Reise
Fine Dining in Mallorca: Was entsteht, wenn man „ein bisschen spinnt“

21.07.2023 | Stand 25.10.2023, 11:47 Uhr

Am Puerto Portals, dem noblen Yachthafen Mallorcas, eröffneten Ivan und Sheela Levy zusammen mit dem Kärntner Chefkoch Simon Petutschnig vor wenigen Wochen ihr zweites Restaurant: das Yara. −Foto: Frank Heuer

Damit aus Restaurants Spitzengastronomie wird, dazu braucht es meist Menschen mit großem Ehrgeiz und außergewöhnlicher Leidenschaft. Das Fera auf Mallorca verdankt seine Existenz einer ganzen Reihe von Zufällen und Fügungen – und einer Frau und drei Männern mit Überzeugungen. 

 

Der Geschäftsmann

Wer sich des Abends im umgebauten Altstadtpalast des Fera mitten in Palma de Mallorca aufhält, trifft mit einiger Sicherheit einen in vielerlei Hinsicht besonderen Mann. Hausherr Ivan Levy isst nämlich am liebsten in seinem eigenen Restaurant, dort schmeckt es ihm am besten. „Ich bin verwöhnt“, sagt er und lacht. In schickem Anzug und mit breitem Grinsen begrüßt der gebürtige Schweizer seine Gäste.

Dass er einmal hier stehen würde, war alles andere als absehbar. Einige Haken hat sein Lebensweg schon geschlagen: Er ist in Zürich geboren, hat in England studiert, war Manager der Hochseeschifffahrt und arbeitete in der Textilfabrik des Schwiegervaters in Kenia. Doch Ivan Levy fiel es nie leicht sich unterzuordnen, er wollte sein eigener Chef sein. So bewarb er sich um die Franchise-Rechte der Kosmetikkette „The Body Shop“ im Mittleren Osten. Vergeblich. Für seine Heimat aber waren sie noch zu haben. 

So eröffnete Ivan mit seiner Frau Sheela 1983 den ersten Schweizer „The Body Shop“. Nach ersten, zähen Jahren kam der Durchbruch: Wie Pilze schossen immer mehr Filialen aus dem Schweizer Boden, an die 50 waren es bis 2010. Dann beschlossen die Levys, inzwischen zu beträchtlichem Wohlstand gelangt, alles zu verkaufen. Vom Ruhestand aber wollten beide noch nichts wissen. 

Bevor sie auf die Idee einer Restauranteröffnung auf Mallorca kamen, kauften die Levys von der Familie Swarovski zunächst eine Finca im Inland der Insel. Sofort verliebten sie sich in das von Olivenbäumen eingerahmte Anwesen in Son Naava. Selbstredend optimierte der Geschäftsmann Ivan Levy den Anbau, pflanzte noch mehr Bäume, inzwischen wachsen dort auch Zitronen und Mandeln. Dabei kam es zu einer folgenreichen Begegnung: Bewirtschaftet wurde das Anwesen nämlich von Carlos Feliu, einem mallorquinischen Bauern.

 

Der Winzer

Braungebrannt von der Feldarbeit sind Carlos Feliu die herzlichen Lachfalten ins Gesicht gezeichnet. Bei einem Besuch auf seinem Hof präsentiert der kleine Mallorquiner voller Stolz sein Lebenswerk. Die Bezeichnung „Bauernhof“ wird der dargebotenen Vielfalt kaum gerecht: Weingut, Olivenhaine, Mandelbäume, Tiere und ein kleines, idyllisches Hotel mit Pool vereint Carlos auf insgesamt rund 120 Hektar. 

Von seinem Großvater gekauft, führt Carlos die Landwirtschaft nun in dritter Generation. Dabei macht er einiges anders als seine Vorgänger: Er reaktivierte den alten Weinkeller aus dem 18. Jahrhundert, arbeitete sich in das Winzerwesen ein, erlangte einen Master in Weinbau und Önologie in den USA. Carlos Felius’ Verhältnis zur Natur ist ein außergewöhnlich enges. Das ist der Art anzumerken, wie er über seine Landwirtschaft spricht und wie er sie führt. Zwischen den Weinbäumen wachsen wilde Sträucher; Hunde, Gänse und Hühner laufen frei umher, Kunstdünger lehnt Carlos selbstverständlich ab. Die Öko-Landwirtschaft entwickelte er über die Jahre weiter, 2010 bewarb sich der Mallorquiner erfolgreich um ein Demeter-Zertifikat. Weine nach biodynamischem Anbau gibt es auf ganz Mallorca seitdem ausschließlich bei Carlos Feliu, sagt er. So umstritten der anthroposophische Ansatz auch sein mag, er ist überzeugt: „Der Wein ist so gut, weil wir ihn auf diese Weise anbauen.“ Er legt Wert auf den Mond, besonders der Supermond sei entscheidend, auch Planetenkonstellationen werden bedacht. Worauf es letztlich aber ankommt, hat Carlos Feliu nicht aus den Augen verloren: „Wenn die Leute unseren Wein nicht mögen, scheitern wir.“

Eine gewisse Geschäftstüchtigkeit kann man ihm dabei nicht absprechen. Bei seinem neuesten Projekt, das er mit Ivan Levy umsetzt, können Kunden einzelne Hektar Wein in Porreres mieten und über die Rebsorte entscheiden. Auch das Holz der Fässer und das Flaschenetikett wählt der Kunde. Carlos Feliu kümmert sich um alles andere. Damit möchte er der Landwirtschaft, wie er sagt, „einen zusätzlichen Wert geben“. Die Klientel dafür dürfte recht exklusiv sein: Die Nutzungsrechte für einen Hektar über 20 Jahre kosten 150000 Euro. 

 

Die Designerin

Ein solcher Wein braucht ein angemessenes Ambiente. Dafür zeichnet sich Sheela Levy – wie schon für die „The Body Shop“-Filialen – verantwortlich. Sie stammt aus Indien, ist aber wie ihr Mann in der ganzen Welt daheim, 28-mal ist sie laut ihrer Internetseite schon umgezogen. Ihr langes braunes Haar und ihr noch längeres weißes Gewand strahlen diejenige Ausgeglichenheit aus, die sie auch mit ihrem Design anstrebt.

Der idyllische Garten des Fera mit seinen vielfältigen Gewächsen und großen hölzernen Korbleuchtern lassen bei dezenter Beleuchtung Wohlfühl-Stimmung aufkommen. Den exklusiven Charakter erhält das Restaurant durch zahlreiche Werke mallorquinischer Künstler. Sheela Levy bringt ihre von Feng-Shui geprägte Philosophie auf die eingängige Formel: „Dress it!“ (Zieh es an!). Der Palast des Fera wirkt altertümlich und elegant-modern zugleich. 

 

Der Chefkoch

So wichtig Einrichtung und Weine auch sind, kann auf eines in der Spitzengastronomie wohl am wenigsten verzichtet werden: das Essen. Hier kommt Küchenchef Simon Petutschnig ins Spiel. Mit Glatze, Bart und markanter schwarzer Brille steht der Kärntner zufrieden dreinblickend in der Küche. Seit sieben Jahren kocht er schon auf Mallorca, eine „super Entscheidung“ sei das gewesen. Seine Herkunft hat er trotzdem nicht vergessen: Den Gästen zeigt er heute sein Trüffel-Ravioli-Rezept. „Die erinnern mich an die Kasnudeln von der Oma“, sagt Petutschnig.

Während er den Teig rührt, schwelgt der Koch in Erinnerungen. Der Weg in die Spitzengastronomie war alles andere als vorgezeichnet, ein außerordentlich schlechter Schüler sei er gewesen. „Aus dir wird nie was!“, sagten seine Lehrer. Auf Klassenfahrten durfte er nur selten mit – und wenn, dann fuhr er meist früher wieder heim. Viel lieber stand Simon Petutschnig auf dem Snowboard. Als er hörte, dass Köche in der Schweiz oft kostenlose Skipässe bekommen, war der Berufswunsch geboren.

Vom kärntnerischen Eberstein ging Petutschnig als Koch zunächst in die Schweiz. Dann folgten verschiedene Sternerestaurants in Barcelona. „Dort hat es Klick gemacht“, sagt er, und sein Ehrgeiz wurde geweckt. Für ein Restaurant seines damaligen Chefs ging er schließlich nach Mallorca. Bald darauf schlug ihm ein alter Bekannter aus Barcelona vor, gemeinsam etwas völlig Neues aufzubauen. Der Bekannte hieß Ivan Levy – und Petutschnig ließ sich auf das Abenteuer ein. 2017 eröffneten sie gemeinsam das „Fine-Dining“-Restaurant Fera.

In höchsten Tönen spricht Ivan Levy von seinem Geschäftspartner. „Der Simon, das ist ein Künstler“, erklärt er. Darauf angesprochen winkt Simon Petutschnig ab: „Für mich ist Kochen keine Kunst, sondern Handwerk.“ Freilich, schön ausschauen soll es schon. Auch hat ihn kürzlich ein Werk in einer Galerie zu einem neuen Gericht inspiriert. Immerhin kommen Gäste nicht ins Fera, weil sie Hunger haben. „Sie wollen etwas Einzigartiges erleben“, sagt er. Dann demonstriert der Küchenmeister, wie Trüffel richtig kleingeschnitten werden. 

Ravioli sind bei Simon Petutschnig Chefsache. Als er den Teig mit der Nudelmaschine rhythmisch ausrollt, erklärt er warum: „Das entspannt mich.“ So ruhig geht es nicht immer zu. Neben dem hohen Anspruch trägt dazu wohl auch die babylonische Sprachverwirrung in der Küche bei. Mit dem internationalen Personal werden Spanisch, Deutsch, Englisch und Portugiesisch wild durcheinandergeworfen. „Es ist ein Wurstsalat“, beschreibt es Petutschnig kärntnerisch. 

In Barcelona löste sein überschaubares Spanisch anfangs Nächte der Verzweiflung bei ihm aus. Heute beherrscht er Sprachen und Küche meisterhaft. Entgegen der Prognose seiner Lehrer ist aus Simon Petutschnig also doch etwas geworden. Den Drang, das beweisen zu müssen, verspürt er trotzdem nicht. Auf einem Klassentreffen war der Kärntner nie.

Ist damit also alles erreicht? Nicht für Simon Petutschnig. „Wir brauchen eine Perspektive“, habe er deshalb von Ivan Levy gefordert. Gesagt, getan: Mit dem Yara eröffnete kürzlich das neueste Projekt des Vierergespanns am noblen Yachthafen Mallorcas, dem Puerto Portals. Das ist eine ganze Spur größer und asiatischer als das Fera: Während Simon Petutschnig im Fera rund 45 Gäste pro Abend bekocht, sind es im Yara über 100. Umgeben von mystischem Dampf wird dort Sashimi auf Eis serviert, dazu edelstes Sushi oder zartes Carpaccio vom Wagyu-Rind. Sheela Levy richtet das Yara gerade noch fertig ein, Wein kommt selbstverständlich von Carlos Feliu. Warum Ivan Levy sich das noch mal antut? „Weil ich wohl ein bisschen spinne“, sagt er lachend. Klingt, als ginge es gerade erst richtig los.

 


INFORMATIONEN

Das Urlaubsparadies Mallorca ist die größte Insel Spaniens. Neben dem Party-Hotspot des Ballermanns hat Mallorca aber viel mehr zu bieten: Abwechslungsreiche Landschaften lassen sich entlang der 550 Kilometer langen Küste bestaunen. Auch die pulsierende Hauptstadt Palma de Mallorca hält viele Programmpunkte an Kunst und Kultur bereit.

ANREISEN

Vom Münchner Flughafen dauert der Flug nach Palma rund zwei Stunden.

ÜBERNACHTEN
5-Sterne Hotel Concepció by Nobis in Palma, Info unter: concepciobynobis.com.
Agroturismo-Finca Son Dagueta bei Porreres von Carlos Feliu. Info unter: canfeliu.es.

KULINARIK
•Fera – „Fine Dining“ in einem mallorquinischen Altstadtpalast mitten in Palma. Info unter: ferapalma.com. 
•Yara bietet asiatische Genüsse mit mediterraner Note am Yachthafen Puerto Portals, yarapuertoportals.com.

www.spain.info

www.visitpalma.com

 


Stipendiat Klaus Kloiber recherchierte auf Mallorca mit Unterstützung der Restaurants Fera und Yara.