Friaul Julisch-Venetien: Zwischen Alpen und Adria unterwegs

16.09.2023 | Stand 16.09.2023, 5:00 Uhr

Der Tagliamento schlängelt sich von den Karnischen Alpen bis Lignano. Auf seinem Weg zur Adria prägt der Fluss die Landschaft der Region Friaul-Julisch Venetien. − Fotos: Baumgartl

Ab nach Italien und schnell ans Meer? Das ist ein Fehler. Es lohnt sich, das Land zwischen Alpen und Adria genauer zu erkunden. Die Region Friaul-Julisch Venetien vereint eine Fülle an Landschaften und Kulturen – eine spannende Mischung.

„Du machst das hundertmal und irgendwann kannst du es.“ Denise Carati (27) legt den Hammer mit dem sichelförmigen Kopf auf den Werktisch und deutet auf die regelmäßigen Steinquadrate, die dort in allen Farben liegen. Die zierliche Mailänderin besucht eine Schule, die es in dieser Form weltweit nur einmal gibt: Die Berufsfachschule für Mosaik in Spilimbergo. In der 12000-Einwohner-Stadt am Tagliamento erlernen seit hundert Jahren junge Menschen aller Herren Länder dieses Kunsthandwerk.

Denise startet gerade in das dritte und letzte Jahr dieser Ausbildung, die sie auf ihr Kunststudium draufsattelt. „Ich wollte mich einfach noch intensiver mit Mosaiken beschäftigen. Wir sind insgesamt knapp 60 Schüler und ziemlich international“, erzählt die junge Frau mit den rötlichblonden Haaren bei einer Führung durch die Räume. Die „Scuola Mosaicisti Del Friuli“ ist ganzjährig für Besucher geöffnet und bietet regelmäßig einwöchige Kurzkurse an. Denise Carati zeigt auf das Relief einer überlebensgroßen Frauenfigur: „Das war eine Gruppenarbeit. Das Gesicht habe ich gemacht und auch einen Teil des Kleides. Am Haarkranz haben wir jedes einzelne Stück mit Blattgold überzogen.“

Begehrte Mosaikkünstler aus dem Friaul

Schon vor Hunderten von Jahren waren die Mosaikkünstler des Friaul in den großen Kulturmetropolen wie Venedig sehr begehrt. Die bunten Steine für ihre Kunstwerke sammelten sie im Tagliamento. Bis zu zwei Kilometer breit ist das Kiesbett des Flusses, der sich quer durch die Region Friaul-Julisch Venezien schlängelt. Wie eine Lebensader verbindet er ihre unterschiedlichen Landschaften: Berge, Ebene und Meer.

Das Aufeinandertreffen der Gegensätze kann man 20 Autominuten von Spilimbergo entfernt sogar schmecken. In San Daniele, auf der gegenüberliegenden Seite des Tagliamento, ließ der Wechsel von kalter Bergluft und warmer Meeresluft eine blühende Schinken-Industrie entstehen. 30 Produzenten – vom kleinen Metzger bis zur riesigen Fabrik – stellen dort jedes Jahr 2,7 Millionen Hinterkeulen mit dem begehrten Stempel aus San Daniele her. „Der Schinken wird mit Salz eingerieben und muss mindestens 14 Monate an der Luft trocknen. Wir lassen ihn zwischen 16 und 40 Monaten reifen“, sagt Silvia Forabosco von der Prosciutteria DOK Dall’ Ava. Die schlanke Frau mit den langen dunklen Haaren deutet auf den verglasten Trockenraum. In Reih und Glied baumeln dort unzählige Keulen von blitzenden Stahlregalen. „Bei uns hängen immer 70000 Schinken. Damit sind wir Mittelstand“, erklärt sie auf Deutsch. In dem Familienbetrieb dreht sich alles um den Schinken. Ein kleines Museum informiert Besucher über die Produktion der Delikatesse, und im hauseigenen Ristorante serviert dessen Chef Renato Celotti Kostproben der verschiedensten Schinkensorten.

Durch die Dörfer mit ihren italienisch-friulanischen Ortsschildern geht es weiter nach Udine zu einem Stadtrundgang mit Robert Schumann. Der Italiener mit deutschen Wurzeln ist Gästeführer der Region Friaul-Julisch Venezien und bringt seine Heimatstadt gerne Touristen näher. Hinter den öden Gewerbegebieten der 100000-Einwohner-Stadt verbirgt sich ein venezianisch anmutendes historisches Zentrum mit viel Kunst und Kulinarik. „Grund für das einheitliche Stadtbild ist ein Erdbeben“, erklärt Robert Schumann, „es zerstörte 1511 die Stadt. Venedig hatte damals die Macht in Udine und errichtete viele Gebäude im venezianischen Stil.“ Die Venezianer blieben noch viele Jahrhunderte. Der Barockmaler Tiepolo schuf in Udine als junger Mann seine ersten Fresken und heute tischen die Restaurants regionale Spezialitäten wie Cjarsons oder Frico auf. Die Teigtaschen mit Kartoffelfüllung und die gebackene Käse-Polenta zeigen, dass auch die Küche des Friaul einen Abstecher von gewohnter Pasta und Pizza lohnt.

Triest – das Wien am Meer

Italiener, Slowenen, Ungarn, Griechen, Deutsche und Österreicher – viele Völker haben über die Jahrhunderte hinweg meist friedlich in Triest zusammengelebt. Doch niemand hat der Stadt so sehr ihren Stempel aufgedrückt wie die Habsburger Monarchie. Das zeigt ein Rundgang mit Gästeführer Robert Schumann durch die heutige Hauptstadt der Region Friaul-Julisch Venetien. Es geht vorbei an stolzen klassizistischen Gebäuden. „K.K. Staatsgymnasium“ ist auf einem zu lesen. „Triest, das war das Wien am Meer. Und ist bis heute eine multikulturelle Gesellschaft“, sagt der 66-jährige Italiener, dessen eigene Familiengeschichte dies bestätigt: Sein deutscher Vater blieb 1945 nach der italienischen Kriegsgefangenschaft einfach hier.

Da zählte Triest noch nicht lange zu Italien. Fast 600 Jahre herrschten hier die Habsburger, unter deren Schutz sich die Triestiner aus Angst vor der Konkurrenz aus Venedig gestellt hatten. Der groß gewachsene Mann mit dem weißen Haarschopf lenkt den Blick auf eine Hausfassade. Dort hängt eine siebensprachige Danktafel an Kaiserin Maria Theresia. „Die Habsburger haben mit ihrem Freihafen aktive Einwanderungspolitik betrieben. Händler vieler Nationen haben sich angesiedelt“, erklärt Robert Schumann. Triest sei im 19. Jahrhundert der Haupthafen zur Versorgung Mitteleuropas gewesen – mit Bahnanschluss nach Wien. „Der Suezkanal wurde wegen Triest gebaut“, veranschaulicht Schumann die einstige Bedeutung der Hafenstadt am Nordende der Adria.

Die Habsburger genossen in Triest auch die Annehmlichkeiten des sonnigen Südens. So baute sich Erzherzog Ferdinand Maximilian, der Bruder von Kaiser Franz-Joseph, an der Felsküste ein Zuckerbäcker-Schloss mit großer Parkanlage: Miramare. Jedes Detail in Haus und Garten legte der Kunst- und Pflanzenfreund selbst fest. Doch lange genießen konnte er es nicht. Vier Jahre nach seinem Einzug wurde er Kaiser von Mexiko und dort von Aufständischen getötet. Mehr Glück bringt der markante Bau an der Küste seinem heutigen Besitzer, dem Staat. „Miramare ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in der Region“, sagt Robert Schumann.

Wer hat’s erfunden? Wettstreit um das Tiramisu

Beim Wettkampf um die Urheberschaft des Tiramisu hat die Region Friaul-Julisch Venetien die Nase vorn. Doch dort beanspruchen gleich zwei Orte anhand diverser Dokumente die Erfindung der weltbekannten Süßspeise für sich.

In Pieris bei Monfalcone erinnert ein Museum an Mario Cosolo und dessen Restaurant „Il Vetturino“. Er servierte dort die von ihm 1935 erfundene „Coppa Vetturino“, eine Schokoladencreme mit Biskuitstückchen und Schlagsahne. 1947 benannte er sie um in „Tirime su“. Das weltbekannte Rezept mit Ei-schaum, Mascarpone und Kaffee-getränkten Biskuits wiederum schuf 1952 Norma Pielli, Wirtin des „Albergo Ristorante Roma“ in Tolmezzo. Als entkräftete Skifahrer sagten, das Dessert habe sie aufgerichtet, nannten die Wirtsleute die Süßspeise künftig Tiramisu.


Redakteurin Helene Baumgartl erkundete auf Einladung von PromoTurismoFVG die Region Friaul-Julisch Venetien und stellte fest: Auch die ältere Tiramisu-Version „Coppa Vetturino“ schmeckt himmlisch.


INFORMATION
Friaul-Julisch Venetien ist eine der 20 Regionen von Italien und hat wie Südtirol einen autonomen Status. Das Gebiet hat 1,2 Millionen Einwohner und erstreckt sich zwischen Kärnten und der Adria nördlich von Venedig. Östlichster Punkt ist die Hauptstadt Triest nahe Slowenien. Neben Italienisch sprechen viele Bewohner auch das als eigene Sprache anerkannte Friulanisch.

ANREISEN

Auto: Tauernautobahn über Villach bis Udine und weiter zu den Küstenorten.

Zug: Die Fahrt von Salzburg nach Udine dauert gut vier Stunden. Reizvolle Variante: Eine oder mehrere Etappen des Radwegs Alpe-Adria zurücklegen. Er führt in 180 Kilometern von Tarvisio über Udine nach Grado.

ÜBERNACHTEN
Zentrumsnah liegt in Udine das Hotel „Albergo Al Vecchio Tram“. Meerblick und das Flair eines Grand Hotels bietet in Triest das Hotel „Savoia Excelsior Palace“.

ESSEN
Gute friulanische Küche servieren in Udine die Trattoria „Antica Maddalena“ und das Ristorante „Al Lepre“. Allerlei Schinken bietet die Prosciutteria „DOK Dall’ Ava“ in San Daniele an. In Triest speist man im Restaurant „Pier The Roof“ mit Blick vom Hafen auf die Stadt. Im Hinterland von Triest tischt das „Agristorante Bajta Salez“ bei Sgonico eigene Produkte auf.

www.turismofvg.it

www.scuolamosaicistifriuli.it