Bohuslän
Abenteuer trifft auf Hochgenuss im Outdoor-Paradies Westschweden

29.10.2022 | Stand 22.09.2023, 3:37 Uhr |

Schären, so weit das Auge reicht: Beim Wandern im Westen Schwedens genießt man einen tollen Blick auf die vielen Inseln entlang der Küste. −Fotos: Ober

Von Daniel Ober

Ob auf dem Wasser oder an Land - in Westschweden kommen Abenteuerlustige, Naturliebhaber und auch Feinschmecker auf ihre Kosten. Neben etlichen Outdoor-Aktivitäten bietet die Westküste des inselreichsten Landes der Welt auch eine riesige Vielfalt an maritimen Köstlichkeiten.

Wenn Ingemar Granqvist mit seiner „M/S Mira“ vom Hafen in Fjallbäcka in See sticht, bedeutet das vor allem eins: frische Meeresfrüchte in den Restaurants an Land. Bis zu 400 seiner insgesamt 800 Fangkörbe zieht er pro Tag an Deck seines Fischkutters. Darin gefangen: Kaisergranate und Hummer.

Ingemar fischt schon seit mehr als drei Jahrzehnten im Archipel vor Fjällbacka, ein Küstenort in der historischen Provinz Bohuslän in Westschweden. Mehr als 220.000 Inseln säumen die Küsten Schwedens. Allein 8000 davon finden sich in Bohuslän. Die Schärenlandschaft hier erstreckt sich von Göteborg bis hinauf an die Grenze zu Norwegen. Es ist kein Wunder, dass sich Ingemar hier 1990 als Fischer niedergelassen hat, denn: Meeresfrüchte und Algen fühlen sich hier besonders wohl. Vor allem im Herbst, wenn das Wasser kälter und klarer wird, taugt es den Schalentieren hier im äußerst salzhaltigen Wasser.

Wo Ingrid Bergman ihre Sommer verbrachte

Ingemar begutachtet seinen Fang, nachdem er ihn aus dem Korb geholt hat. Zu kleine und junge Tiere kommen zurück ins Meer. Die reifen Schalentiere vertreibt er an Restaurants in der Umgebung. Wenn Ingemar aber Gäste an Bord hat, schaffen es nicht alle Kaisergranate bis ins Restaurant: Einen Teil seines Fangs kocht er gleich auf dem Deck in einem großen Kessel mit Wasser und verköstigt seine Gäste. Frischer bekommt man Kaisergranate nirgends serviert – und so schmeckt es auch.

Sein Fischerhäuschen hat Ingemar auf einer Insel außerhalb von Fjällbacka gebaut. Den Grund für die Hütte erhielt er zusammen mit seiner Fischerlizenz. Nur einen Steinwurf von Ingemars Hütte entfernt liegt die Insel Dannholmen, auf der die weltberühmte Schauspielerin Ingrid Bergman (unter anderem bekannt aus „Casablanca“) ihre Sommer verbrachte. Sogar im Tod blieb sie ihrer Trauminsel verbunden und ließ ihre Asche dort verstreuen.

Paradies für Kajak- und Kanufahrer

Ob Ingrid Bergmans Insel oder eine der anderen tausend Schären – das Archipel Westschwedens lässt sich bestens mit einem Kajak oder Kanu erkunden. „Wenn man hier draußen ist und sich umschaut, ist alles wunderschön“, sagt Christina Ingemarsdotter, während sie eine Gruppe Kajakfahrer auf einem kleinen Kanal durch das Dörfchen Grundsund auf der Insel Skaftö führt. Sie paddelt seit über 40 Jahren und leitet seit 2005 das Kajak-Zentrum in Grundsund. Sie verleiht Kajaks, gibt Kurse und führt Kajak-Touren.

Rote Hütten säumen den Kanal von Grundsund, das ein wenig an ein skandinavisches Venedig erinnert. Vor den meisten Häuschen finden sich Anlegestellen. Hier scheinen mehr Boote unterwegs zu sein als Autos. Vorbei an der Hafenmauer stellt sich Christinas Aussage über die Schönheit der Natur an der schwedischen Westküste als wahr heraus: Ein Blick aufs offene Meer zur Linken, zur Rechten sieht man die beeindruckende Herbstlandschaft entlang der Küste. Immer wieder kreuzen mal kleinere, mal größere, mal grüne und mal steinige Inseln das Sichtfeld. Sie brechen die Wellen, die von der Nordsee her an die Küste drücken, und schwächen so den Wellengang ab. Das macht das Paddeln leichter. Nicht zuletzt deshalb ist das Archipel in Westschweden auch ein Paradies für Kajak- und Kanufahrer.

Jedermannsrecht erlaubt das Übernachten in der Wildnis

Umso näher man einer Schäre kommt, desto häufiger leuchtet es neben dem Kajak rosarot aus dem tiefen Blau heraus. Quallen sind im zu dieser Jahreszeit sehr klaren Wasser gut erkennbar. Das ist vor allem beim Anlegen an einer Insel von Vorteil, wenn man sich aus seinem Kajak herausrobbt und die letzten paar Meter ans Ufer zu Fuß durch Algen waten muss, den Quallen geschickt ausweichend.

In Schweden kann man theoretisch an jeder Insel mit einem Kajak anlegen und sogar darauf übernachten. Das erlaubt einem das Jedermannsrecht, das in Skandinavien – ausgenommen Dänemark – und Schottland gilt. Das lockt Wassersportler auch zu mehrtägigen Kajak-Touren von Insel zu Insel entlang der Küste. Wir haben keine Zelte dabei und machen nur eine „Fika“, wie die Schweden ihre Kaffeepausen mit Kuchen und Keksen nennen. Gestärkt geht es mit dem Kajak zurück. Der Wellengang hat zugenommen, nun ist deutlich mehr Krafteinsatz gefragt.

376 Kilometer über Klippen und Schluchten

Wer lieber festen Boden unter den Füßen hat, dem bieten sich auch an Land viele Möglichkeiten, seiner Abenteuerlust und seinem Bewegungsdrang nachzukommen. Entlang der Küste gibt es ein großes Wandernetz mit vielen verschiedenen Routen, die eindrucksvolle Landschaften und historische Stätten miteinander verbinden. Allzu viel Kraft verlangen sie einem im Vergleich zur rauen See beim Paddeln nicht ab: Die höchste Erhebung der Region Bohusläns liegt gerade einmal auf etwa 220 Metern über dem Meeresspiegel. Der höchste Punkt Westschwedens auf rund 360 Metern.

Also nicht hoch hinaus, dafür aber sehr weit kann man auf den Wanderwegen Westschwedens laufen. 376 Kilometer lang ist zum Beispiel der Weitwanderweg „Kuststigen“. Über Klippen, Schluchten und durch Wälder führt die Route an der Westküste entlang von Göteborg bis hinauf zur norwegischen Grenze. Dabei kommt man an vielen malerischen Fischerdörfern und Ortschaften vorbei, unter anderem Fjällbacka. Hier wartet der Weitwanderweg mit der „Kungsklyftan“ (Deutsch: Königsschlucht) auf. Am Fuße der Schlucht erinnern Info-Tafeln an Ingrid Bergman und zeigen Fotos von ihr in Fjällbacka. Über eine hölzerne, steile Treppe geht es in die rund 200 Meter lange Königsschlucht hinein. Zwischen ihren steil abfallenden Wänden stecken vier riesige Felsen fest. Diese Szenerie diente auch schon als Kulisse bei Dreharbeiten für Ronja Räubertochter. Beim Durchgehen macht sich ein leicht mulmiges Gefühl breit. Halten die Felsen? Ja! Am oberen Ende der Schlucht auf den Steilwänden angekommen, eröffnet sich ein Rundumblick auf die Schärenlandschaft Fjällbackas. Im Hintergrund lässt sich sogar schon die norwegische Küste erahnen. Auch Ingemars Insel mit seiner Fischerhütte darauf ist in Sichtweite – und macht direkt Lust auf das Abendessen nach der Wanderung.

INFOS FÜR EINE REISE NACH WESTSCHWEDEN

Bohuslän ist die westlichste Provinz Schwedens. Die Geschichte ist stark geprägt vom Fischfang, besonders vom Hering. Heute spielen Meeresfrüchte eine wichtigere Rolle. Eine Angel- oder Muschel-Safari sollte man sich in Westschweden nicht entgehen lassen. Auch an Land bieten sich Möglichkeiten von Wandern über Radfahren bis hin zum Klettern.

ANREISEN
Von München per Direktflug nach Göteborg in etwa eineinhalb Stunden. Von dort aus lässt sich die Küste mit dem Mietauto oder öffentlichen Verkehrsmitteln erkunden – oder auch mit einem Kajak oder zu Fuß.

ÜBERNACHTEN
Luxus- und Wellness-Hotels, gemütliche Hütten direkt am Wasser mit eigenem Whirlpool oder das Zelt in freier Wildbahn? In Westschweden hat man die Qual der Wahl. Besonders charmant und empfehlenswert ist das Hotel Strandflickornas in Lysekil, das eine hervorragende Fischsuppe serviert. Wer es abenteuerlicher mag, macht vom Jedermannsrecht Gebrauch. Dieses erlaubt das Campen, Zelten und Schlafen in freier Natur.

BESTE REISEZEIT
Die meisten Touristen kommen im Sommer. Doch Einheimische empfehlen den Herbst. Dann sind die Meeresfrüchte am leckersten, das Meerwasser am klarsten und die Vegetation liefert ein farbenfrohes Spektakel.

SAFARIS, WANDER- UND KAYAKTOUREN
• Kaisergranate und Hummer fischen auf der M/S Mira ab Fjällbacka; Muschel- und Austern-Safari mit „Lysekil Ostron och Musslor“.
• Kajak-Kurse und -Touren beim Kajak-Zentrum in Grundsund auf der Insel Skaftö.
• Es gibt viele Anbieter für geführte Wanderungen; Empfehlenswerter: Selbst mit Wanderführer und Karte auf Erkundungstour in den Schären gehen.

Weiterführende Links:
www.vastsverige.com/de/bohuslan/
www.visitsweden.de/regionen/sudschweden/bohuslan/

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