Sri Lankas einsame Schönheiten

22.10.2022 | Stand 22.09.2023, 3:37 Uhr

Arugam Bay im Südosten war bis vor wenigen Jahren noch ein verschlafenes Fischerdörfchen, heute ist es der belebteste Ort im Osten. Wer hierher kommt, muss zumindest einmal aufs Surfbrett steigen. Der Tag lässt sich hier aber auch hervorragend in den kleinen Restaurants mit der abwechslungsreichen Kulinarik oder den Strandbars verbummeln. −Fotos: Christina Schönstetter

Von Christina Schönstetter

Die Bilder des brennenden Präsidentenpalastes in Sri Lankas Hauptstadt Colombo: Sie gingen um die Welt. Das ist umso bemerkenswerter, da die Einwohner des Inselstaats als ausgenommen friedfertig und duldsam gelten. Aber jetzt war es selbst ihnen zu viel, das Land ist bankrott, die korrupten Eliten haben es ausgelaugt. Grundnahrungsmittel werden immer teurer und der Treibstoff ist knapp – in einem Land, in dem jeder einen fahrbaren Untersatz hat.

Und da soll man also Urlaub machen? Unbedingt, findet Angelika Hofmaier. Denn zwei Dinge sind der Bayerin klar: Erstens ist die Zeit reif für einen politischen Neuanfang, und zweitens braucht Sri Lanka die Touristen dringend. Das ganze Land und vor allem der Teil, in dem „Angie“, wie sie hier heißt, lebt: der wunderschöne, noch vielerorts unberührte Osten der Insel.

Seit fünf Jahren ist Sri Lanka Angies neue Heimat. Gemeinsam mit Rihan, ihrem Mann, führt die Regensburgerin ein Hotel, das „Stay Golden“, in Arugam Bay. Hier im Osten ist Sri Lanka noch so, wie es sich Touristen wünschen: Es gibt keine Hotelburgen, nur endlose, einsame Sandstrände, kleine Fischerdörfer und freundliche Einheimische, die europäische Touristen um Selfies bitten.

Bürgerkrieg, Corona, Wirtschaftskrise

Der Grund, warum der Osten so viel weniger touristisch ist als der Süden, ist traurig: Es herrschte bis 2009 Bürgerkrieg im Land und die Kämpfe fanden vor allem im Norden und Osten statt, wo die tamilische Minderheit lebt. Und als es nach einem blutigen Ende des Kriegs auch im wenig beachteten Osten endlich nach Aufschwung aussah, kam Corona – und nun eine beispiellose Wirtschaftskrise.

Die endlosen Schlangen vor den Tankstellen sind für die Touristen die augenscheinlichste Ausprägung der Krise. 15 Stunden und mehr stehen die Leute um Benzin an, wenn es dann endlich welches gibt, regelt das Militär die Verteilung, um Ausschreitungen zu verhindern. Ansonsten ist für Touristen nach wie vor alles zu bekommen. Die Preise in den Restaurants sind gestiegen, aber Sri Lanka bleibt für Urlauber aus westlichen Industriestaaten ein günstiges Reiseland.

Dass die Touristen trotzdem ausbleiben, ist für die ohnehin arme Bevölkerung existenzbedrohend. Und doch: Angie Hofmaier ist überzeugt, dass die Menschen in Sri Lanka diese Krise durchstehen können. „Es ist zwar traurig, aber im langen Bürgerkrieg haben die Leute hier gelernt, wie man mit Chili, Kokosnüssen und Reis überlebt.“ Ihr Mann Rihan stammt aus einer tamilischen Fischerfamilie, durch ihn hat sie viel erfahren über die Diskriminierungen dieser Minderheit, über den Krieg und über die Mentalität der Menschen im Osten, die bisher immer einen Weg gefunden haben. Nicht nur wegen der Korruption hoffen Hofmaier und ihr Mann auf ein Ende der „monarchischen Präsidentenfamilie“, wie Angie sagt, und auch die systematische Benachteiligung der Tamilen im Osten soll irgendwann Geschichte sein.

Denn gerade hier steckt viel ungenutztes touristisches Potenzial des Landes. Norden und Osten sind weniger stark vom Monsun betroffen und deshalb fast das ganze Jahr bereisbar. Hier gibt es Nationalparks mit riesigen Elefantenherden, beeindruckende hinduistische und buddhistische Tempelanlagen – und natürlich die endlosen Sandstrände. Das Meer tost hier weniger als im Süden, in manchen Buchten plätschert das gefährliche Inselmeer ruhig und badewannenwarm.

Zwischenstopp im kulturellen Dreieck

Internationale Reisende, die von Colombo aus in den Osten reisen, passieren quasi zwangsläufig das kulturelle Dreieck mit dem bekannten Löwenfelsen in Sigirya und dem Höhlentempel in Dambulla. Ideal also, um einen Stopp einzulegen und dort die ersten atemberaubenden Naturerlebnisse Sri Lankas zu genießen. Die schönste Aussicht auf den spektakulären Monolithen mit den Ruinen der Felsenfestung in Sigirya hat man von gegenüber: vom Felsen Pidurangala aus.

Unsichtbar und doch unübersehbar ist danach die Grenze innerhalb des Landes: Wo im kulturellen Dreieck noch die Singhalesen heimisch sind, ist der Osten tamilisch geprägt. Überall leuchten nun Hindutempel in bunten Farben, die Sprache ist anders, das erkennt auch, wer kein Wort versteht. Sattes Grün dominiert diesen Teil der schönen Tropeninsel. Die Reisfelder ziehen sich endlos, auf den Straßen dazwischen legen die Bewohner auf Planen den Reis zum Trocknen aus.

Tatsächlich aber finden sich auch im Osten Touristen: Auslandstamilen, die dem Bürgerkrieg entflohen und nie zurückgekommen sind, machen hier gerne in den schönen Hotels Urlaub und besuchen die Familie. In den Strandorten Upuveli und Nilaveli nördlich der Hafenstadt Trincomalee hat sich so eine schöne Mischung aus Touristen und Einheimischen gebildet.

Große Familienclans, die den Tag am Strand verbringen und gerne mit Touristen ins Gespräch kommen, sind hier an der Tagesordnung – für interessierte Reisende ein idealer Einstieg in die Welt der Tamilen. Gerade in Upuveli hat der Tourismus erste Schritte gemacht, es gibt kleine Beachbars und Sträßchen mit abwechslungsreichen Restaurants – mit dem belebten Süden ist die Gegend aber nicht vergleichbar.

Ein Ausflug in die wuselige Stadt Trincomalee bietet sich an. Sie ist bekannt für ihren Hindutempel auf einer Felsenzunge hoch über dem Meer – atemberaubende Blicke über die Küste inklusive. Zweifellos einer der wichtigsten Orte im Osten des Landes ist Arugam Bay geworden, wo Angie Hofmaier ihr Hotel hat. Die Surfer-Bucht ist wie eine kleine Kapsel, an der sich die Entwicklung ablesen lässt, die der Osten in den kommenden Jahren nehmen könnte – wenn nicht die Wirtschaftskrise einen Strich durch die Rechnung macht.

Ein kleiner Fischerort mit wenigen Hotels für Surfer: So war Arugam Bay, als Angie 2016 zum ersten Mal als Touristin herkam. Hier lernte sie Rihan, ihren späteren Mann und Vater des kleinen Sohnes Rahmi, kennen, ein Urlaubsflirt, der doch keiner war, wie die Bayerin heute lachend erzählt.

Unternehmensberatung gegen Hotel getauscht

Ein Jahr später tauschte sie die Unternehmensberatung in Frankfurt gegen die Hotellerie in Arugam Bay ein und beobachtete, wie sich der Ort zum Zentrum für Surfer, Yoga-Liebhaber und Individualtouristen jeder Art etablierte. Schicke Hotels gibt es jetzt hier ebenso wie hippe Frühstücksrestaurants. Ein Ort auf dem Sprung zum Hotspot: „Der Sommer 2018 – der Sommer vor Corona – war verrückt“, erinnert sich Angie. „Da gab es Tage, da kamen die Leute und haben uns angefleht, in unseren Hängematten schlafen zu dürfen – es gab kein einziges freies Bett mehr in der ganzen Bucht.“

Dann kam Covid und hat den Boom gestoppt – erst einmal. In Sri Lanka herrschten strenge Lockdowns mit Ausgangssperren und strikte Einreiseverbote. Nun kommen die Touristen langsam wieder, allerdings schreckt die Wirtschaftskrise viele Reisende ab. „Dabei muss man sagen: Diese Krise trifft die Bevölkerung, nicht die Touristen. Wer Geld hat, der kann hier immer noch alles kaufen“, sagt die Einwanderin.

Und da ist Angie, die bayerische Tamilenfrau, schon wie die Menschen im Sri Lanka: unheimlich bemüht, dass es den Touristen gefällt. „Tell your friends to come to Sri Lanka“ – „Sag all deinen Freunden, sie sollen nach Sri Lanka kommen”: Diesen Satz hören Reisende an jeder Ecke. Die Menschen wollen die Touristen, die Menschen brauchen sie. Und immerhin: Was Touristen seit vielen Jahren nach Sri Lanka gelockt hat, von den Naturwundern in den Nationalparks bis zum Ayurveda-Resort am Meer, ist alles noch da – unberührt von den Untiefen, in denen sich dieses Land wieder einmal befindet.


Redakteurin Christina Schönstetter reiste in ihrer Elternzeit privat durch den Osten Sri Lankas.


Die Inselnation Sri Lanka (ehemals Ceylon) liegt südöstlich von Indien im Indischen Ozean.

AN- UND RUNDREISE
•Flüge von München mit rund 13 Stunden Reisezeit (ein Stopp) ab rund 650 Euro (Qatar Air).
•In Sri Lanka gibt es ein weites Zugnetz, die Züge haben aber häufig große Verspätungen. Mit dem Bus kann man sehr günstig reisen – wenn man Zeit hat. Komfortabel ist ein privates Taxi, das angesichts der Benzinknappheit vergleichsweise teuer ist (50 bis 70 Dollar für etwa drei Stunden). Fahrten können von den Hotels oder durch Reiseagenturen vor Ort organisiert werden. Gerne gebucht werden auch private Fahrer, die mit dabei bleiben.

ÜBERNACHTEN
In Sri Lanka können Reisende sehr günstig übernachten, schönere (Luxus-)Hotels haben aber ihren Preis. Wer länger unterwegs ist, für den empfiehlt sich eine Mischung aus Mittelklasse- und Luxushotels. Wer sich für einige Tage etwas Besonderes gönnen möchte, findet im Osten des Landes tolle Hotels – in der Nebensaison sogar zum Schnäppchenpreis!
In Colombo: Raddisson Hotel; tolle Dachterrasse mit Bar und Pool mit Blick über Stadt und Küste; DZ ab 66 Dollar.
Für exklusive Tage an der Ostküste: Uga Jungle Beach; herrliche Anlage mit Dschungel-Feeling und Privatstrand nördlich von Nilaveli, DZ mit Frühstück ab 146 Dollar.
Upuveli/Trincomalee: Anantamaa Hotel, gepflegte Anlage mit großem Pool; DZ ab 40 Euro.
Zum Relaxen: Jetwing Surf in Pottuvil nördlich der Arugam Bay; weitläufige Anlage mit luxuriösen Cabanas; Nebensaison ab 109 Euro, Hauptsaison ab 260 Euro.
Arugam Bay: Stay Golden von Angie und Rihan; schöne Bungalow-Anlage, sehr gepflegt, mit hervorragendem Restaurant; Cabanas zwischen 60 und 110 Euro.

AKTUELLE LAGE
Aufgrund der schwierigen Versorgungslage rät das Auswärtige Amt derzeit von Reisen nach Sri Lanka ohne eine ortskundige Reiseleitung ab.
www.srilanka.travel
srilanka-botschaft.de