Schätze unter Spaniens Eichen
Einer der weltbesten Schinken findet man in Andalusien

04.11.2023 | Stand 04.11.2023, 5:00 Uhr

10 000 Quadratmeter pro Tier: Riesige Flächen, auf denen sie sich von Eicheln ernähren, stehen den Schweinen zur Verfügung. Im Bild zu sehen sind die gefleckten Manchado de Jabugo, die als Rasse älter und seltener sind als die bekannteren, dunklen Ibérico-Schweine.  − Fotos: Hölzlwimmer

Es ist nicht anders als im Rest des Landes: Wie ganz Spanien wartet auch die andalusische Provinz Huelva mit kultureller Vielfalt auf. Dazu kommt ein besonderer kulinarischer Schatz: ein Schinken von Weltrang – der Pata negra.

Von einer Hauptstadt kann man eigentlich nicht sprechen: Jabugo hat gerade einmal 2200 Einwohner. Und doch: Das Bergdorf ist von herausragender Bedeutung – zumindest in kulinarischer Hinsicht. Eine besondere Behörde hat dort ihren Sitz, sie überwacht ein Siegel, das weltweit Beachtung findet. Es schützt die Schinkenmarke Jamón de Bellota nach Herkunft und Qualität. Jabugo ist gewissermaßen also durchaus eine Hauptstadt: die des Pata negra, des Schwarzhuferschinkens.

Gewonnen wird die Spezialität ausschließlich von schwarzen iberischen Schweinen. Und die haben mit zwei Jahren ein Leben, das deutlich länger ist als das eines normalen Mastschweines – vor allem aber viel schöner. Was allein schon am Lebensraum liegt: Der ist im Freien und riesig bemessen. Pro Tier steht mindestens eine Fläche von einem Hektar, also von 10000 Quadratmetern, zur Verfügung. Dort können sie nach Fressbarem stöbern. Dass sie sich in den letzten sechs Monaten ausschließlich von Eicheln ernähren, was ein einzigartiges Aroma zur Folge hat, kommt nicht von ungefähr: Auf den Weiden, dehesa genannt, wachsen nur Stein-, Berg- und Korkeichen. Wie ernst es der Behörde mit der Qualitätssicherung ist, zeigen die Methoden, die angewendet werden. Stichprobenartig werden sogar die Hinterlassenschaften der Schweine daraufhin untersucht, ob Nichterlaubtes zugefüttert worden ist.

Ein Meister im Schinkenschneiden

Welch hohen Stellenwert das Thema genießt, zeigt allein schon der Sitz der Behörde. Sie ist in einem Prachtbau untergebracht, den Stararchitekt Aníbal González entworfen hat. Ein weiteres Beispiel ist, wie das Schinkenschneiden zelebriert wird. Bei Führungen im Hauptquartier wie auch bei Veranstaltungen in aller Herren Länder demonstriert Miguel Prieto das Ritual. Er ist ein Meister seines Faches und gilt als die Nummer 1 in Spanien – und damit weltweit. Der 55-Jährige ist Schinkenschneider in dritter Generation. Er spricht nicht von einem Beruf, sondern von einer „Kunst“. Und davon, dass diese Kunst in seiner DNA liegt. Ganz spezielle Messer, die zu nichts anderem verwendet werden, benutzt er, um den Pata negra hauchdünn zu portionieren. Und bei der Verkostung legt er die Messlatte hoch: Vier Geschmäcker, sagt er, lassen sich in einem einzigen Schinken unterscheiden. Experten schaffen sogar sieben.

Im Reigen der kulturellen Fülle der Region ist der Schinken natürlich nur eine – wenn auch äußerst bekömmliche – Randnotiz. Tief in die Geschichte eintauchen kann man beispielsweise in Aroche, einem Ort, der nur ein paar Kilometer von der Grenze zu Portugal entfernt ist. Im archäologischen Museum, gelegen in drei Räumen des früheren Hieronymitenkonvents, sind Funde aus der Bronzezeit und der Römerzeit sowie Exponate aus der Kalifenzeit zu bestaunen – und eine im Guinnessbuch der Rekorde gelistete Sammlung von weit über 2000 Rosenkränzen, die in einer unglaublichen Vielfalt zu bestaunen sind. Es gibt sogar aus Fischgräten gefertigte Exemplare.

Geschichte in freier Wildbahn

Ein paar Kilometer nördlich des Dorfes wird Geschichte quasi in freier Wildbahn erlebbar. Bei der Sanierung der Eremita de San Mamés, die auch als Kirche San Pedro de la Zarza bezeichnet wird und aus deren Abendmahlfresko Judas, der Verräter Jesu, nachträglich entfernt wurde, wurden Überreste einer Römersiedlung entdeckt: Arucci Turóbriga. Die Grundmauern von Bädern und Herrenhäusern wurden freigelegt – und auch eine Nekropole, eine Grablege, kam zum Vorschein. Ausgerechnet dort steht ein monumentales Sinnbild für langes Leben: eine gewaltige, knorrige Steineiche. Das Alter des Baumes wird anhand seines enormen Umfangs auf mindestens 300 Jahre geschätzt. In Summe ist die Anlage, vor der ein paar Brotzeittische zur Rast einladen, ein wunderschönes Ensemble.

In Cortegana, dem nächsten der nur 31 Orte im Naturpark, die allesamt durch ein insgesamt 700 Kilometer langes Netz an Wanderwegen verbunden sind, erweckt vor allem die Burg Aufsehen. Sie ist ein trutziges Bauwerk, das einst auf Geheiß von König Sancho IV. von Kastilien als Teil eines Rings von befestigten Verteidigungsanlagen gegen Portugal errichtet worden sein soll. Auch wenn die geschichtlichen Hintergründe der Entstehung nicht zweifelsfrei geklärt sind: Ein Besuch lohnt sich, nicht zuletzt weil man sowohl in die dunkle Zisterne hinab- als auch weit hinaufsteigen kann: Von den begehbaren Wehrmauern und Türmen lässt sich eine tolle Aussicht genießen. Und: Kommt man schon im August, kann man bei den Mittelaltertagen mitfeiern.

Vier Baustile mischen sich zu einem Gesamtwerk

Wieder ein paar kurvenreiche Kilometer weiter liegt Almonaster la Real. Über dem Bergdorf mitsamt seinem denkmalgeschützten Kern prangt eine weithin sichtbare Anlage, bestehend aus einer Festung, einer Stierkampfarena – und einem kirchenähnlichen Bau. Der hat es im wahrsten Sinn des Wortes in sich: Die Römer waren dort, später wurde eine westgotische Basilika errichtet, wieder später wurde daraus eine Moschee – erst dann kamen die Christen. Sie wandelten den Turm, den die Moslems errichtet hatten, in einen Glockenturm um. Im Gebäude selbst ist der Wandel nicht so konsequent vollzogen worden. Vier Baustile mischen sich – wunderbar.

„Wunderbares gibt es auch unter der Erde – in Aracena jedenfalls. Noch dazu ein Wunder, das immer größer wird: die Gruta de las Maravillas, die Grotte der Wunder. Ihre Schätze, die Stalaktiten und Stalagmiten, wachsen, wenn auch nicht viel. Für einen einzigen Millimeter brauchen sie viele Jahre. Pro Menschenalter kommt da nicht viel zusammen, was für ein Höhlenleben natürlich nichts zu bedeuten hat. Die Gruta de las Maravillas hatte unermesslich viel Zeit, sich im 570 Millionen Jahre alten Gestein zu bilden. Und die hat sie gut genutzt: Ihren Namen trägt sie jedenfalls zurecht. Der begehbare Teil, der hinter einer unscheinbaren Tür mitten in Aracena beginnt, ist nur einen Kilometer lang, in der Tiefe reihen sich optische Wunder aneinander, die so klangvolle Namen tragen wie Kathedrale, Bad der Sultanin und Saal der Nackten.

Schwammerlsuche aus ganz Andalusien

Zurück zur Kulinarik: Die zeichnet sich nicht nur durch den Pata negra aus, auch Pilze spielen eine Rolle. 700 verschiedene Sorten wachsen im für spanische Verhältnisse regenreichen Hochland des Naturparks, das es auf bis zu 1000 Millimeter Jahresniederschlag bringt: glücklich, wer sie unterscheiden kann. Schließlich sind nur 80 davon essbar. Von denen wiederum werden nur eine Handvoll gesammelt, das aber durchaus mit großer Leidenschaft. Aus ganz Andalusien kommen Schwammerlsucher, erklärt Experte Daniel Calléja Salido. Er selbst ist ein beredtes Beispiel dafür: Wenn er Gruppen führt und dabei ein wahres Prachtexemplar entdeckt, kann es passieren, dass er mit einem „madre mio“ auf den Lippen und einem Leuchten in den Augen kurz im Buschwerk verschwindet...


Redakteur Stephan Hölzlwimmer erkundete den Naturpark de la Sierra de Aracena y los Picos de Aroche auf Einladung von Turespaña und den Tourismusvertretungen von Andalusien und Huelva. Der Pata negra hat ihm bestens gemundet – auch wenn ihm die sieben Geschmäcker ein Buch mit sieben Siegeln geblieben sind.


INFORMATION

Huelva ist die westlichste der acht Provinzen der autonomen Region Andalusien in Südspanien. Im Süden wird sie vom Atlantik begrenzt. Über die Hälfte der 130 Kilometer langen Küste sind teils unverbaute – weil in Naturschutzgebieten gelegene – Strände. Im Norden Huelvas, gleich an der Grenze zu Portugal, liegt die Sierra de Aracena y los Picos de Aroche, wo Steineichen, Korkeichen, Kastanien und Buschwerk die von Bächen durchflossene Szenerie dominieren. Ein 700 Kilometer langes Netz von Wanderwegen verbindet die 31 im Gebiet des Naturparks gelegenen Bergdörfer.

ANREISEN

Die Anreise erfolgt am besten über den Flughafen von Sevilla, der in der Regel über Madrid, vereinzelt aber auch direkt von München aus angeflogen wird.

ÜBERNACHTEN
Gute Stützpunkte, um den Parques Natural de la Sierra de Aracena y los Picos de Aroche zu erkunden, sind beispielsweise das Hotel Casa Palacio Conde del Álamo in Aroche und das Hotel Apartamento Rural Finca Valbono vor den Toren von Aracena.

www.andalucia.org/de/provincia-huelva

www.rutadeljabugo.travel