Unterwegs in Bayreuth
Das Bayreuth der Markgräfin

27.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:24 Uhr

Nach den Vorstellungen von Markgräfin Wilhelmine wurde die Eremitage zu einem barocken Sommerschloss ausgebaut. Der Sonnentempel ist mit Buntglassteinchen und Bergkristallen bedeckt; auf dem Dach befindet sich die Statue eines vergoldeten Apolls mit Quadriga. Die Gartenanlage mit Wasserspielen, Grotten und einem Ruinentheater ist weitläufig. −Fotos: Sandra Matthes

Von Sandra Matthes

Wer Bayreuth hört, denkt an Wagner. 58000 Besucher kommen jedes Jahr, um den Ring des Nibelungen zu erleben. Ihre prächtigen Schlösser und Gartenanlagen verdankt die Stadt aber ihr: Markgräfin Wilhelmine. Was sie vor fast 270 Jahren schuf, prägt die Stadt bis heute.

Alles, was Sie sehen, geht auf Wilhelmine zurück“, sagt Ingrid Eggers, während sie Touristen durch die Stadt führt – Schlösser, Gartenanlagen und das markgräfliche Opernhaus. Wilhelmine (1709-1758) war die Tochter des preußischen Königs. Als sie mit dem Markgrafen Friedrich III. von Brandenburg-Bayreuth verheiratet wurde, kam sie vom Königshof in Berlin in die fränkische Provinz. Weil nach ihrem Geschmack zu wenig Vorzeigbares da war, verwirklichte sich die künstlerisch begabte Wilhelmine in Bauprojekten.


Das leichte Leben: Die Eremitage mit Wasserspielen


Kurz nach der Hochzeit erhielt die Markgräfin als Geschenk zu ihrem 24. Geburtstag die Eremitage mit einem großen Garten- und Waldstück. Sie ließ sie nach ihren Vorstellungen zu einem barocken Sommerschloss ausbauen. Der Eingang zum Schloss erfolgt über einen mit Mosaiken ausgelegten Grottenturm. Wer hindurchgeht, erlebt noch heute, dass aus dem Boden und aus den Mündern von Statuen überraschend Wasser hervorschießt. Völlig durchnässt verließen die Gäste die Grotte und wurden vorm Eintritt ins Schloss neu eingekleidet, erzählt Ingrid Eggers.

Umgeben ist das Schloss von einer riesigen Parkanlage mit Wasserspielen, einem römischen Ruinentheater für Theateraufführungen, Laubengängen, einem kaskadenartigen Wasserlauf und zwei Grotten mit Statuen und Wasserspielen beim Sonnentempel. Ein Sommertag in der Natur, mit Wasserspielen und Theateraufführungen – so genoss der Adel das leichte Sommerleben.

Markgräfin Wilhelmine wurde übrigens auch selbst künstlerisch tätig, wie Gästeführerin Ingrid Eggers erzählt: Sie schrieb ihre Memoiren auf Französisch, betrieb einen regen Briefwechsel mit ihrem Bruder König Friedrich II. und dem französischen Schriftsteller Voltaire. Überliefert ist etwa ein Brief, in dem sie ihn bittet, auch Stücke mit Frauenrollen zu schreiben.

Barocke Pracht im markgräflichen Opernhaus

Von der Pracht des Barocks überwältigt fühlt sich unwillkürlich, wer das markgräfliche Opernhaus in der Altstadt betritt. Vergoldete Girlanden umranken schlanke Säulen, bunte Gemälde, weiß-goldene Statuen und Putten an den Wänden, die Zuschauerränge bestückt mit verspielten Verzierungen und Ornamenten. Zwei Logen sind für Trompeter, die mit Fanfarenklängen die Ankunft des Markgrafenpaares ankündigten, das unter dem Jubel der Gäste hereinkam und zur prächtigen Fürstenloge schritt, im flackernden Licht von Hunderten Kerzen und Öllampen.
Das Opernhaus hatte Markgräfin Wilhelmine eigens für die Hochzeit ihrer Tochter Elisabeth im Jahr 1748 mit dem Herzog von Württemberg bauen lassen – dass eine Hochzeit unter Adeligen im Opernhaus mit der Aufführung von Opern und Theateraufführungen gefeiert wurde, war zu der Zeit durchaus üblich. Sie hatte den berühmten italienischen Theaterarchitekten Giuseppe Galli Bibiena engagiert, er sollte das Innere nach dem Vorbild der Opernhäuser in Wien und Dresden gestalten. Auch nach der Hochzeit wurden Opern aufgeführt, Wilhelmine engagierte dafür ein italienisches Starensemble. Die Markgräfin spielte selbst mehrere Instrumente wie das Cembalo, komponierte eine Oper und nahm an Aufführungen teil.
Woher das Geld für all die extravaganten Bauten kam? „Es gab keinen Krieg und sie hat Schulden gemacht“, erklärt Gästeführerin Ingrid Eggers. Und: Das ganze Haus ist aus Holz, auch die „Marmorsäulen“, die innen hohl sind und marmoriert bemalt wurden. Der „Stuck“ an der Decke ist bemaltes Lindenholz, das mit Goldlegierungen bestrichen wurde. Das Deckengemälde, auf dem Apoll mit seinen Musen zu sehen ist, wurde auf Leinwandstücke gemalt und dann mit Nägeln an die Holzdecke genagelt.
2012 wurde das markgräfliche Opernhaus zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben. Bis auf die Bühne ist noch alles im Originalzustand. Heute finden neben Führungen jährlich etwa 30 unterschiedliche Veranstaltungen darin statt: Konzerte, Ballett, Klavierkonzerte und Opern.


Ein neues Schloss für die Markgrafen


Als 1753 das Alte Schloss abbrannte, ließ der Markgraf ein neues Schloss erbauen – auch hier wirkte Wilhelmine entscheidend mit. Sie gestaltete Räume wie das Spiegelscherbenkabinett und das Musikzimmer. Feiner Stuck und Gemälde zieren Wände und Decken, alle Räume sind mit kunstvoll gemusterten Parkettböden ausgestattet. Nach dem Abendessen saß die Hofgesellschaft beisammen, plauderte, spielte Karten, musizierte. Berühmt ist auch das prachtvolle Palmenzimmer mit Nussholzvertäfelung und vergoldeten Palmen, das auch in der Netflix-Serie „Die Kaiserin“ über die österreichische Kaiserin Sisi mehrfach zu sehen ist. Während der Fürst seinen Verpflichtungen als Landesherr nachging, verbrachte Wilhelmine ihre Zeit mit Musik, Lesen und Handarbeit. Ihre Bibliothek umfasste 4000 in Leder gebundene Bücher.

1871: Richard Wagner kommt erstmals nach Bayreuth

Ohne sie wäre er vielleicht nie nach Bayreuth gekommen: Komponist Richard Wagner, angezogen vom Opernhaus der Markgräfin, kam 1871 erstmals in die Stadt. Er war zu der Zeit auf der Suche nach einem Ort für seine eigenen Festspiele. Das Opernhaus war prunkvoll, wie er sich bald überzeugte – die Stadt provinziell. „Genau das, was er suchte. Wagner mochte die Intrigen der Großstädter nicht, die schöne Lage inmitten der Hügellandschaft hingegen schon, er liebte ja die Natur“, sagt Gästeführerin Ingrid Eggers.
So ließ er sein eigenes Opernhaus auf dem Grünen Hügel erbauen, schlichter, größer, auf die Akustik konzentriert. 1876 fand die Uraufführung des Rings des Nibelungen statt, an dem er 26 Jahre gearbeitet hatte. Der Rest ist Geschichte: Das Festspielhaus zählt heute zu den bekanntesten Opernhäusern der Welt und zieht jedes Jahr 58000 Besucher an.


Redakteurin Sandra Matthes begab sich auf Einladung von Bayreuth Marketing und Tourismus auf die Spuren von Markgräfin Wilhelmine.


Bayreuth ist mit rund 75000 Einwohnern die Hauptstadt des Regierungsbezirks Oberfranken. Es liegt zwischen dem Fichtelgebirge und der Fränkischen Schweiz.

ANREISEN
Mit dem Zug oder schneller mit dem Auto. Die Fahrt dauert – zum Beispiel von Passau aus – knapp drei Stunden.

ÜBERNACHTEN
Das Vier-Sterne-Tagungshotel Arvena Kongress Hotel hat 196 großzügig angelegte Zimmer und liegt in Gehweite zum Zentrum.

KULINARIK
Bier: Fünf Brauereien gibt es alleine in Bayreuth – zum Beispiel die Maisel und Friends Brauerei, ein mittelständisches Familienunternehmen, das nicht nur 100 Sorten Bier braut, sondern daneben auch ein Restaurant, ein Brauereimuseum und ein Hotel mit Urban Art betreibt. 60 Künstler aus 30 Nationen waren laut Harald Riedl von Maisel an der Kunstaktion beteiligt; jedes der 68 Zimmer ist künstlerisch gestaltet worden.
Essen: Typische bayerische Gerichte gibt es unter anderem im Nostalgiewirtshaus Wolffenzacher und im traditionsreichen Künstlerlokal Eule, das damit wirbt, dass hier schon Richard Wagner sein Bier trank. Der fränkische Sauerbraten mit Lebkuchensoße und Kartoffelklößen wird als „des Meisters Lieblingsessen“ beworben.

www.bayreuth-tourismus.de