Dänemarks Westküste: Von Dünenlandschaften bis hin zum Fischfang

10.06.2023 | Stand 14.09.2023, 23:41 Uhr
Bernadette Niedermeier

Sandstrand, begrünte Dünen und das ruhige, blaue Meer: So kennt man Dänemarks Küstenregionen. Die Westküste zieht vor allem viele Urlauber an, die Ruhe und den ländlichen Charme schätzen. Neben Naturschutzgebieten hat die Region auch eine hervorragende Küche zu bieten. −Fotos: Niedermeier

Gigantische Sandberge, weite Strände, Fischerdörfer, Naturschutzgebiete und die Nordsee prägen das Bild der dänischen Westküste. Neben der Landschaft gibt es hier auch zahlreiche kulinarische Highlights zu entdecken.

Es ist 10 Uhr an einem Samstag im Mai. Vogelgezwitscher vermischt sich bei 15 Grad mit dem Rauschen des Windes und der Himmel ist strahlend blau. Gigantische Sandberge und zahlreiche Pflanzen wie Hagebutte, Sanddorn, Blaubeere, Minze oder Thymian prägen die dänische Dünenlandschaft an der Nordsee. Durch ihre lange weiße oder schwarze Wolle stechen rund 20 Schafe heraus, die die Dünen von Nymindegab beweiden.

Wenige Einwohner, viele Urlauber

Nymindegab ist ein ehemaliges Fischerdorf in der Kommune Varde an der Westküste Dänemarks. Während jährlich rund 1,5 Millionen Touristen die raue Landschaft mit den reetgedeckten Häusern in der Region rund um Blåvand, Henne Strand, Søndervig und Hvide Sande genießen, wohnen in der ländlichen Gegend gerade einmal um die 100 000 Menschen.

Pia Jessen zog es vor rund 20 Jahren mit ihrem Mann in diese Region. Sie hat heute die Schafe in den Dünen im Blick und ist auf der Ostsee-Insel Seeland bereits mit Tieren aufgewachsen. Ihre Freizeit widmet die Vorschullehrerin als Vorsitzende des lokalen Weidevereins den Schafen. Dem Verein gehören 30 einheimische Familien an, die Schafe halten. Diese beweiden die Dünen von Nymindegab, halten so das Dünengras kurz und schützen die Natur. Die Tiere weiden das ganze Jahr über eingezäunt auf sechs Feldern im Naturschutzgebiet und bekommen lediglich im Winter eine Mineralfutter-Zugabe.

Die Bauern des Weidevereins erhalten von einem Naturschutzverein eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit und haben einen Schichtplan, sodass jeden Tag jemand aus der Kooperative zu den Tieren in die Dünen fährt und nach dem Rechten sieht. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass sich Schafe in Pflanzen verfangen oder Weidezäune defekt sind.

„Auch wenn ich von der Körpergröße zu den Kleineren zähle, bin ich die größte Bäuerin in der Kooperative“, sagt Pia Jessen mit einem Schmunzeln auf den Lippen. 20 der rund 70 Schafe, die gerade in den Dünen unterwegs sind, gehören ihr und zuhause auf ihrem Hof hat die 64-Jährige nochmal rund 130 Schafe und Lämmer. Alle Tiere zählen zu der Spælsau-Rasse. Hierbei handelt es sich um eine nordische Rasse, die besonders robust ist. Die Schafe fühlen sich auf mageren Böden, auf den Wiesen und in den Dünen wohl. „Sie halten die taffe Natur hier aus und schaffen, genau wie die Menschen hier in Westjütland, einfach alles“, erklärt Jessen stolz. „Außerdem sehen sie einfach toll aus“, ergänzt sie. Und das stimmt, denn die langwolligen Tiere, die die Dünen hochwandern und an den Sträuchern knabbern, bilden ein lebendiges Postkartenmotiv und machen so die Dünen zu einem Sehnsuchtsort.

Die Spælsau-Schafe ziehen in den Dünen weit umher und legen daher Fett an Lunge und Herz an, während andere Schafe dies am Rücken haben. Deshalb erinnert das dunkle Fleisch der vierbeinigen Naturpfleger geschmacklich auch an Wild. Im November werden die Tiere zum Schlachten aussortiert. Pia Jessen bereitet aus dem Fleisch am liebsten Ragout mit Kräutern, Frikadellen oder Eintopf mit Kohl zu. Während die anderen Bauern ihres Weidevereins nur für den Privatgebrauch schlachten, verkauft sie auch Fleisch.

Das Fell der Schafe wird vielseitig genutzt

Besonders wichtig ist es ihr, aus Gründen der Nachhaltigkeit, das ganze Tier zu nutzen. Traditionell findet nach der Schur die Schafwolle, die mit natürlichen Farben eingefärbt wird, für die Herstellung von wärmenden Textilien wie Mützen, Socken, Handschuhen oder Pullovern Verwendung. Schafsfell kann im Kinderwagen liegen, Wohnzimmersofas zieren oder als Futter in Schuhen und Jacken verwendet werden. „Freunde von mir stricken und weben mit der Schafswolle und andere stellen Schnaps aus den Dünen-Kräutern her“, sagt Pia Jessen, die das Gemeinschaftsleben in ihrem Verein genießt. Neben Schafen, deren Fleisch ein bedeutender Bestandteil der historischen Nordseeküche ist, ist auch Fisch an der Westküste seit jeher eine wichtige Nahrungs- und Einnahmequelle. Besonders charakteristisch ist luftgetrockneter Fisch, der so noch vor Erfindung des Kühlschranks haltbar gemacht wurde. Rund 20 Kilometer nördlich von Nymindegab lebt die Tradition des getrockneten Fisches in der Hafenstadt Hvide Sande weiter.

Während die Fischer hier früher am Strand anlegten, fahren sie heute direkt in den Hafen, der derzeit etwa 40 Schiffe beherbergt. Am Hafen ist die Auktionshalle von Hvide Sande, die über 1400 Quadratmeter Kühlraum verfügt. Hier können sowohl Großhändler als auch Touristen einkaufen. Zu Auktionszeiten wetteifern die Bieter um den Zuschlag, heute werden aber nur noch die letzten Fische auf Eis gelegt und gelagert. So kann man erahnen, wie es in der riesigen Halle zu Stoßzeiten zugeht. „Montag und Freitag sind die wichtigsten Tage, weil da der Export rausgeht“, sagt Helga Madsen, Inhaberin des Großhandelsunternehmens Edgar Madsen. Sie kauft in der Auktionshalle täglich Kabeljau, Schellfisch, Scholle, Steinbutt oder Seeteufel ein. Welche Fische angeboten werden, hängt unter anderem von der Saison, aber auch von Fangquoten, die den Fischern vorschreiben, wie viel sie von bestimmten Arten fangen dürfen, ab. „Kaufentscheidungen muss ich schnell treffen. Bis ich eine E-Mail geschrieben habe, ist die gute Ware schon weg“, erklärt die 57-Jährige. Dank ihrer Erfahrung weiß sie, welchen Fisch ihre Kunden brauchen.

Helga Madsens Arbeitsplatz befindet sich hinter einem Garagentor gegenüber der Auktionshalle. An den Wänden sind weiße Kacheln und der heute gekaufte Fisch lagert auf Eis in grünen Kisten. Die Inhaberin hat zehn Angestellte und verpackt und filetiert den Fisch. Anschließend wird er mit Lkws nach Spanien, Frankreich, Deutschland oder in die Schweiz geliefert. „Das Wort Fisch kann ich deshalb auf jeder europäischen Sprache sagen“, erklärt sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen. In einer Stunde schafft sie es, per Hand 20 bis 30 Kilo Fisch zu filetieren. Ungefähr die Hälfte ihrer Ware wird nicht exportiert, sondern bleibt in der Region und geht an lokale Gaststätten und Gourmetrestaurants. Dass ihr Preis oft nicht der billigste ist, weiß sie. „Die Qualität muss man aber erstmal woanders finden.“

„Es kommt immer anders, als man denkt.“

Helga Madsen ist in Hvide Sande aufgewachsen. Sie führt das Großhandelsunternehmen in der vierten Generation. In die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten war eigentlich nicht der Plan der 57-Jährigen, die Architektur studiert hat. Heute möchte Helga Madsen ihren Beruf aber nicht mehr missen: „Es kommt immer anders, als man denkt.“ Wer die dänische Landschaft und Küche einmal zu schätzen gelernt hat, kommt immer wieder.


Stipendiatin Bernadette Niedermeier reiste auf Einladung von Visit Denmark an die dänische Westküste.


Die Westküste Dänemarks ist vor allem bei Naturliebhabern beliebt. Die Küstenregion punktet mit ihren charmanten Fischerdörfern und Naturschutzgebieten.

ANREISEN
Da die Westküste eher ländlich geprägt ist, empfiehlt es sich, mit dem Auto anzureisen oder sich eines auszuleihen.

ÜBERNACHTEN
•Entlang der Küste gibt es viele Ferienhäuser, die ideal für Familien oder Gruppen sind (https://www.feriepartner.de/).
Hvidbjerg Strandhotel: Apartments in der ersten Dünenreihe, die im klassischen Stil der dänischen Badehotels eingerichtet sind.
Arnbjerg Pavillonen: Ikonisches Gebäude in der Kleinstadt Varde mit direktem Blick vom Zimmer auf den Park.

KULINARIK
Høfde 4: Das Restaurant ist mit dem Hvidbjerg Strandhotel verbunden. Der Fokus liegt auf gutem Essen mit vorzugsweise regionalen Zutaten.
Café Stranden: Hat direkt am Henne Strand eine der schönsten Lagen in der Region.
Lille K: Aus frischen und regionalen Zutaten werden Fish and Chips, Moules Marinières oder kaltgeräucherter Lachs zubereitet.

www.visitdenmark.de