Adventliches Lichtermeer: Haben Sie Graz schon bei Nacht gesehen?

10.12.2022 | Stand 17.09.2023, 21:11 Uhr

Mit 25000 energiesparenden LED-Lampen wird der Christbaum auf dem Grazer Hauptplatz geschmückt. Rechts im Bild der Schlossberg, der zu Fuß, mit dem Lift oder mit der Zahnradbahn erreicht werden kann. −Foto: Graz Tourismus

Von Isabel Metzger

Warum eine Stadt immer nur tagsüber erkunden? Bei Nacht hat Graz einen ganz eigenen Charme. Gerade im Advent, wenn die Stadt an allen Ecken funkelt. Und manches steht zur Weihnachtszeit in Graz sogar auf dem Kopf.

Vermutlich rollt Kimmo Frosti im Geiste nur noch mit den Augen, wenn die erste an ihn gerichtete Frage von Österreichern und Deutschen immer gleich lautet: „Heißen Sie wirklich so?“ Und zur Frage wird umgehend festgestellt: „Das ist doch ein Künstlername!“ Nein, ist er nicht. Frosti ist Finne und heißt eben einfach wie der deutsche Frost. Und Frosti liebt den Frost. Denn wenn es knackig kalt ist, bleiben die Werke des Eiskünstlers erhalten. Andernfalls gehen sie buchstäblich den Bach runter.
Seit inzwischen 18 Jahren modelliert Kimmo Frosti die Grazer Eiskrippe, die weltweit die erste war und die es in dieser Größe nach wie vor nur in der Steiermark gibt. Mit der Motorsäge bearbeitet der stattliche Finne Eisblöcke mit einem Gesamtgewicht von 35 Tonnen und schafft so überdimensional Maria, Josef und das Jesuskind. Mit drei Trucks wird das Eis unter anderem aus Lettland in die steirische Landeshauptstadt transportiert.

Jede Eisskulptur gibt es mehrfach

Jedes Jahr am Freitagabend vor dem ersten Advent wird die Krippe im Landhaushof in der Grazer Altstadt feierlich eröffnet. Obwohl der Arkadenhof nur spärlich beleuchtet ist, ist das stetige Tropfen nicht zu übersehen. Frostis Krippe ist es bei Temperaturen um die vier Grad an diesem Abend einfach zu warm. Auf die milden Winter in der Steiermark hat sich der Finne freilich längst eingestellt. Kimmo Frosti ist da pragmatisch: „Ich habe vier Josefs und vier Marias.“ Jede Eisskulptur gibt es in mehreren Ausfertigungen, die jeweils am folgenden Freitag ausgetauscht werden. Ein Team mit acht Mitarbeitern unterstützt Frosti, der zu einer Institution im weihnachtlichen Graz geworden ist.

Das ist auch Werner Stadler, der den Advent in der Stadt seit Jahren auf den Kopf stellt. Erstmalig wurden die „Falling X-Mas Trees“ des Künstlers 2004 in der Innenstadt platziert. Seither findet man jede Saison um die 150 kopfüber baumelnde Blaufichten, die das Zentrum schmücken. „Würde man den Baum ,richtig‘ herum aufhängen, sähe man nur die großen Äste von unten“, erklärt der Künstler seine verkehrte Welt. „So sieht man den Lichterschmuck wunderbar, als schwebe man über einen Weihnachtswald.“

Advent bedeutete einst Erholung

Was verrückt aussieht, hat seinen Ursprung im Brauchtum. „Tatsächlich“, erzählt Stadtführerin Claudia Kastner, „sind im 18. und 19. Jahrhundert in steirischen Bauernhöfen die Christbäume an die Decke gehängt worden.“ Im Herrgottswinkel fanden die Bäume so Platz, karg herausgeputzt mit dem, was man damals hatte: Strohsterne und Äpfel.

„Jeder hat sich gefreut auf sein Stückerl Kletzenbrot und ein Bratwürstl“, beschreibt Klaus Seelos den Besuchern im Österreichischen Freilichtmuseum Stübing diese genügsame Zeit. Vor allem Familien mit Kindern zieht es an den ersten beiden Wochenenden im Advent zu „Tannengraß und Lebzeltstern“ nach Stübing nahe Graz. Die Aktionstage mit Brauchtum und Besinnlichem sind in der Regel ausverkauft.

Der Advent habe einst den hart arbeitenden Bauern zur Erholung gedient. „Denn der kurze Tag hat die Arbeitszeit streng begrenzt“, erklärt der Steirer Seelos. Ohnehin habe es für die Bauern, Knechte und Mägde nur zwei Jahreszeiten geben: „Ein- und Auswärts“, sagt Seelos. „Einwärts“ begann an Martini, also am 11. November. „Da ging man ins Haus, weil die dunkle Jahreszeit das so vorgegeben hat.“ „Auswärts“ ging es dann erst wieder zum Frühjahr hin.
Freude in ihr karges Leben brachte den Menschen das Singen. „Das war ein Gemeinschaftserlebnis in der Stube“, erzählt er. Seelos bedauert, dass diese Tradition, abgelöst von Fernseher, Radio und Smartphone, heutzutage nur noch selten gepflegt wird. Angesichts von Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise sei Zusammenhalt wichtiger denn je, ist Seelos überzeugt und betont: „Wir könnten von damals lernen.“


Redakteurin Isabel Metzger recherchierte im weihnachtlichen Graz mit Unterstützung von Steiermark Tourismus sowie der Erlebnisregion Graz.




INFORMATIONEN

Graz ist die Hauptstadt der Steiermark mit rund 300000 Einwohnern. 60 000 davon sind Studenten, denn die Stadt hat vier Unis, zwei Pädagogische Hochschulen sowie zwei Fachhochschulen.

ÜBERNACHTEN
Das Hotel Gollner liegt zentral. Die Altstadt und die Oper sind nur wenige Minuten zu Fuß entfernt (www.hotelgollner.com).

TIPPS

- Auf insgesamt 14 Christkindlmärkten lässt sich in Graz die Weihnachtszeit besonders genießen. Dabei wirbt die Stadt mit dem Advent der kurzen Wege, denn alle Märkte sind zu Fuß erreichbar (www.graztourismus.at/advent).

- Kitchen12 verbindet Kochen mit Unterhaltung zum sogenannten Cookingtainment. Chef Ferdinand Hladik bietet Kochkurse, Genussreisen und in seiner Kitchen12 das eigene Lokal für eine private Feier an. Die Lebensmittel kauft Hladik regional und saisonal auf dem täglichen Bauernmarkt auf dem Kaiser-Josef-Platz, der direkt neben der Kitchen12 liegt (www.kitchen12.at).

- Frohnleiten ist 25 Kilometer von Graz entfernt. Ein Abstecher lohnt sich im Advent schon allein wegen der beleuchteten Silhouette des Städtchens an der Mur, die bis zum 6. Januar zu bestaunen ist (www.frohnleiten.com).

- Das Österreichische Freilichtmuseum in Stübing nahe Graz bietet als eines der zehn großen Freilichtmuseen in Europa mit hundert Objekten einen Überblick von Hauslandschaften aus sechs Jahrhunderten (www.museum-joanneum.at).

- Lumagica ist ein spektakulärer Lichterpark, der heuer zum ersten Mal auf dem Gelände des Golfclubs Murhof in Frohnleiten zu sehen ist. Er ist bis zum 8. Januar geöffnet (www.lumagica.at).

ESSEN

Die Beef Bar in Frohnleiten ist ein Geheimtipp (www.beef-bar.at).

www.steiermark.com

www.regiongraz.at