Auf Safari in Uganda: Selfies mit dem Silberrücken

18.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:50 Uhr

Wer die Anstrengung nicht scheut, kommt den Berggorillas in Uganda erstaunlich nahe. Sie sind zwar Besucher gewohnt, bleiben aber dennoch wilde Tiere. −Fotos: Harald Rast

Von Harald Rast

Diese Safari ist nur in Uganda möglich: Im Bwindi Impenetrable Nationalpark kann man die letzten Berggorillas in freier Wildbahn aus nächster Nähe erleben.

Plötzlich bricht ein kleiner Berggorilla aus dem dichten Gestrüpp hervor. Er richtet sich auf, stellt sich vor den Menschen auf seine beiden Beinchen und trommelt in schnellem Rhythmus mit beiden Fäusten gegen seine Brust. Die Botschaft ist unmissverständlich: „So groß bin ich schon. So stark bin ich schon.“ Schwupps, ist er auf allen Vieren wieder im Dickicht verschwunden. Er muss mit seiner Schwester und seinem Bruder weiterspielen, die wenige Minuten später vor den Beinen der Besucher herumwuseln. Entzückte Juchzlaute von drei Touristinnen begleiten seinen rasanten Abgang. Wahrscheinlich ist es Bigorogoro, der hier seinen großen Auftritt hingelegt hat. Jeder der Berggorillas im ugandischen Bwindi Impenetrable National Park hat einen Namen, von den meisten Tieren kennen die Ranger sogar das genaue Geburtsdatum.

Aus einigen Metern Entfernung betrachtet der Silberrücken mit stechendem Blick das Geschehen. Er ist das unumschränkte Oberhaupt dieser Familie, die neben ihm aus vier Gorilladamen und vier Jungtieren besteht. Der Boss heißt Maraya, ist 30 Jahre alt und bringt bis zu 200 Kilogramm auf die Waage. Ihn in Rage zu versetzen, könnte lebensgefährlich sein. Denn trotz ihres beträchtlichen Gewichts können sich diese Herrscher des Bergwaldes rasant bewegen und kleine Bäume mit ihren kräftigen Armen einfach wegdrücken. „Man darf dem Silberrücken nicht direkt in die Augen schauen“, ermahnt Ismael Bakebwa, der Ranger, der die kleine Besuchergruppe anführt. Sie setzt sich an diesem Tag aus drei jungen Frauen aus Kolumbien und zwei älteren Herren aus Bayern zusammen. Im Bwindi Impenetrable treffen Touristen aus allen Winkeln der Welt zusammen. Denn es gibt nur noch wenige Orte, wo man Berggorillas in freier Wildbahn sehen kann.



In Zoos werden keine Berggorillas gehalten


Bei Maraya drängt sich der Verdacht auf, dass er die Menschen mindestens so aufmerksam beäugt wie sie ihn. Wer beobachtet hier wen? Berggorillas zählen zur Familie der Menschenaffen, sie teilen 98 Prozent ihres Genpools mit dem Homo sapiens. Aufgerichtet sitzt Maraya majestätisch im Unterholz, streift mit den Händen geschickt die Blätter von den Zweigen und stopft sie sich ins mit kräftigen Zähnen bewehrte Maul. Die Tiere sind im Grunde Vegetarier, sie benötigen täglich ein Zehntel ihres Körpergewichts an frischem Grünzeug. Bei Maraya sind das also bis zu 20 Kilogramm an Pflanzenmasse, die er tagsüber in sich hineinstopft. Kein Wunder, dass die Tiere viel Zeit für die Nahrungsaufnahme benötigen. Abwechslung würden die Berggorillas nur durch Riesenameisen, die hier in Massen herumwuseln, in ihren Speiseplan bringen, verrät Ismael. Der 45-Jährige ist ein erfahrener Ranger, seit 15 Jahren arbeitet er im Bwindi Impenetrable und er liebt diesen Job. Genau 459 Berggorillas halten sich derzeit in dem Areal auf. Sie werden ständig gezählt. „Die Population wächst“, erzählt Ismael zufrieden. Die Äffinnen brächten genug Nachwuchs zur Welt, um die Berggorillas vor dem Aussterben zu bewahren.

Durch Jagd und das menschgemachte Schrumpfen ihrer Lebensräume wurden die Herden seit dem Beginn der Kolonialzeit drastisch dezimiert. Insgesamt etwas mehr als 1000 der sanften Riesen bevölkern neben dem Bwindi Impenetrable noch den Bergwald im nahen Ruanda und die Region um die Virunga-Vulkane, wo die Gorillas aber durch Guerilla-Truppen aus dem Kongo gefährdet sind. In Zoos werden keine Berggorillas gehalten. Tierschutzorganisationen stufen die Tierart als „stark gefährdet“ ein, obwohl die Bestände leicht steigen.

Zu verdanken hat der Berggorilla sein Überleben dem Tourismus. Ohne die Zahlungen der Besucher hätten die Schutzkonzepte und mit ihnen der Gorilla beringei beringei, so der zoologische Name, keine Zukunft. Da man die wild lebenden Tiere nicht dem Massentourismus aussetzen kann, werden hohe Eintrittspreise verlangt, um den Nationalpark zu finanzieren. Doch dafür wird man mit einem einmaligen Erlebnis belohnt.

Der Berggorilla sichert in der Region Hunderte Arbeitsplätze und damit auch das Überleben seiner Spezies. Das ist den dort lebenden Einheimischen bewusst, was Wilderern ihr illegales Gewerbe erschwert. Völlig sicher vor Jägern sind die Tiere dennoch nicht. „Es gibt vereinzelt Fälle von Wilderei, obwohl den Tätern unweigerlich Gefängnisstrafen drohen“, erzählt Ismael.

Eine akutere Gefahr für die Primaten geht jedoch vom Kontakt zu den Menschen aus. Zwar beträgt die maximale Annäherung sieben Meter und jede Gorilla-Familie wird pro Tag maximal für eine Stunde von Menschen besucht. Unsere leisen Gespräche irritieren sie ebenso wenig wie das Klicken der Kameras und Handys. Sogar Selfies mit den Tieren sind möglich. Aber man weiß, dass die Gorillas für menschliche Atemwegserkrankungen anfällig sind. Ob sie sich auch mit dem Corona-Virus infizieren können, ist noch unklar.

Doch alle Besucher, die nahen Kontakt mit den Affen haben, müssen zwingend Schutzmasken tragen. Es ist wahrscheinlich der einzige Ort in Uganda, wo das der Fall ist. Kranke Berggorillas können sogar eingefangen, ins Tal transportiert und dort tierärztlich behandelt werden. Gleiches gilt für verletzte Männchen, die sich mit einem Silberrücken angelegt haben. Denn die Chefs der Familien wachen über ihren Harem – notfalls mit Gewalt. Die Wiederauswilderung genesener Tiere bereitet auch nach wochenlanger medizinischer Behandlung keine Probleme. Sie werden von ihren jeweiligen Familien sofort wieder als Mitglieder akzeptiert.

Schüsse in die Luft vertreiben die Elefanten

Die einzigen natürlichen Feinde der Primaten sind Leoparden, die es aber im Bwindi Impenetrable nicht gibt. Ansonsten teilen sie ihren Lebensraum nur mit einigen Elefanten, die durch die Bergwälder streifen – und auf Störungen unwirsch reagieren. Deshalb geht jeder Gruppe ein Ranger mit einem Gewehr voraus, die Nachhut bildet ein Kollege, der ebenfalls eine Waffe trägt. Sollte ein Elefant aus dem Unterholz brechen, würde er durch Schüsse in die Luft vertrieben – wird zumindest zu Beginn der Tour erklärt. Der Aufstieg zu den Berggorillas dauert etwa drei Stunden, ist anstrengend und nur halbwegs trainierten und trittsicheren Personen zu empfehlen. Bei hoher Luftfeuchtigkeit müssen etwa 400 Höhenmeter bewältigt werden. Einige Stunden vor den Besuchern haben sich bereits drei Tracker auf den Weg gemacht. Die Helfer des Rangers suchen täglich die aktuellen Standorte der Berggorilla-Familien.

Deren Verhalten ist unvorhersehbar. Manchmal bewegen sie sich nur wenige Meter, bisweilen aber auch erhebliche Strecken weiter. Das Handy funktioniert sogar im ugandischen Bergwald. Ismael und die Tracker stehen in regelmäßigem Telefonkontakt. Am flachen Bergrücken angekommen, lotst das Trio die Besuchergruppe am kürzesten Weg zu den Tieren. Und da huscht schon Bigorogoro aus dem Unterholz hervor.


Redakteur Harald Rast reiste bereits dreimal privat nach Uganda. Bei der jüngsten Tour war er fasziniert von den Gorillas.


Uganda ist ein Binnenstaat in Ostafrika und zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Einwohnerzahl beträgt etwa 47 Millionen, das jährliche Bevölkerungswachstum liegt bei circa drei Prozent. Rund die Hälfte der Ugander ist jünger als 16 Jahre. Es gibt etwa 60 verschiedene Sprachen. Englisch ist weit verbreitet.

EINREISE
Für die Einreise nach Uganda ist ein Visum erforderlich, das 50 US-Dollar kostet und zwingend von daheim aus im Internet beantragt werden muss. Zudem benötigen die Besucher des Staates unbedingt eine Impfung gegen Gelbfieber, was bei der Einreise am Flughafen kontrolliert wird. Die Vorschriften bezüglich der Covid-Impfung unterliegen häufigen Änderungen.

EINTRITTSPREISE
Im Bwindi Impenetrable bezahlt man als ausländischer Einzelreisender 350 US-Dollar, als Ehepaar 500 US-Dollar. Von Einheimischen wird nur etwa ein Zehntel dieser Summen kassiert. Dazu addieren sich die Kosten für die lange und beschwerliche Anreise, die mindestens zwei Übernachtungen in den nahen luxuriösen Lodges und die Entlohnung des Begleitpersonals. Pauschalangebote sind zum Beispiel bei Diamir Erlebnisreisen, Dresden, erhältlich.

www.bwindiimpenetrablenationalpark.com

www.diamir.de