Lissabon: Postkarten-Schönheit am Wasser

22.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:19 Uhr

Die Tramlinie 28 fährt an den meisten Sehenswürdigkeiten vorbei und erleichtert das Erkunden der hügeligen Altstadt. −Fotos: Sabine Heinritz

Von Sabine Heinritz

Lissabon bezaubert die Herzen der Besucher mit urigen Vierteln, mit hervorragendem Essen und viel Geschichte. Und für Surfer ist die nächste Welle nie weit entfernt.

Unermüdlich rattern die alten Straßenbahnen aus den 1930er Jahren auf den Gleisen bergauf und bergab und erleichtern das Erkunden der Altstadt. Zur Hauptsaison ist die bekannte Straßenbahnlinie 28E fast immer überfüllt. Sie führt vorbei an Lissabons wichtigsten Sehenswürdigkeiten und schlängelt sich durch die schmalsten Altstadtgassen. Zum Glück fahren die nahezu 100 Jahre alten Gefährte noch.

Wie Rom und Istanbul wurde Lissabon auf sieben Hügeln erbaut. Gute Kondition ist fürs Sightseeing Voraussetzung – oder eben ein bisschen Unterstützung durch die gelben Trams. Zusteigen kann man an der Praça Maritim Moniz mitten im Zentrum. Hat man es einmal nach oben geschafft, bieten sich beeindruckende Ausblicke auf die Dächer der Stadt, die breite Flussmündung des Tejo und das bekannte Postkarten-Panorama der Brücke des 25. April mit der überlebensgroßen Cristo-Rei-Statue am südlichen Flussufer. Direkt am Wasser erstreckt sich die prächtige, vier Hektar große Praça do Comercio mit hübschen Arkaden und dem imposanten Reiterstandbild von König José I. Nur ein paar Schritte entfernt besitzt Fußballstar Cristiano Ronaldo eines seiner Hotels CR7. Auf dem Platz am Wasser ist immer viel los. Hier treffen sich Touristen, Einheimische, Straßenmusiker, Verkäufer, Jogger und Pendler, die nach der Arbeit mit den Fähren zu ihren Wohnungen auf die andere Flussseite übersetzen.

Vanilletörtchen – und immer wieder Kabeljau

Neben der schönen Aussicht gibt es noch zwei gute Gründe, an der Praça do Comercial einen Stop einzuplanen. Das Café Martinho da Arcada, in der nordöstlichen Ecke des Platzes gelegen und 1781 gegründet, ist einer davon. Bekannt ist es für seine ausgezeichneten Vanille-Sahnetörtchen aus Blätterteig, Pastéis de Nata – die unbestritten besten und berühmtesten gibt es zwar in der Antiga Confeitaria Belém, fünf Kilometer westlich vom Stadtzentrum. Wem aber die Schlangen vor der Konditorei in Belém zu lang sind, der kann sich mit den Pastéis im Café Martinho trösten.

Eine kleine Kaffeepause lohnt auch, weil der berühmte portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa zu Lebzeiten Stammgast war und viele seiner Werke dort verfasste. In dem rückwärtigen Teil des Lokals, in dem auch Essen serviert wird, wird ihm noch sein ehemaliger Stammplatz frei gehalten. Als wäre er nur mal kurz weg, liegt sein Hut auf einem Regal. Bücher und Hefte auf dem Tisch und alte Schwarz-Weiß-Fotografien an den Wänden erinnern an ihn und weitere berühmte Dichter des Landes.

Nur einige Schritte weiter, direkt am Ufer des Tejo, hat vor knapp drei Jahren das Museum der Geschichte des Kabeljaus eröffnet. Es widmet sich der Frage, warum eine Nation mit einer langen Küste zum Atlantik gesalzenen und getrockneten Kabeljau (Bacalhau) zu ihrem Nationalgericht erkoren hat. Dem Vernehmen nach gibt es so viele Kochrezepte mit Stockfisch wie Tage im Jahr. Auch an Weihnachten wird traditionell Bacalhau gegessen. Neue Rezept-Vorschläge nimmt das Museum gerne entgegen und teilt sie auf seiner Internetseite. In kurzen Videos berichten Kabeljaufischer vom harten und gefährlichen Alltag auf See. Überhaupt ist das Museum multimedial hervorragend aufgestellt. Wie die kleinen Doriboote in der aufgewühlten See des Atlantiks herumwirbeln, wird den Besuchern in einem verdunkelten Raum dreidimensional und mit Toneffekten eindringlich vorgeführt. Im Museumsshop können die Besucher Stockfisch in Dosen als Mitbringsel erstehen.

Als Experte in der Zubereitung von Bacalhau gilt Vitor Sobral – notgedrungen, wie er erzählt. Als junger Koch sollte er als Teil einer Delegation im Ausland die Küche Portugals repräsentieren. Dazu gehört nun mal Stockfisch in allen Variationen. Also hat auch er ein Kochbuch mit 365 Rezepten verfasst. „Es hat zwei Jahre gedauert und war von allen Kochbüchern am schwierigsten zu schreiben,“ verrät er.

Ein Weltenbummler mit einer großen Leidenschaft

In seinem Restaurant Lota da Esquina in Cascais, rund 20 Kilometer von Lissabon entfernt, stehen natürlich Stockfisch-Gerichte auf der Karte. Gefragt nach seinem Lieblingsrezept nennt er Pastéis de Bacalhau, kleine frittierte Pasteten aus Stockfisch und Kartoffeln, ein Klassiker der portugiesischen Küche, den es praktisch in jedem Lokal gibt.

Sobrals Reisen haben ihn um die Welt geführt, er hat in 56 Ländern gekocht, betreibt Restaurants in Brasilien und Lissabon, neben dem Restaurant in Cascais auch das Tasca da Esquina in Lissabon. Daneben kümmert er sich um die Küche des Restaurants Varanda da Lisbo und die der Rooftop-Bar im Hotel Mundial.

In all seinen Restaurants gilt sein Augenmerk neben dem Bacalhau vor allem dem Reis. „Die Portugiesen essen zweimal so viel Reis wie die Spanier und dreimal so viel wie die Italiener.“ Beim Fischverzehr liegen die Portugiesen auf Platz drei hinter Japan und Island, erzählt er. Mit 17 Jahren hat Sobral angefangen zu kochen. Etwas anderes habe ihn nie interessiert, auch nicht, Chef eines bekannten Restaurants zu werden.

Mit dem Regionalzug dauert die Fahrt von Lissabon nach Cascais nur eine knappe halbe Stunde. Vom kleinen Fischerhafen hat sich die Stadt dank seiner Lage zum beliebten Ferienort entwickelt. Tagesausflügler aus Lissabon und Touristen bevölkern die nahe gelegenen Strände, bummeln durch die hübsche Altstadt oder über die Strandpromenade. Spektakulär wird die Küste rund sechs Kilometer nordwestlich, am Cabo da Roca, dem westlichsten Punkt von Kontinental-Europa. Unweit des Aussichtspunkts reiten waghalsige Surfer die großen Wellen, die sich an der zerklüfteten Küste brechen.

Gemäßigter geht es in Caparica zu. Als zwölfjähriger Junge ist Rui Rocha regelmäßig mit dem Bus an den Strand von Costa da Caparica gefahren, das Surfboard unter den Arm geklemmt. Damals wurde er von den Einheimischen schief angeschaut. Inzwischen sind die Surfer ein wichtiges Standbein für den Tourismus des Ferienorts, der sich am südlichen Tejo-Ufer gegenüber von Lissabon befindet.



Lissabon – Vision vom europäischen Kalifornien


Vor über sechs Jahren hat Rocha seine Surfschule surfpro gegründet und bringt nun Touristen aus aller Welt bei, wie sie die Wellen reiten. Eigentlich war Rocha Autoverkäufer. Sein ganzes Leben wollte er aber nicht im Büro sitzen. Viel lieber verbringt der 52-Jährige seine Zeit auf dem Meer und steht auf dem Surfbrett. „In zwei, drei Jahren wird Lissabon das europäische Kalifornien“, prophezeit er. Costa da Caparica liegt nur rund zehn Kilometer entfernt von Lissabons Zentrum und den Annehmlichkeiten der Stadt entfernt. Das ist ein großer Vorteil gegenüber den weiter nördlich an der Atlantikküste gelegenen Surfspots, an denen sonst nicht viel los ist, findet er.

Am südlichen Tejo-Ufer reihen sich 19 Strände aneinander bis zur Atlantikküste. Platz genug für Einheimische und Urlauber, die einen Schnupperkurs buchen und die restliche Zeit Lissabon erkunden. In den Sommermonaten machen hauptsächlich Familien Urlaub in Costa da Caparica. Im Herbst, wenn die Wellen größer sind, kommen die ernsthaften Surfer und solche, die der Ehrgeiz gepackt hat.


Redakteurin Sabine Heinritz reiste auf Einladung des Tourismusverbands Lissabon – Turismo de Lisboa – in die portugiesische Hauptstadt und stand auch am Cabo da Roca, am westlichsten Punkt des europäischen Kontinents.


Portugals Hauptstadt Lissabon liegt an der Flussmündung des Tejo in den Atlantik und hat mehr als eine halbe Million Einwohner.

ANREISEN

Vom Münchner Flughafen aus fliegen Lufthansa und Tap Air Portugal mehrmals täglich in knapp drei Stunden nach Lissabon.

ÜBERNACHTEN
Zentral gelegen an der Praça Martim Moniz ist das Hotel Mundial; schöne Rooftop-Bar mit sehenswertem Blick. Info unter: hotel-mundial.pt.

ERLEBEN
•Die Geschichte der Seefahrer-Nation Portugal wird im Maritime Museum (Belém, geral.museu@marinha.pt) anschaulich erklärt.
•Im Centro Interpretativo da História do Bacalhau dreht sich alles um das Lieblingsgericht der Portugiesen, den Stockfisch, mehr Infos unter: historiabacalhau.pt.
•Fado-Abend im Parreirinha de Alfama desde 1939, Info: parreirinhadealfama.com. Die Inhaber Paolo Valentim und Bruno Costa musizieren auch selbst. Im Eintrittspreis von 55 Euro ist ein Drei-Gänge-Menü enthalten.
•Surfen in Costa da Caparica: Vom Fährterminal Belém geht’s ans andere Flussufer nach Trafaria und weiter mit dem Bus nach Costa da Caparica zur Surfschule surfpro.

www.visitlisboa.com