Unterwegs in Irland
Connemara – das raue Juwel der grünen Insel

22.09.2023 | Stand 22.09.2023, 19:00 Uhr

Nach einem kurzen Inselspaziergang können Besucher einen Sprung ins Meer in dieser Badebucht auf Inishbofin genießen.

Die Region Connemara im Westen der Republik Irland hat nicht nur satt-grüne Wiesen zu bieten, sondern auch viele Freizeitaktivitäten. Im Hinterland der Stadt Galway beginnt der Natururlaub.

Auf der Autobahn von Galway, der viertgrößten Stadt Irlands, nach Connemara, lässt man den Trubel der Stadt Stück für Stück hinter sich. Auch wenn die irische Stadt nicht besonders groß ist, tummeln sich in den schmalen Gassen verhältnismäßig viele Menschen. Entlang der Hauptstraße drängt sich ein Pub an das nächste. Dazwischen gibt es immer wieder Restaurants und Läden. Wer auf der Suche nach Ruhe und Natur ist, der bewegt sich lieber weiter in Richtung Inselwesten.

Lässt man also die knapp 80000 Einwohner große Stadt Galway hinter sich, beginnt sich die Schönheit der Region Connemara langsam zu entfalten. Schmale Straßen schlängeln sich durch die mit sanften Hügeln versetzte Landschaft. Immer wieder grasen Schafe oder Kühe auf den Weiden. Wenn die Tiere ihre Jungen zur Welt bringen, kann es auch mal vorkommen, dass sie die Insel stärker bevölkern als die dort ansässigen Menschen.

Vier Jahreszeiten an einem Tag

Die satt-grünen Wiesen lassen Irland so aussehen wie im Butter-Werbespot. Sie haben auf der Insel die perfekten Wetterbedingungen. Denn in Irland ist es gut möglich, dass die Witterung an einem Tag zwischen den vier Jahreszeiten wechselt. Ist es am Morgen womöglich noch warm und sonnig, ziehen über Mittag Wind und Wolken auf, am Nachmittag regnet es kurz, dann scheint wieder die Sonne und der Himmel ist so blau wie der Atlantik. Deshalb ist ein Rucksack mit Wechselkleidung ein Muss im Koffer.

Wer den Atlantik von oben bestaunen und gleichzeitig körperlich aktiv werden will, der beginnt seinen Tag am besten in der Kleinstadt Clifden. Sie ist auch als Hauptstadt Connemaras bekannt. Ihre Besucher heißt sie mit vielen kleinen bunten Häusern sowie einigen Cafés und Restaurants willkommen. Jonathan Powell, kurz John, verleiht Fahrräder, mit denen man die „Sky Road“ erkunden kann. Da es immer mal wieder kleine Steigungen auf der Strecke gibt, empfiehlt der gebürtige Engländer ein E-Bike. John’s Tipp: Wer gut zu Fuß ist, schafft die fünfeinhalb Kilometer lange Küstenstraße bis zum Aussichtspunkt „Pointe Amharc Atlantach Fiain Sky Bothar“ in gut 90 Minuten.

Startpunkt für die Tour ist das Zentrum Clifdens, von dem aus man nach ein paar Minuten Fahrt durch den Ort auf eine schmale Landstraße gelangt. Diese führt vorbei an Steinhäusern und Hügeln voller Blumen. Schafe grasen hier und da auf den grünen Weiden. Auf der linken Seite der Panoramastraße erstreckt sich der Atlantik mit seinen vielen Buchten, die mit ihrem strahlend weißen Sand zum Baden einladen – auch wenn die niedrigen Wassertemperaturen gewöhnungsbedürftig sind. Ungefähr auf halber Strecke, bevor man den Aussichtspunkt der Sky Road erreicht, ragt mitten zwischen den vom Wind verwehten Weiden die Herrenhausruine „Clifden Castle“ empor. Ganz aus Backsteinen erbaut und an einigen Stellen bereits von der Natur in Beschlag genommen, wirkt sie wie eine Filmkulisse, die extra für die Besucher aufgestellt wurde.

Am Aussichtspunkt offenbart sich die Schönheit der Region noch mal von einer ganz anderen Seite. Überall im Atlantik sind kleine Inseln verteilt, wie Puzzleteile entlang der Küste. Nur ein paar Häuser in der Ferne lassen darauf schließen, dass in dieser Einsamkeit auch Menschen wohnen. Doch hier oben wird deutlich, dass in Irland noch die Natur die Oberhand und der Mensch sich ihr nur angepasst hat.

Wer nach dem Ausflug auf dem Rad noch ein bisschen zu Fuß die Gegend erkunden will, dem empfiehlt John einen Abstecher ins Derrigimlagh Moor. Der sogenannte „Marconi walking loop“ ist ein Rundweg, der dort in einer Art Schleife verläuft. Hier leben ausschließlich Irlands flauschigste Einwohner: Schafe. Ihr Fell ist allerdings nicht ganz so weiß, wie man das vielleicht von deutschen Tieren gewohnt ist. Auf dem einen oder anderen Schafrücken erkennt man bunte Kleckse in unterschiedlichen Farben.

Was kreativ aussieht, hat einen praktischen Charakter: Die Böcke bekommen Farben auf Höhe ihrer Brust aufgetragen und anhand der Farbkombination auf dem Rücken der weiblichen Schafe können die Farmer dann erkennen, wann bei welchem Tier mit Nachwuchs zu rechnen ist.

Im Derrigimlagh Moor können Besucher noch etwas anderes entdecken: Den für das Feuchtgebiet typischen Torf. Die dunkle Substanz, die aus nicht oder nur unvollständig zersetzten Pflanzen besteht, liegt immer wieder zu kleinen Türmchen aufgestapelt am Rande des Wegs.

Auch John O Halloran kennt sich mit dem Torfstechen aus. Der 50-jährige Ire ist in Connemara aufgewachsen und wohnt heute mit seiner Familie auf der gemeinsamen Farm. „Für mich war es als Kind total normal, jeden Tag ins Moor zu gehen. Ich musste meinem Vater helfen, weil wir kein Holz und keine Kohle zum Heizen hatten“, erinnert sich der Archäologe zurück. „Ich hab es gehasst und mir immer irgendwelche Ausreden einfallen lassen, warum ich nicht helfen kann. Es ist harte Arbeit.“ Um zu vermeiden, dass auch heute noch so viel Torf verbrannt wird, werden laut John O Halloran keine Häuser mehr mit Schornsteinen gebaut.

Connemara-Ponys als Markenzeichen der Region

Nicht nur Schafe sind beliebte Tiere an der Westküste Irlands, sondern auch die Connemara Ponys. Sie gibt es in allen möglichen Farben und sie sehen aus wie gewöhnliche Pferde. Zumindest auf den ersten Blick. Für John O Halloran sind sie allerdings etwas ganz Besonderes. „Das Markenzeichen Irlands sind die Connemara Ponys. Es gibt viele Mythen und Legenden darüber, wie sie auf die Insel gekommen sind. Was die Tiere auszeichnet, sind ihr guter Charakter sowie ihr gutes Gemüt. Sie sind perfekt geeignet, um Reiten zu lernen und können über den Winter draußen bleiben, weil sie an die kalten Temperaturen gewöhnt sind.“

Der Archäologe weiß auf dem Weg zur Spitze des „Diamond Hills“ noch mehr über die Region zu erzählen. Der Berg mitten im Connemara Nationalpark ist 442 Meter hoch und einer der sogenannten „Twelve Bens“, ein Gebirgszug, der durch den Nationalpark verläuft, sich aber auch darüber hinaus erstreckt. „Diamond Hill“ heißt der Berg, der mehr ein Hügel ist, deshalb, weil zwischen der grünen Bewachsung immer wieder Teile des Felsens hindurchschimmern. Wenn die Sonne herauskommt und auf eben diese Felsteile scheint, „glitzert“ er wie ein Diamant.

„Der Nationalpark hat eine Größe von etwa 20 Quadratkilometern und ist somit der zweitgrößte Irlands“, erklärt John O Halloran. Der Weg bis hoch zum Gipfel des Diamond Hills ist einer von drei und als der schwerste gekennzeichnet. Er schlängelt sich zu Beginn mitten durch das Moor, das als solches nicht unbedingt auf den ersten Blick zu identifizieren ist. „Hier findet man hauptsächlich Deckenmoor, das etwa zwei Meter tief ist“, erklärt der Ire, während er einen sicheren Schritt weg vom Weg auf das Moor macht. Wieder Erwarten sinkt er nicht ein, sondern macht mit demonstrativen Sprüngen auf der Oberfläche deutlich, wie unnachgiebig es ist. „Die letzten drei Wochen hat es nicht geregnet. Deshalb sinke ich nicht ein“, sagt er. Und trotz des fehlenden Regens tut das Moor immer noch genau das, was es tun soll: Es ist kühl und speichert Flüssigkeit. „Früher haben die Iren das Moor als Kühlschrank benutzt. Denn selbst wenn es draußen warm ist, bleibt das Moor kalt. Die Leute gruben dann ein Loch und haben ihre Butter und ihren Fisch dort gekühlt.“

Ähnlich traditionell, wie John O Halloran die Torfstecher beschreibt, leben auch die Menschen auf der Insel Inishbofin. Nach einer guten halben Stunde Fahrt mit der Fähre von Cleggan erreicht man die 180 Einwohner zählende Insel. An die 4000 Touristen kommen in den Sommermonaten hierher, darunter viele Iren, aber auch Deutsche.

Deshalb ist die ideale Reisezeit zwischen Oktober und Mai, denn ohne den touristischen Andrang lässt sich die Ruhe der Insel viel besser genießen. Zum Beispiel bei einer Kajakfahrt. Sicher eingepackt in Rettungsweste und Gummischuhen, kann die Bucht vor dem Hafen vom Boot aus erkundet werden. Im flachen Wasser haben selbst Anfänger keine Probleme beim Vorwärtskommen. Auf der rechten Seite hat man beste Sicht auf die Insel, während man unter sich aufgrund des klaren Meerwassers allerlei Wasserpflanzen entdecken kann. Auf der linken Seite ragt ein Schloss aus Stein empor – oder viel mehr das, was davon noch übrig ist. In der Ruine leben heute nur noch Schafe, die sich das Bauwerk zu eigen gemacht haben.


Volontärin Sarah Koschinski besuchte auf Einladung von „Tourism Ireland“ die Region Connemara im Westen der Republik Irlands und die Stadt Galway.