Ein paar Tage in Malmö reichen aus, um die eigenen Reserven wieder aufzufüllen: Die schwedische Stadt bietet dafür genau die richtige Mischung aus Zukunftsvisionen, Kultur und lässiger, urbaner Atmosphäre.
Drei Kameras sind im Dekolleté-, Brust- und Intimbereich installiert. Nähert sich eine Hand, schießen schwarze Nadeln nach oben – ganz wie bei einem Stachelschwein. Programmiert hat dieses Anti-Vergewaltigungs-Kleid die gebürtige Rumänin Bianca Traistar, gemeinsam mit ihren Kommilitonen der Universität in Malmö. Sie sind Teil der sogenannten „South Sweden Design Days“, die Ende Mai zahlreiche Künstler nach Schweden zogen.
Nicht nur die Sicherheit von Frauen war Thema auf dem Festival – auch das derzeit omnipräsente und vielen schon leidige Thema Klimaschutz stand auf der Agenda. Doch statt sich festzukleben setzen die Schweden lieber auf lösungs- statt verbotsorientiertes Handeln.
Eine Station der South Sweden Design Days im Design und Form Center in Malmös Altstadt zeigt den Besuchern: Es gibt so viel mehr Materialien zu entdecken. Anstelle von Baumwolle und Leder setzen die Schaffenden auf gepresste, recycelte Stoffe, Schellack oder aufbereitete Plastikflaschen. Sie zeigen: Auch mit anderen Materialien kann das Endprodukt aussehen, wie es aussehen soll.
Eine Gegenüberstellung der CO2-Emissionen in der Möbelproduktion lässt die Kinnlade einer älteren Dame nach unten klappen: Der Prozess bis hin zu einem fertigen Stück Leder, nicht größer als eine Käsescheibe, entspricht dem CO2-Verbrauch der Fertigung von 18 Rattanstühlen. Bei einer weiteren Station setzen sich Ebba Lindgren und Maria O’Brian humoristisch mit dem schulischen Zwang zum Sportunterricht auseinander. So sind ein Stuhl ausgestellt, der den Schweißgeruch von Sportklamotten im Treppenhaus verströmen soll oder eine Stange mit Hantelringen, an der Socken abtropfen können. Die Künstlerinnen machen deutlich: Sobald Bälle ins Spiel kommen, schwenken sie die Fahne der Resignation.
Es fällt auf, dass es vor allem junge Frauen und Männer sind, die sich mit ihrer Kunst kritischen Gesellschaftsthemen widmen. Viele von ihnen studieren an der Universität in Malmö. Doch auch die Professoren dort denken darüber nach, wie es mit Malmö weitergehen kann. Olof Kolte etwa setzt sich intensiv mit der Verkehrsgestaltung auseinander und hat ein Konzept entworfen, mit dem die Stadt in verschiedene Sektoren unterteilt werden würde. Im inneren Zentrum wären dann ausschließlich Fahrräder erlaubt, im Stadtgürtel Autos und Züge und im äußeren Bereich Züge für den Nah- und Fernverkehr.
Das größte Projekt Malmös dürfte derzeit der Stadtbereich Varsstaden sein. Der frühere Schiffshafen mit Werft umfasst 19 Hektar Fläche und befindet sich im Umbau. Hier sollen künftig Wohnen, Arbeiten und Leben vereint werden. Dabei werden die alten Hallen teils komplett ab- und aus recycelten Materialien wieder aufgebaut. In vielen Gebäuden ist der Boden kontaminiert, muss abgebaggert und neu aufgeschüttet werden. Ein altes Backsteingebäude wird in ein Hotel umgewandelt, in einem Magazin befindet sich bereits ein namhaftes Architekturbüro. Alte Stahlträger sind orange lackiert, die vier Meter hohen Wände gegenüber erstrahlen in grellem Gelb, Pflanzen ranken über Lüftungsrohre. So könnte Malmös Arbeitswelt künftig aussehen, ist die Botschaft. Die Stadtentwicklung schreitet voran und doch sind beim Rundgang durch Malmö zwischen modernen Sehenswürdigkeiten wie dem Turning-Torso-Hochhaus auch die alten Fleckchen einen Abstecher wert. Etwa im Freibad Ribersborgs Kallbadhus.
Das Kaltbadehaus ist eines von vielen an der schwedischen Küste. Hier können die Besucher die nordische Kombination aus Sprung ins Meer und Saunagang genießen. Den Einheimischen zufolge gilt hier: „Was im Badehaus passiert, bleibt im Badehaus.“
Auch mit vollgepacktem Programmplan reichen bereits vier Tage in Malmö aus, um sich wie ein neuer Mensch zu fühlen. Die Gelassenheit der Schweden, die Vielfältigkeit der Stadtbezirke und die große kreative Branche der Stadt machen Malmö zu einem Ort, an dem man sich einfach wohlfühlen muss.
Autorin Franziska Kirschner reiste mit Unterstützung der Tourismusorganisation Visit Sweden nach Malmö.
Etwa 300000 Einwohner leben in Schwedens drittgrößter Stadt Malmö. Seit dem Bau der Öresundbrücke, die Kopenhagen in Dänemark und Malmö seit dem Jahr 2000 miteinander verbindet, hat sich die Stadt zu einem Treffpunkt für Kunstenthusiasten, Designer und Kreative entwickelt. Da es vergleichsweise günstig ist, dort zu wohnen, pendeln täglich zahlreiche Malmöer nach Kopenhagen in die Arbeit. Wenn nicht gerade eine Kunstveranstaltung Besucher anlockt, sind auch die Kirchen, historischen Bauwerke und der Strand sehenswert.
ANREISEN
Der Flughafen Malmö liegt zwischen Skurup und Svedala in der Region Schonen. Der fünftgrößte Airport Schwedens wird auch von München aus angeflogen.
ÜBERNACHTEN
Das MJ’s hat Tradition in Malmö. Inzwischen ist es das hippe Trendhotel der Stadt, in dem sich auch Einheimische auf einen Drink treffen. In Schwarz und Pink gehalten, mit Art-Deco Zimmern und traumhaftem Innenhof hat es ein einzigartiges Flair.
KULINARIK
•In Adolfs Restaurant gibt es die besten Köttbular der Stadt.
•In der Cantine können Touristen ein typisch schwedisches Mittagessen genießen.
•Darf es etwas nobler sein, wartet das Restaurant Aster mit vorzüglichen Weinen und Gerichten aus regional angebauten Zutaten auf.
•Tipp für Naschkatzen: Besonders leckere Zimtschnecken zur schwedischen Fika gibt es bei Bogensen.
www.visitsweden.de
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