Helmproduzent
Reaktionen auf kommendes Uvex-Aus in Obernzell: „Damit hat keiner gerechnet“

07.12.2023 | Stand 08.12.2023, 15:34 Uhr

In Obernzell werden seit drei Jahrzehnten Rad-, Reit- und Wintersporthelme für die Marke Uvex produziert. Bis Ende nächsten Jahres wird der Betrieb in den Hallen stillgelegt. − Fotos: Pree/Riedlaicher

In Obernzell (Landkreis Passau) werden seit drei Jahrzehnten Rad-, Reit- und Wintersporthelme für den Weltmarkt produziert. Damit soll Ende 2024 Schluss sein. Die Firma Uvex-B-S-A will den Standort zusperren.



Die Mitteilung am Mittwochabend war kurz und schmerzvoll. Die Firma B-S-A sperrt in Obernzell zu. Bis Ende 2024 sollen alle Hallen im Gewerbegebiet Am Hafen leer stehen. Von der Betriebsstilllegung sind rund 190 Arbeitsplätze betroffen. Das teilte das Unternehmen mit. Die B-S-A ist ein Tochterunternehmen der Uvex Sports GmbH & Co. KG.

„Die Kosten in Obernzell sind explodiert“, erklärt das Unternehmen. Das betreffe vor allem die Bereiche Löhne, Energie und Material. Seit Jahren laufe der Betrieb der Uvex-Tochter in Obernzell defizitär. Sanierungsversuche habe es gegeben. Die hätten nichts gebracht. Deshalb also das Aus spätestens bis Ende des kommenden Jahres. Ab Januar wird ein Sozialplan ausgehandelt. Dass es zuletzt nicht so lief, war im Ort bekannt gewesen. Das ganze Jahr war immer wieder von Kurzarbeit geprägt gewesen.

„Noch vor Jahren große Ausbaupläne“

In Obernzell werden seit drei Jahrzehnten Rad-, Reit- und Wintersporthelme produziert. Diese wurden immer weniger gekauft. Dazu kam ein „ruinöser Wettbewerb mit Billiganbietern aus Fernost“, berichtet das Unternehmen. Fazit: „Die Sporthelmproduktion in Obernzell ist wirtschaftlich nicht mehr darstellbar.“ Die Uvex Sports Group werde die Produkte, die man bisher in Obernzell gefertigt hat, künftig in Billiglohnländern bei Drittanbietern einkaufen und weiter vertreiben.

Ein Blick zurück: „B-S-A baut die Helmproduktion massiv aus.“ Das hatte die PNP im März 2017 berichtet. Die Uvex-Tochterfirma hatte damals mit 200 Beschäftigten am Standort Obernzell jedes Jahr 820.000 Rad-, Reit- und Skihelme der Weltmarken Uvex und Alpina produziert und diese in alle Welt verschickt. Nach eigenen Angaben wollte man in den nächsten fünf Jahren die Fertigung von Helmen am Standort Obernzell auf bis zu 1,3 Millionen Helme pro Jahr ausweiten, hieß es vor sechs Jahren. 50 neue Arbeitsplätze hatte man dafür schaffen wollen.

Als Drei-Mann-Betrieb gegründet



Die Zeichen standen damals alle auf Ausbau. Dazu hatte die Firma ein 7600 Quadratmeter großes Areal und die Halle eines früheren Supermarkts neben dem Firmengelände gekauft.

Als Drei-Mann-Betrieb hatten die Firmengründer Peter Bub, Hermann Altendorfer und Werner Stemplinger das Unternehmen 1992 gegründet. Die Anfangsbuchstaben ihrer Familiennamen stehen für den Firmennamen B-S-A.

Im März 2018 hatte die Heimatzeitung dann über die Feiern zum 25-jährigen Bestehen berichtet, verbunden mit dem Spatenstich für einen neuen Verbindungsbau hinüber zu den neu gekauften Hallen neben der bestehenden Fabrik (auch früherer Penny).

Die BSA-Mannschaft hatte vom Uvex-Chef 2018 noch den „proud people oscar“ für 25 Jahre herausragende Leistungen bekommen.

Produktion geht in Billiglohnländer



Uvex-Gesellschafter Michael Winter sprach damals von der „überdurchschnittlichen Qualität“, die das Uvex-Geschäftsmodell fordere. Uvex bevorzuge die Standorte in Deutschland und Europa, sagte Winter vor fünf Jahren weiter, um einerseits die hohe Qualität zu sichern, aber auch, um die eigenen Innovationen in Produkt- und Verfahrenstechniken schützen zu können. Von Wachstum war damals 2018 immer wieder die Rede gewesen.

Zurück zur Jetztzeit: Für Landrat Raimund Kneidinger ist nun die Nachricht über die Schließung des Werks „ein harter Schlag für die Beschäftigten und für die Wirtschaftsregion im Passauer Land“. Angesichts der erst kürzlich getätigten Anfragen für ein Ausweiten der Produktionsanlagen am Standort Obernzell komme die jetzige Nachricht „sehr überraschend“, sagte er am Donnerstag. Hier hätte sich der Landrat „zumindest mehr Kommunikation im Vorfeld“ gewünscht. Dies habe er (Kneidinger) am Donnerstag gegenüber der Geschäftsführung auch offen angesprochen. Bei diesem Gespräch sei aber auch deutlich geworden, dass der heimische Konsument offenbar nicht bereit sei, für ein in Deutschland hergestelltes Produkt etwas mehr zu investieren. „Wie bei anderen Helm-Herstellern geht daher auch die Uvex-Produktion in Obernzell nach Fernost.“

Verantwortung gegenüber der Region



Mit der Marktgemeinde Obernzell will der Landrat unter Einbindung der Wirtschaftsförderung ausloten, welche Möglichkeiten es für den Produktionsstandort geben könnte. Hier sei auch die Kreativität des Unternehmens gefragt, mit anderen, zukunftsfähigen Produkten einen Weiterbetrieb in Obernzell möglich zu machen. Kneidinger wird deutlich: „Ein großer Arbeitgeber wie die Uvex Group hat eine Verantwortung gegenüber unserer Region und vor allem gegenüber seinen Beschäftigten.“ Auch in schwierigen Phasen der letzten Jahre seien diese Frauen und Männer zu ihrem Betrieb gestanden. „Das Gleiche müssen sie nun auch von ihrem Arbeitgeber erwarten können.“
„Völlig überraschend“ habe er aus der PNP am Mittwochabend online von der kommenden Schließung des B-S-A-Werks erfahren, berichtet Bürgermeister Ludwig Prügl. Er habe am Donnerstag umgehend eine Telefonkonferenz mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Uvex-Group Michael Winter geführt und nach den Hintergründen gefragt.

Wie schon gegenüber der Heimatzeitung habe Winter nochmals die Hauptgründe aus seiner Sicht erläutert. Die zuletzt wegen des Defizits eingeleiteten Sanierungsbemühungen hätten keine Umkehr gebracht. Dazu seien die Herstellungskosten in Obernzell wegen der stark gestiegenen Energie-, Lohn- und Rohstoffkosten explodiert. Die Produktion sei daher nicht mehr wirtschaftlich. Auch die Nachfrage nach Helmen durch die Kunden sei extrem zurückgegangen.

„Unumkehrbare Faktenlage“



Um eine Schließung eventuell doch noch abwenden zu können, habe Prügl vorgeschlagen, die politischen Ebenen einzuschalten, einschließlich des Bayerischen Wirtschaftsministers. Dieses Angebot habe Michael Winter ausgeschlagen, so der Bürgermeister, und auf die „unumkehrbare Faktenlage“ verwiesen. Winter betonte nochmals, im Rahmen eines Sozialplans die Schließung für die Beschäftigten möglichst sozialverträglich abzuwickeln.
Bürgermeister Prügl bemängelt, dass sich ein international tätiger Konzern wie die Uvex Group nicht frühzeitig „um neue innovative sowie zukunftsfähige Produkte gekümmert hat, um am Standort weiter produzieren zu können“.
Für den Markt Obernzell und den Beschäftigten ist der Verlust des Werkes beziehungsweise Arbeitsplatzes in Obernzell ein schwerer Einschnitt. Zum einen gingen rund 190 heimatnahe und sicher geglaubte Arbeitsplätze verloren. Dazu schließe ein langjähriger Traditionsbetrieb im Gewerbegebiet von Obernzell, „der noch vor wenigen Jahren große Expansionspläne hatte“.

„Es lief nicht gut, aber damit hat keiner gerechnet“



Die Mitarbeiter wurden am Mittwoch informiert, zunächst in der Früh die Betriebsräte, danach die Mitarbeiter im Rahmen einer Belegschaftsversammlung. Die Gewerkschaft sei eingeladen gewesen. Das berichtet Andreas Blaser als Bezirksleiter der IG BCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie) sowie zuständiger Betriebsbetreuer in Obernzell.
Es sei dem Unternehmen darum gegangen, dass alle Parteien teilnehmen können. Das sei alles im Ablauf absolut in Ordnung von Uvex-Seite gewesen. Es sei da kein Streit zu erkennen. Das Geschäft sei in letzter Zeit schlecht gelaufen. Das sei bekannt gewesen. „Man hat mit Maßnahmen gerechnet“, berichtet Blaser. Mit einer Schließung allerdings nicht. „Das war ein Schock für alle Mitarbeiter.“

„Wettbewerbsverzerrung“



Für ihn hat das kommende Ende grade zu diesem Zeitpunkt eine weitere bittere Note. Erst Mitte dieses Jahres sei erstmals am Standort Obernzell ein Betriebsrat gewählt worden. Dabei habe es keine Probleme gegeben. Der Arbeitgeber habe den Mitarbeitervertretern signalisiert, dass sich in Sachen Tarifbindung was machen ließe, die Rede sei von einem „Haustarif mit Anbindung“ gewesen. Dazu komme es in Obernzell jetzt natürlich nicht mehr. Auch die Gewerkschaft habe beobachtet, dass es seit längerer Zeit im Donaumarkt bei den Neuaufträgen hapert. Blaser spricht von einer „Wettbewerbsverzerrung“ durch hohe Herstellungs- und Energiekosten hierzulande. Da habe man keine Chance mehr im Vergleich zu Ländern wie China.

Nach Corona sei es richtig bergab gegangen, bilanziert er im Rückblick. Während der Pandemie habe es noch einen Hype gegeben auf dem Sport- und damit auf dem Sporthelmmarkt. Nach der Pandemie schauten auch die Sportler mehr aufs Geld. Helme werden nicht mehr zwei oder drei Jahre getragen, sondern länger. „Bei den Kunden sind die Lager vollgelaufen“, so Blaser. „Die Bürger haben nicht mehr gekauft.“ Dass es aber nun zu einer kompletten Schließung kommt, damit habe keiner gerechnet.

Intensive Verhandlungen im neuen Jahr



Wie geht es weiter? Betriebsrat und Gewerkschaft werden nächste Woche mit der Firmenleitung den Kurs und einen Zeitplan beraten. Im neuen Jahr würden dann intensive Verhandlungen folgen. Es sei zugesichert, dass Uvex-B-S-A in Obernzell bis Ende nächsten Jahres bestehe, dass die Mitarbeiter also so lange in Lohn und Brot stehen und finanziell abgesichert sind.

Bisher sei im Austausch mit der Firmenleitung immer alles sauber gelaufen. Uvex sei da eine verlässliche Firma. Auch hier stehe die klare Aussage, dass mit allen 190 Beschäftigten eine sozialverträgliche Lösung gefunden werde. Der Gewerkschaft gehe es darum, dann bei Bewerbungen zu unterstützen und die Mitarbeiter „von Job zu Job“ zu bringen.

Die weiblichen Mitarbeiter trifft es besonders hart



In der B-S-A-Belegschaft habe es schon geraume Zeit Unruhe gegeben, was die Zukunft anbelangt, berichten Mitarbeiter der PNP. Monatelang war der Betrieb mit Kurzarbeit gelaufen. Konkrete Informationen der Firmenleitung gab es keine. Vereinzelt habe es Durchhalteparolen gegeben.

„Es wird wieder besser“, hieß es. Auch die Wahl eines Betriebsrats heuer konnte nicht mehr Transparenz bringen. Warnzeichen, so ein Mitarbeiter, seien die Entlassungen zweier Geschäftsführer gewesen. Dazu sei von einem „übervollen Lager“ mit 200.000 Helmen berichtet worden. Auch das drastische Absinken der Produktion in Obernzell habe man beobachten können. Früher habe ein Lkw 50.000 Helme pro Woche von Obernzell weg transportiert. In letzter Zeit, so ein Beobachter, seien es in zwei Wochen nur mehr einige Tausend Helme gewesen.

Circa 80 Prozent der Mitarbeiter seien Frauen, schon lange im Betrieb. Für weitere Skepsis gesorgt hatte der Baustopp auf dem zum Erweitern der Firma gekauften Gelände im Gewerbegebiet Pölzöd bei Wildenranna. Hier war zwar bis 2028 Bauzwang auferlegt, aber Uvex-B-S-A hatte signalisiert, das Gelände wieder weiterverkaufen zu wollen. Noch bei der 25-Jahr-Feier 2018 in Obernzell hätten sich die Verantwortlichen zu Obernzell bekannt, die Qualität, Effizienz und den Fleiß der Mitarbeiter gepriesen. Alle diese Werte stünden mit der Schließung in Frage, wenn man nun auf Einkäufe aus Billiglohnländern ausweichen wolle.

Die Enttäuschung sei groß, gerade bei den Mitarbeiterinnen. In der Region seien derartige Frauenarbeitsplätze rar. Nach dem Altenheim mit ehemals fast 100 Beschäftigten, auch dort über 80 Prozent Frauen, sei die Schließung der B-S-A Ende 2024 der zweite große Schlag, besonders in Obernzell. Nun hoffen alle, dass für alle Mitarbeiter eine sozial verträgliche Lösung angestrebt werde, wie versprochen. Zumindest für die Vollzeitkräfte bleibe diese Hoffnung, so ein Insider.

− mr/np