Anna Maria Island: Wo Florida noch Florida ist

15.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:40 Uhr

Kilometerlange weiße Sandstrände, türkisblaues Meer und kleine bunte Strandhäuser: Von oben wird die ganze Pracht von Anna Maria Island sichtbar. −Foto: Matt Mariott

Springbreak-Partys, Massentourismus und Wolkenkratzer: Dieses Bild haben viele bei einem Urlaub in Florida im Kopf. Anna Maria Island an der Westküste des US-Bundesstaates hält mit regionalem Charme dagegen.



Sand – so banal und so faszinierend zugleich. Egal, an wie vielen Stränden man schon war: Am ersten Urlaubstag das erste Mal seine Zehen in den Sandstrand zu graben, ist immer wieder ein Erlebnis. Auf Anna Maria Island ist es sogar ein physikalisches Phänomen. Egal wie heiß die Sonne vom Himmel brennt: Die feinen weißen Sandkörner bleiben immer angenehm kühl – den darin enthaltenen Quarzkristallen sei Dank. Und wer in kleinen Trippelschritten schnell mit den Füßen durch den Sand stampft, kann die Sandkörner quietschen lassen wie Dutzende kleine Meerschweinchen.

Der magische Quietsche-Sand, die sanfte Meeresbrise, das Aroma von frischen Meeresfrüchten in der Luft, das Geschrei von Meeresvögeln am Strand: All das und mehr machen Anna Maria Island zu einem Erlebnis für alle Sinne. Absolut zu erwarten von einer tropischen Insel im Golf von Mexiko, wo das ganze Jahr über Durchschnittstemperaturen von über 20 Grad herrschen. Was überrascht, ist, wie vergleichsweise un-amerikanisch die Insel ist, wie unaufgeregt, entspannt. Autenthisch eben. Ein kleiner Ruheort inmitten des „Sunshine States“ Florida.

Das mag daran liegen, dass die rund 55 Kilometer südwestlich der Großstadt Tampa gelegene Insel vor gut 20 Jahren noch so etwas wie ein verborgenes Urlaubsjuwel in Florida war. Nur langsam entdecken Menschen auch außerhalb von Florida und den USA die Insel und ihre natürliche Schönheit für sich. Statt sich gierig auf die touristischen Möglichkeiten zu stürzen, haben die Einheimischen etwas geschafft, was wenigen aufstrebenden Urlaubsorten gelingt: Tapfer hielten sie den Verlockungen des Massentourismus stand und kreierten stattdessen ein nachhaltiges Touristenparadies.

Tante-Emma-Läden statt Fast-Food-Ketten

Wer viel Glück hat, sieht bei einem Strandbesuch oder einem Bootsausflug um die Insel eine der Seekühe, die in der Region heimisch sind. Nicht umsonst heißt die Region, zu dem Anna Maria Island gehört, „Manatee County“ (deutsch: Seekuh County). Aber Clubs? Fast Food-Ketten? 0815-Shopping-Filialen? Auf der ganzen elf Kilometer langen Insel nicht zu finden. „Das ist etwas, worauf wir stolz sind“, sagt Lynn Horne. Seit fünf Generationen lebt seine Familie in der Region, er selbst verbrachte sein ganzes Leben hier. Er liebt die vielen kleinen „mom and pop shops“ – Tante-Emma-Läden, die es überall auf der Insel verteilt gibt, die freundlichen Menschen und, dass die Insel – obwohl sie immer mehr Touristen anzieht – immer noch von ihren Familienbetrieben lebt. Eins davon führt er selbst: Die „Anna Maria Oyster Bar“. Vor fast 30 Jahren eröffnete Lynn Hornes Familie das Meeresfrüchte-Restaurant an einer der besten Locations auf der Insel: direkt an einem Pier am Ende der historischen Bridge Street.

Die Bridge Street war einst die einzige Zugangsmöglichkeit vom Festland zur Insel, heute ist sie gespickt mit liebevoll eingerichteten Boutiquen, Familienrestaurants und kleinen Geschäften. Bauernmärkte und Straßenfeste machen sie zu einem beliebten Treffpunkt.

Vor zwei Jahren zog es auch Corin Finnie in die Bridge Street – in eine kleine Kunsthandlung, wo sie ihre Acrylgemälde verkauft. Lange bleiben wollte sie eigentlich nicht. Die 39-Jährige aus Massachusetts lebte viele Jahre als Nomadin, zog quer durchs Land, von einem Ort zum nächsten – alles für ihre Kunst. Bis sie vor zwei Jahren Wurzeln auf Anna Maria Island schlug. „Ich liebe die Gegend, die Menschen hier sind alle sehr entspannt und die Insel hat diesen Oldschool Florida-Charme.“

Mit dem „Oldschool Florida Charme“ meint sie vor allem die vielen bunten Strandhäuser, die die Insel säumen. Sie stammen teils noch aus den 1920er Jahren. Liebevoll restauriert werden sie nun an Touristen vermietet.

Strikte Regeln für die Inselidylle

Ein Großteil der Häuser auf der Insel muss aber explizit von den rund 5000 Einheimischen selbst bewohnt werden – so ist es in den Statuten der Insel festgelegt. Besonders ist: Weit und breit gibt es keine Hochhäuser. Die sprießen sonst an Floridas Urlaubsorten wie Unkraut aus dem Boden. Nicht aber auf Anna Maria Island. Auf der gesamten Insel sind Gebäude verboten, die höher als drei Stockwerke sind. Auch diese Regel ist schriftlich festgelegt und unumstößlich – bis jetzt zumindest.

Auf Anna Maria Island gibt es nämlich ein Problem: Es gibt nur begrenzt Parkplätze. In der Hauptsaison in den Sommermonaten müssen Tagestouristen, die mit dem Auto kommen, deswegen oft frustriert umkehren. Das ist dem Abgeordneten Will Robinson ein Dorn im Auge. Er will vor dem Bundessenat den Bau eines vierstöckigen Parkhauses auf der Insel durchsetzen. Das würde natürlich gegen das lokale Hochhaus-Verbot verstoßen. Sollte sein Antrag scheitern, hat Robinson auch schon einen radikalen Plan B: Er würde alle Hebel in Bewegung setzen und die drei Städte auf Anna Maria Island – Anna Maria, Holmes Beach und Bradenton Beach – abschaffen. Ja, das geht in den USA tatsächlich unter bestimmten Umständen.

Die Einheimischen sind natürlich wenig begeistert von dem Plan. Judy Titsworth, die Bürgermeisterin von Holmes Beach, glaubt zwar nicht daran, dass sich eine Auflösung der Inselstädte politisch durchsetzen lässt – aber der Bau eines großen Parkhauses vielleicht schon. Und das macht ihr Angst. „Ein vierstöckiges Parkhaus am Stadteingang passt nicht zum historischen Charakter unserer urigen Stadt“, sagt sie. Und die Befürchtung ist: Wird das Hochhaus-Verbot einmal ausgehebelt, könnte das den Weg frei machen für weitere Hochhäuser.

Ob es schade wäre, wenn Anna Maria Island seinen einzigartigen Florida-Charme verlieren würde? Absolut. Würde es die Urlauber fernhalten? Höchst unwahrscheinlich. Dafür hat die Insel zu viel zu bieten. Die geschmacksintensive floribische Küche, das türkisblaue Meer – und natürlich die herzlichen Leute. Die kann der Insel niemand nehmen.




INFORMATIONEN



Anna Maria Island liegt an der Westküste Floridas im Manatee County in der Region Bradenton. Im Norden grenzt die Insel an Tampa Bay, im Westen an den Golf von Mexiko und im Süden befindet sich die Schwesterinsel Longboat Key. Das milde Klima macht die Region zu einem idealen Ganzjahres-Reiseziel.

ANREISEN

Die Region Bradenton hat in Sarasota einen eigenen Flughafen. Zudem liegt sie nur eine Stunde entfernt vom Flughafen Tampa und zwei Stunden vom Flughafen Orlando. Von München aus gibt es aber kaum Direktflüge, meist ist ein Umstieg in Washington oder New York nötig. Vor Ort lässt sich die Insel mit dem Auto erreichen. Auf der Insel gibt es zudem einen kostenlosen Busservice.

ÜBERNACHTEN
Auf der Anna Maria Island wohnt es sich am authentischsten in einem der privat vermieteten Strandhäuser oder Appartements. Wer es luxuriöser mag: Direkt vor der Insel auf dem Festland bietet das Compass Hotel Anna Maria Sound Meerblick, Pool und Tikibar.


Redakteurin Katarina Cavar reiste auf Einladung von Bradenton Gulf Islands an die Küste Floridas.