungssuche, finanzielle Vorschüsse oder gemeinsame Behördengänge – die Erfahrungsberichte der Deggendorfer Handwerker umfassen viele „Fleißaufgaben on top“, wie einer der Anwesenden sagte.

Burgas-Projekt des Landkreises zeigt: Der Aufwand lohnt sich



Dass sich der Aufwand lohnt, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, zeigt das Burgas-Projekt des Landkreises. Seit 2011 werden mit der Initiative gezielt Auszubildende aus Bulgarien angeworben. Etwa die Hälfte der insgesamt 100 Auszubildenden sei in der Region geblieben. „Die Initiative sorgt für ein gutes Image von Deggendorf. Uns erreichen schon Anfragen aus Griechenland und Ägypten“, sagt Regionalmanager Herbert Altmann, der zusammen mit Landrat Bernd Sibler Gastgeber war. Das Fazit aus dem Burgas-Projekt: „Gezielte Zuwanderung kann funktionieren.“