Unterwegs in Oberstaufen: Detektiv-Ermittlungen in Bilderbuch-Landschaft

20.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:56 Uhr

Gratwanderung: Zwölf Kilometer liegen zwischen dem Hochgrat und dem Mittag, die Tour bietet spektakuläre Ausblicke – ist aber anstrengend und erfordert Bergerfahrung. −Fotos: Lakota

Von Andreas Lakota

Sanfte Hügel, saftige Wiesen, Kühe, Käse, Kultur. Oberstaufen im Oberallgäu bietet beste Bedingungen für einen genussvollen Aktiv- Urlaub. Um noch mehr Familien anzulocken, hat der kleine Markt ein in Deutschland bisher einzigartiges Projekt gestartet – und einen Detektivwanderweg ins Leben gerufen.

Eigentlich will sie gar nicht fahren. „Was bitteschön soll ich im Allgäu“, sagt Constanze Höfinghoff zu sich selbst. Seit ein paar Jahren schon arbeitet sie als Tourismuschefin in St. Peter-Ording, managt im Nordseeheilbad die Geschäfte. Und nun also Oberstaufen? Bayern? Vom nördlichsten Landkreis der ganzen Bundesrepublik in den südlichsten Zipfel Deutschlands? Kühe statt Muscheln, Berge statt Meer, Schnee statt Regen? Nein, mit diesem Kontrast kann sich Constanze Höfinghoff einfach nicht anfreunden. Aber ganz nach dem Motto „was man nicht kennt, kann man auch nicht ablehnen“, steigt sie doch ins Auto und fährt los. 950 Kilometer. In eine andere Welt.

Es ist ein warmer Frühlingstag als sie in Oberstaufen, dem kleinen Markt im Oberallgäu, ankommt. Am Bergkamm der Nagelfluhkette glitzern noch die letzten Schneereste. Weiter unten blühen Wildblumen, der Duft von frischen Kräutern erfüllt die Luft. Die ersten Kühe sind bereits auf den Almen unterwegs, das Gebimmel ihrer Schellen ist nicht zu überhören. Überall sprießt frisches, sattes Grün, Bienen summen. „Ich habe gedacht: Das ist doch alles nicht echt hier“, erinnert sich Constanze Höfinghoff. „Wenn du aus dem Norden kommst, denkst du, das kann doch gar nicht wahr sein, das muss doch jemand inszeniert haben.“

Schrothkur, Wellness – und jetzt die „MounTeens“

Mittlerweile weiß Constanze Höfinghoff: Es ist echt. Eine Landschaft wie im Bilderbuch. Sanfte Hügel, samtig grüne Wiesen und eine „faszinierende Weite, von fast jeder Ecke hier öffnet sich der Blick“. Dazu ganz viel Tradition, Brauchtum, Kultur. „Und auch das wird nicht für die Gäste inszeniert. Die Menschen hier leben ihre Traditionen“, sagt Höfinghoff, die im Sommer 2019 tatsächlich das macht, was sie sich vorher nie vorstellen kann. Sie verlässt Nordfriesland und nimmt das Jobangebot als Tourismusdirektorin in Oberstaufen an.

In dieser Funktion hat sie zusammen mit ihrem Team, den Bergbahnen und den Mitarbeitern des Naturparks Nagelfluhkette auch ein Projekt auf den Weg gebracht, das noch stärker eine neue Zielgruppe anlocken soll: Familien mit Kindern.

Bisher war Oberstaufen neben seiner landschaftlichen Schönheit vor allem für die Schrothkur bekannt, bei der sich ruhige Trocken- mit aktiven Trinktagen abwechseln. Bis heute ist der Markt das einzig anerkannte Schroth-Heilbad Deutschlands. Zahlreiche Hotels und Kureinrichtungen haben sich auf die Durchführung dieses ganzheitlichen Naturheilverfahrens spezialisiert. Im Sog der „Schrothler“ kamen in den letzten Jahren auch immer mehr Wellness-Fans ins Ostallgäu, die Dichte an Vier- und Fünf-Sterne-Hotels ist hoch. „Wir haben ganz viele Gäste, die sich in einer guten Hotellerie und Gastronomie wohlfühlen, die aber auch sehr aktiv sind und gerne wandern oder radfahren. Aber alles eher in der Genusskategorie“, sagt Constanze Höfinghoff und fügt an: „Die Allgäuer Hügellandschaft bietet aber auch beste Voraussetzungen für aktive Familien mit Kindern.“

Daher ist die Begeisterung bei der Tourismusdirektorin groß, als sich mitten im Corona-Lockdown das Team rund um den Schweizer Kinderbuchautor Marcel Naas meldet. Dieser hat die „MounTeens“ erfunden, eine Detektivbande, die ähnlich wie „Die drei Fragezeichen“ oder „TKKG“ gemeinsam schwierige Fälle lösen – aber eben nicht am Meer oder in der Stadt. Bei Naas sind die vier Teenager-Helden Sam, Lena, Matteo und Amélie in den Bergen zu Hause. Die jungen Spürnasen könnten doch auch in Oberstaufen ermitteln, schlägt Naas vor – und so wird die Idee eines eigenen Detektivwanderwegs geboren.

Schauplatz der Geschichte ist der Hündle. Auf dem 1111 Meter hohen Berg hat ein kleiner Junge seinen Hund verloren. Sam, Lena, Matteo und Amélie wollen helfen − und schlittern dabei in eine gefährliche Mission, denn auf dem Berg treibt ein Wilderer sein Unwesen. 14 Kapitel umfasst das Buch, zu jedem gibt es auf dem rund sechs Kilometer langen Rundwanderweg eine eigene Rätselstation. Dort lesen die Kinder oder ihre Eltern den jeweiligen Abschnitt der Geschichte – oder lassen sich diesen via QR-Code vom Smartphone vorlesen. Jedes Rätsel hat einen Buchstaben oder eine Zahl zur Lösung, diese wird dann in das Detektiv-Wanderbuch notiert – am Ende kann der Lösungscode in der Detektivzentrale an der Talstation der Gondelbahn eingetippt und der Fall erfolgreich abgeschlossen werden.

Die Begeisterung für das in Deutschland bisher einzigartige Projekt sei groß, berichtet Constanze Höfinghoff. „Die Bücher sind regelmäßig vergriffen.“ Tatsächlich schwärmen am Hündle viele Eltern über die moderne, multimedial aufbereitete Schnitzeljagd. „So viel und weit sind die Kinder noch nie gegangen“, sagt Stefanie Wagner, die mit ihren Töchtern (7 und 9) den Fall gemeistert hat. Rund drei Stunden seien sie unterwegs gewesen. „Zu einer sehr spannenden Kriminalgeschichte haben wir auch jede Menge an Besonderheiten über die Natur und Berge hier erfahren.“

Neben Touristen bekomme man viele Anfragen von Sportvereinen und Schulen, berichtet Constanze Höfinghoff. Auch die Mitarbeiter der Bergbahn und des Naturparks seien mit dem Detektiv-Fieber infiziert, pflegen und warten mit großer Leidenschaft die Stationen, erzählt die Tourismuschefin und verrät: Am Imberg (1325 m), dem großen Bruder des Hündle, wird schon in diesem Sommer ein weiterer Detektiv-Wanderweg entstehen. „Dort gibt es einen alten Schmugglerpfad. Der bietet sich natürlich ideal an für einen spannenden Fall.“ Selbst am Hochgrat, mit 1834 Metern höchster Gipfel der Region, könne man sich künftig ein Projekt mit den MounTeens vorstellen, heißt es.

Tour am Hochgrat: Es geht auch richtig alpin

Wie Hündle und Imberg ist auch der König der Nagelfluhkette mit der Bergbahn zu erreichen. Viele Besucher nutzen die gelben, nostalgischen Gondeln, um sich bequem zum Bergrestaurant auf 1700 Meter transportieren zu lassen. Von dort aus geht es über einen neu gestalteten, harmlosen Steig inklusive Trittstufen ruckzuck zum Gipfelkreuz, wo an schönen Tagen fast Schlange gestanden wird für ein Erinnerungsfoto.

Allerdings: Der Hochgrat zeigt auch die alpine Seite des Allgäus. Denn wer nicht wie die Masse direkt am Gipfelkreuz kehrt macht sondern weitermarschiert, den erwartet eine anspruchsvolle Bergtour. Etwa zwölf Kilometer liegen zwischen dem Hochgrat und dem Mittag, der den Bergkamm im Osten abschließt und als Aussichtswarte hoch über dem Illertal und Immenstadt thront. Dazwischen ragen acht Gipfel empor, darunter Rindalphorn (1821 m) oder Buralpkopf (1772 m). Die Tour, nur für Wanderer mit entsprechender Kondition und Erfahrung geeignet, folgt fast durchwegs der Grathöhe und bietet beeindruckende Fernblicke. Von der Zugspitze bis zum Bodensee reicht die Sicht. Und weit hinein ins Voralpenland mit seinen sanften Hügeln und grünen Wiesen. Eine Landschaft, so beschreibt es Constanze Höfinghoff „die mich umarmt, die sich um mich legt wie eine warme Kaschmirdecke, nicht beschwerend, aber doch kuschelig warm.“ Es scheint, als habe sie das Meer, den Wind und die Wellen fast schon vergessen.


Redakteur Andreas Lakota recherchierte mit Unterstützung von Oberstaufen Tourismus im Allgäu.


Ganz im Südwesten Bayerns, direkt an der Grenze zu Österreich und in unmittelbarer Nähe zur Schweiz liegt der Markt Oberstaufen mit seinen rund 7800 Einwohnern. Vier Orte und Dörfer bilden das Gebiet: Oberstaufen, Thalkirchdorf und Steibis mit Aach. Auch wenn Oberstaufen seit 1991 die höchste deutsche Stufe der Kurortklassifikation erreicht, verzichtet man auf den Ortszusatz „Bad“.

ANREISEN
Mit dem Auto ist Oberstaufen einfach zu erreichen. Am besten über München, von dort gelangt man über die A96 (bis zum Autobahnkreuz Allgäu) sowie die Bundesstraße in rund zwei Stunden nach Oberstaufen. Der Markt verfügt auch über eine sehr gute Bahnanbindung, der Bahnhof liegt mitten im Ort.

ÜBERNACHTEN
Eine perfekte Unterkunft für Familien ist das Mondi Resort. Das Vier-Sterne-Hotel bietet Studios und Appartements für bis zu acht Personen (inklusive Küchenzeile). Auf der parkähnliche Ferienanlage gibt es viel Raum zur Bewegung und auch zahlreiche Sportmöglichkeiten wie Tennis- und Basketballplatz, Kegelbahn, Trampoline sowie ein Hallenbad mit Sauna.

FREIZEITTIPPS
• Für Kletterfreunde lohnt sich ein Besuch auf dem Imberg. Der Sport Hauber Waldhochseilgarten bietet verschiedene Parcours mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden.  Beim Klettern von Station zu Station wird die Herausforderung immer größer. Mit der Imbergbahn ist der Waldseilgarten relativ bequem zu erreichen.
• Mit dem Aquaria verfügt Oberstaufen über ein großes Erlebnisbad mit verschiedenen Saunen. Eine Besonderheit ist das Indoor-Sprungbecken mit 3- und 5-Meter-Brett inklusive „Bubbler“. Auf Knopfdruck entstehen Luftblasen, die die Wasseroberfläche brechen und einen weichen Aufprall garantieren.

www.oberstaufen.de