Reise-Reportage
Radfahren in Osttirol: Glücksmomente zwischen Dreitausendern

13.04.2024 | Stand 13.04.2024, 5:00 Uhr |

Die Kulisse, die Radfahrer auf dem Osttiroler Teil des Drauradwegs erwartet, ist spektakulär: Es grüßen die Lienzer Dolomiten, die Schobergruppe und die Villgrater Berge sowie geschichtsträchtige Bauten wie im Bild die Lienzer Klause. − Fotos: Ingrid Frisch

Auf der Suche nach mediterranem Klima und ursprünglicher Natur ohne Menschenmassen? Dann auf nach Osttirol! Zwischen Großglockner und Dolomiten erleben „Draußen-Menschen“ inmitten von 266 Dreitausendern Glücksmomente. Beim Radeln zum Beispiel.

Rund um das sonnenverwöhnte Städtchen Lienz sind mehr als 600 Kilometer Radstrecken erschlossen – von der Kategorie gemütlich, etwa auf dem markierten Drauradweg, bis zu knackigen Bergstrecken mit weit über 1000 Höhenmetern. Wer mit dem E-Bike unterwegs ist, findet in Osttirol insgesamt 50 Ladestationen.

Die lässt Georg Peintner grundsätzlich links liegen. Der gebürtige Osttiroler fährt konsequent ohne Strom. „E-Biken is koa Radlfoarn“, kokettiert der drahtige 47-jährige Bike-, Ski-, Snowboard- und Wanderguide vom Typ ewiger Lausbub. Trotzdem hat sich Georg damit arrangiert, dass er mittlerweile auch viele E-Biker zu den schönsten Plätzen seiner Heimat führt. Ins Villgratental zum Beispiel, das ins nördliche Pustertal mündet. „Kommen Sie zu uns. Wir haben nichts“, sollen dessen eigenwillige, aber selbstbewusste Bewohner schon vor 25 Jahren für ihre unberührte Region geworben haben. Hotels und Lifte haben sie erfolgreich verhindert.

Ruhe und unberührte Natur im „outback“

Das macht sich heute bezahlt: Wer absolute Ruhe sucht und dort eine Almhütte mieten will, muss mit langem Vorlauf rechnen. Georg nennt seine Heimat liebevoll „outback“. Tatsächlich steht sie etwas im Schatten der benachbarten Tourismus-Giganten Südtirol und Kärnten. Und weil es keinen direkten Autobahnanschluss gibt, ist die Anreise nach Osttirol etwas mühsamer – auch mit dem Zug samt mehrerer Umstiege. Das hat aber den Vorteil, dass die Region weniger überlaufen ist.
Gedränge erleben Radfahrer nicht einmal auf dem über 500 Kilometer langen Drauradweg – außer im August, wenn besonders viele Italiener unterwegs sind. Zu dieser Zeit empfiehlt Rad-Guide Georg deshalb den Drauradweg zu meiden. Die markierte Route beginnt in Südtirol, gut 50 Kilometer führen durch Osttirol, danach über 200 Kilometer durch Kärnten, weiter nach Slowenien und Kroatien.

Der österreichische Teil ist als erster E-Bike-Radweg Europas mit fünf Sternen zertifiziert worden. Man radelt auf Asphalt, Sand- und Feinschotterwegen, so dass selbst Familien und Genussradfahrer nicht überfordert sind. Die Kulisse ist auch im Osttiroler Abschnitt spektakulär – es grüßen die Lienzer Dolomiten, die Schobergruppe und die Villgrater Berge. Badeseen in Radwegnähe und Badebuchten an der Drau bieten müden Muskeln Abkühlung.

Auch in Sachen Service sind die Osttiroler auf Zack: Im Verein „Drauradweg Wirte“ haben sich Gastronomen, Reparatur- und Servicebetriebe und Radverleiher zusammengeschlossen, die Unterkunft auch für nur eine Nacht bieten, ebenso versperrbare Rad-Abstellplätze oder die Möglichkeit, nasse Radbekleidung zu trocknen.

Köstliche Stärkung auf der Roaner Alm

Mit herrlicher Aussicht auf die Schobergruppe und die Dolomiten ist die Roaner Alm auf rund 1900 Metern beliebtes Ziel für Wanderer und Radfahrer, besonders Familien mit Kindern. Das Ambiente ist liebevoll, das Essen hervorragend mit teils mediterranen Gerichten, die man auf einer Hütte nicht erwartet. Sonne und Panorama genießt man auf der Terrasse oder den urigen Tischen mitten in der Wiese. Gemütlich und heimelig sind die Stuben, wo sich Wirtin und Köchin Lydia Pichler gerne über die Schulter schauen lässt.
Einer der schönsten Abschnitte des Drauradwegs beginnt 50 Kilometer von Lienz entfernt in Innichen, wo die Drau entspringt. Das Dorf ist bequem mit dem Zug zu erreichen und dann geht’s auf dem Rad flussabwärts durch die Natur. Das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs im gesamten Bezirk Osttirol wurde in den vergangenen Jahren reformiert und deutlich verbessert. Sämtliche Täler werden ganzjährig annähernd im Stundentakt mit Bussen angefahren – mit Gästekarte sogar zum Nulltarif.
Eine ganz besondere Regeneration erleben Radler am südlichen Drauufer im über 250 Jahre alten Aigner Badl nahe Abfaltersbach. Von Ende Mai bis Mitte September können sie (nach vorheriger Anmeldung) in diesem ältesten noch bestehenden Bauernbad Osttirols in historischem Ambiente in Holzbadewannen ein Schwefelbad genießen. Dank einer Kalzium-Sulfat-Mineralheilquelle hoffen Badegäste seit 1772 auf Linderung bei Rheuma, Ischias- und Gelenkschmerzen und auf eine gute Wundheilung. Nach einer Brotzeit mit regionalen Köstlichkeiten im idyllischen Hof des Anwesens ist man fit für weitere Radl-Kilometer.
Hochwertige, heimische Produkte bietet jeden Freitagnachmittag und Samstagvormittag der Lienzer Stadtmarkt in der Messinggasse, einer historischen Handwerkergasse in der Altstadt. Landwirte und Erzeuger aus der näheren und weiteren Region, Metzger, Bäcker, Landwirte, Fischzüchter und Schnapsbrenner verwandeln die Flaniermeile dann für ein paar Stunden in ein kulinarisches Schlaraffenland.

Wer tiefer in die Historie dieses Landstrichs eintauchen will, besucht etwa vier Kilometer östlich von Lienz das Aguntum mit seinen gefällig präsentierten Überresten der einzigen römischen Stadt in Tirol, die im 1. Jahrhundert nach Christus unter Kaiser Claudius zur Stadt erhoben worden ist. Sie war das Wirtschafts-, Verkehrs- und Verwaltungszentrum auf dem Gebiet des heutigen Osttirol, mit Stadtmauer, Forum, Prunkbauten, Thermen, Wohn- und Handwerkervierteln, einem Macellum (Marktgebäude vor allem für Fleisch, Fisch, Austern und andere Delikatessen). Die 1250 Quadratmeter große Museumsfläche und die 30000 Quadratmeter große Grabungsfläche geben Einblicke in eine römische Stadt im Gebirge. Bis heute werden Überreste bei Grabungen durch das Archäologische Institut der Universität Innsbruck freigelegt.


INFORMATIONEN

Die Stadt Lienz mit rund 12000 Einwohnern ist die siebtgrößte Stadt Tirols und der wirtschaftliche, kulturelle und soziale Mittelpunkt Osttirols. Lienz liegt an der Mündung der Isel in die Drau.

ANREISEN

Weil es keinen direkten Autobahnzubringer gibt, ist sie etwas mühsam. Auch mit dem Zug geht es nicht ohne mehrere Umstiege – über München, Salzburg und Spittal am Millstätter See, oder über Linz.

ÜBERNACHTEN
Hotel Moarhof, Lienz, familiengeführtes Vier-Sterne-Hotel, ruhig am Stadtrand gelegen, mit sehr guter Küche.

EINKEHR

Am Drauradweg: Forellenhof in Tassenbach, Pizzeria Tempele bei Winnebach.

AKTIVITÄTEN
•Natur-Baden und Kräuterführungen im Vitalpinum in Assling

•Museum Schloss Bruck: Mittelalterliche Burg mit Kunstsammlung

•Gallitzenklamm mit Wasserschaupfad und -spielplatz und Klettersteigen.

DIALEKT: DI SCHPROCH IN OSCHTTIROL

•Umbrelle – Regenschirm

•Lempatschek – Jacke

•Schneizhidale – Taschentuch

•Bumerantschn – Orangen

•Schpringingele – rastloses Kind

•Voutzhoubl – Mundharmonika

•Mannischen – Männer

•Weibischen – Frauen

www.osttirol.com

www.drauradweg.com

www.drauradwegwirte.com


Redakteurin Ingrid Frisch war im vergangenen Herbst mit Unterstützung des Tourismusverbandes Osttirol in und um Lienz unterwegs – und froh über die elektrische Unterstützung auf dem Radl.

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