600 Pistenkilometer
Reise ins Skigebiet: Die große Winterbühne in Frankreichs Alpen

16.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:17 Uhr

Bei gutem Wetter bieten die Gipfel des „Les trois Vallées“-Skigebiets eine phänomenale Aussicht auf die umliegenden Alpen. −Fotos: Hanusch

Zwischen Courchevel und Les Menuires erstrecken sich 600 Pistenkilometer in drei verschiedenen Tälern. Kein Wunder, dass sich das Skigebiet nicht lumpen lässt und sowohl für wohlhabendere als auch familiärere Gäste etwas bieten möchte.

Stolz blickt sie von der kleinen Kuppel hinunter auf den Abhang direkt vor ihr. Von dort, wo normalerweise das Starthäuschen steht, hat man einen guten Blick auf diese steile, eisige Piste. Angst verspürt sie keine, ganz im Gegenteil. Marie Marchand-Arvier ist früher selbst als Skirennläuferin für Frankreich an den Start gegangen.

Mittlerweile kann sie Weltcup-Abfahrten, wie diese hier in Courchevel, in ihrer Freizeit testen. Marchand-Arvier, 37, ist Teil des Organisationskomitees für die Ski-Weltmeisterschaft 2023. Zum ersten Mal findet die WM hier im äußersten Südosten Frankreichs statt. Die 3,2 Kilometer lange Strecke mit dem Namen „L’Éclipse“ ist eigens für die Ski-WM im kommenden Februar kreiert worden.
Was sich nach einer langen Abfahrt anhört, ist tatsächlich nur ein Bruchteil der im gesamten Skigebiet verfügbaren Pistenkilometer: Allein in Courchevel stehen den Gästen rund 150 zur Verfügung, im gesamten Gebiet „Les trois Vallées“ (deutsch: Die drei Täler) sind es 600. Zum Vergleich: Österreichs größtes Skigebiet am Arlberg hat rund 300 Pistenkilometer.

Nicht zuletzt wegen des fast schon unübersichtlich wirkenden Areals ist es in Courchevel für viele üblich, sich einen Skilehrer an die Seite zu stellen. Wobei das Wort „Lehrer“ meist gar nicht zutrifft. Die vorwiegend rot gekleideten Wintersport-Experten dienen viel mehr als lebende Navigationssysteme und willkommene Gesellschaft in diesem Labyrinth aus weißen Pisten und grauen Liften.

Mit dem Privatjet auf die Skipiste

Cédric Cunin ist einer von ihnen. Seit 21 Jahren ist er jeden Winter in Courchevel zu Hause. Klassische Skikurse hat er schon lange nicht mehr gegeben. Der 48-Jährige sieht sich eher als privater Begleiter seiner Gäste. Einem wohlhabenden Touristen aus Mexiko einen ganzen Monat lang auf der Skipiste Gesellschaft leisten? Für Cédric Alltag, wie er erzählt. Er hat sich an das Leben im Nobel-Ort Courchevel schon lange gewöhnt. „Hier kann man gemeinsam mit seinen Kindern alt werden“, sagt er. Als Jugendlicher war er auch ein ambitionierter Skifahrer, Profi ist er aber nie geworden. Und wenn man ihn bei seiner Arbeit beobachtet, dann wirkt es fast so, als würde ihn das gar nicht so sehr stören. Denn hier, inmitten der zahlreichen Privat-Chalets und Louis Vuitton-Läden, fühlt er sich wohl.

Courchevel ist genau für dieses Leben gemacht. Wer gesehen werden will, fährt dort hin. Das Dorf erstreckt sich auf insgesamt sechs verschiedenen Levels am Nordhang entlang. Je höher der Ortsteil, desto teurer. Zwischen edlen Fünf-Sterne-Hotels geben zahlreiche kleine Chalets in Holzbauweise mit ihren markanten Schieferdächern dem Skiort seinen typischen Look. Die meisten dieser Chalets sind in privater Hand.

Ein Flughafen mitten im Skigebiet

Damit sich die Fahrt bis nach Courchevel 1850 (der höchste Ortsteil wurde in Anlehnung an die Meereshöhe so genannt) nicht zu sehr zieht, wurde mitten ins Skigebiet ein kleiner Flughafen gebaut. Der sogenannte Altiport wird genutzt, um Gäste mit einem Privatflugzeug einfliegen zu können – gegen ein kleines Entgelt, versteht sich. Wegen seiner Lage und extrem kurzen Start- und Landebahn gilt er als einer der gefährlichsten Flugplätze der Welt. Spektakulär ist er aber auch für die Zuschauer, insbesondere für James Bond-Fans: Für den Film „Der Morgen stirbt nie“ wurde hier gedreht.

Frank Ritter kann mit der dekadenten Lebensart von Courchevel wenig anfangen. In Colorado geboren, hat es den 22-Jährigen schon im Kindesalter nach Les Menuires verschlagen. Hier, zwei Täler entfernt vom „Saint Tropez des Winters“, wie Frank Courchevel nennt, ist alles spürbar familiärer. Auf den Pisten schlängeln sich die Skikurse den Berg hinab, im Tal dominieren Apartments statt Chalets. Mit der Exklusivität Courchevels kann Les Menuires nicht mithalten. Das muss es aber auch gar nicht, denn der Ort will bewusst einen Kontrast setzen.

Nahezu die Hälfte der Pisten ist mit dem Schwierigkeitsgrad „blau“ gekennzeichnet. Der Vorteil: Sie befinden sich nicht nur nahe den Talstationen, sondern sind verteilt auf das ganze Skigebiet. So haben auch Anfänger die Chance, am Hausberg von Les Menuires, „La Masse“, abzufahren. Von dessen Gipfel auf 2804 Metern Höhe reicht der Blick bei gutem Wetter von Italiens ersten Gipfeln bis zum Mont Blanc, dem höchsten Berg der Alpen.

Auch nach vielen Jahren freut er sich auf den Ausblick

Obwohl Frank im Winter nahezu täglich auf dem Gipfel ist, freut er sich auch jetzt noch am meisten darauf, der Journalistengruppe den Ausblick präsentieren zu dürfen. Jeden Morgen geht sein Blick zu dem markanten Berg hoch über Les Menuires. Mit seiner Mutter wohnt Frank direkt gegenüber von La Masse – also mitten im Skigebiet. Frank lebt fürs Skifahren. Das zeigt er auch gegenüber den deutschen Journalisten: Freiwillig nimmt er sich die Zeit und beginnt, zwischendurch einige Technik-Übungen durchzuführen. Frank ist vermutlich das komplette Gegenstück zu Cédric aus Courchevel, der sich bewusst als Begleiter seiner Gäste sieht und auch gern auf eine längere Mittagspause in der Restaurant-Lounge einlässt.

Allein an diesem Vergleich der beiden Skilehrer wird deutlich, wie unterschiedlich die Welten in den drei Tälern – zwischen Courchevel und Les Menuires liegt noch der Ort Méribel – sind. Hier Courchevel, das aus dem klassischen Ski-Urlaub automatisch einen Luxus-Aufenthalt macht. Dort Les Menuires, wo es Angebote für Familien und beispielsweise ein wöchentliches Feuerwerk für alle gibt.

Ebenso interessant wie unterschiedlich: Ein Blick auf die Preise der Mittagskarten an den Pisten: Ein für deutsch-österreichische Verhältnisse eher ungewöhnliches Skifahrer-Essen zeigt: Die Pizza kann auf Courchevels Hütten schnell um die 30 Euro kosten. In Les Menuires kommt man auch mit unter 20 Euro aus. Dabei kann sich die einheimische Küche in der Region Savoyen neben dem Importprodukt aus Italien durchaus sehen lassen – Käseliebhaber aufgehorcht! Der Gast hat die Wahl zwischen feinen Gerichten mit Ziegenkäse oder den ganz großen Kalibern Käsefondue und Raclette. Diese beiden Klassiker bieten außerdem viele Restaurants abseits der Skipisten auf ihrer Speisekarte an. Empfehlung aus eigener Erfahrung: Eine Portion reicht in der Regel für mindestens zwei Personen.

Seilbahnen zwischen den Hotels

Trotz der vielen Differenzen haben alle Orte eines gemeinsam: Jeder freie Meter wird zum Skifahren genutzt. In Courchevel fahren die Seilbahnen zwischen den Hotels hindurch, im Zentrum des Marktplatzes von Les Menuires steht die Talstation eines Sessellifts. Einige Minuten entfernt, im Örtchen Saint-Martin, endet eine Skipiste unmittelbar neben dem Eingang einer Kirche.

Die Skipisten sind in der Regel von der leichteren Sorte. Die einzelnen Skigebiete der drei Täler sollen vor allem die breite Masse ansprechen. Aufgrund der schier unendlichen Menge an verschiedenen Strecken kommt aber auch für geübtere Skifahrer die Abwechslung nicht zu kurz. Und: Zwischendurch tauchen unverhofft immer wieder steile Abschnitte auf, und die perfekt präparierten, künftigen WM-Abfahrten in Courchevel und Méribel sind Entschädigung genug.

Doch der Komfort für die Skifahrer hat seinen Preis. Die Erderwärmung ist auch in diesem Teil der Alpen längst angekommen. Cédric Cunin, der fast sein halbes Leben in Courchevel verbracht hat, bekommt den Klimawandel und seine Folgen für die Ski-Branche aus nächster Nähe mit. Wie jeder andere im Skigebiet weiß auch er um die drohenden Zukunftsprobleme, wie jeder andere spricht auch er sehr ungern über das Thema.

Die Zukunft ist ein unangenehmes Thema

Es wirkt, als wolle man das Beste aus der Situation machen, solange es noch möglich ist. Zuvor hatte Cunin beiläufig erwähnt, dass – unter anderem für die Ski-WM im kommenden Jahr – weitere künstliche Seen im Skigebiet errichtet werden sollen. Als Hilfe für die Schneekanonen. Auf Nachfrage versichert er jedoch: „Natürlich machen wir uns alle viele Gedanken über die Zukunft.“ Das Thema scheint ihm offensichtlich unangenehm zu sein. Verständlich, schließlich hängt – wie bei so vielen anderen in diesem Skigebiet – seine Existenz an der Zukunft des Skisports.

Als WM-Botschafterin erzählt Marie Marchand-Arvier vom Plan, Energie im Skigebiet einzusparen. Ein erster Schritt: Die Anzahl der Liftanlagen soll verringert, die Kapazität der verbliebenen hingegen vergrößert werden. Tatsächlich wird aber ersichtlich, dass sich in den Köpfen vieler vor Ort Lebender vor allem der Blick auf die kurzfristige Zukunft richtet: Der nahende Winter soll für die drei Täler schließlich zur Bühne für die ganze Welt werden. Denn wenn die erste Ski-Weltmeisterschaft in „Les trois Vallées“ im Februar ein Erfolg wird, kann nicht nur Ex-Skifahrerin Marie Marchand-Arvier stolz auf dieses Skigebiet blicken.


Redakteur Luis Hanusch hat auf Einladung von Atout France das größte Skigebiet der Welt besucht.



INFORMATION

Frankreich ist als einer von insgesamt acht Alpenstaaten das westlichste Land mit Anteilen an dem Gebirge. Neben dem höchsten Berg der Alpen – dem Mont Blanc mit 4810 Metern – hat Frankreich auch den Rekord für das größte Skigebiet der Welt inne. Les trois Vallées (deutsch: die drei Täler) kommt auf 600 Pistenkilometer und erstreckt sich von Courchevel über Méribel bis nach Les Menuires und Val Thorens. Zahlreiche Gondeln und Sessellifte verbinden die einzelnen Orte, bei schlechter Schneesituation erreicht man mit den Liften schnell höhere Lagen. Eine eigene App hilft bei der Orientierung auf der Piste, ein Tagesskipass für alle drei Täler kostet rund 60 Euro.

ANREISEN

Entweder mit dem Auto quer durch die Schweiz und direkt ans Hotel oder per Direktflug von München nach Genf oder Lyon und anschließend mit dem Transfer ins Skigebiet. Die Ski-Ausrüstung lässt sich bequem vor Ort in einem der vielen Shops ausleihen.

ÜBERNACHTEN
•In Courchevel bietet sich das Six Senses mit seinen Apartments zum Teil für mehrere Familien auf einmal an. Für den absoluten Luxus-Skiurlaub gibt es auch Fünf-Sterne-Hotels mit eigenen Sterne-Restaurants im Haus.
•Familiärer, aber dennoch äußerst komfortabel ist die Situation in Les Menuires. Direkt an der Skipiste liegt dort unter anderem das erst kürzlich eröffnete Le Kaya.

www.sixsenses.com

www.hotel-kaya.com

www.les3vallees.com