Pläne für jüngeres Publikum
Herbert Fritzenwenger: „Wir sind zu konservativ und denken zu altmodisch“

30.03.2024 | Stand 30.03.2024, 12:00 Uhr

Herbert Fritzenwenger (61) – hier bei einer Pressekonferenz in der Veltins Arena auf Schalke – spricht nach eigener sportlicher Karriere sowie 32 Jahren am ZDF-Mikrofon offen über Probleme, die der Biathlonsport zeitnah zu lösen hat. − Foto: imago images

Herbert Fritzenwenger sorgt sich um den Biathlonsport, vor allem um den Publikumszuspruch der Generation 20 bis 25 und aufwärts. Der Ruhpoldinger (61), der nach 32 Jahren das Mikrofon als Co-Reporter beim ZDF weggelegt hat, schmiedet Pläne dafür. „Wir sind noch zu uncool und konservativ, wir denken zu altmodisch“, sagt der Mann, der Biathlon auf Schalke erfunden hat. Seine Mitstreiter kommen aus der Unterhaltung, aus den Medien und aus der Wirtschaft. Gemeinsam wollen sie jetzt ein Konzept erstellen und schon im Dezember auf Schalke loslegen. Heimatsport.de sprach mit dem ehemaligen Aktiven, der einer der ganz wenigen Wintersportler weltweit ist, der bei Olympischen Spielen in zwei Sportarten am Start war.

Herr Fritzenwenger, Sie sind erst 61 Jahre, also weit weg vom Rentenalter. Warum haben sie ihren Job beim ZDF bereits beendet?
Herbert Fritzenwenger: Reporter Christoph Hamm, an dessen Seite ich jetzt 20 Jahre lang kommentierte, geht in Rente. Da hat sich das ZDF entschieden, ein neues Duo aufzubauen. Reporter wird Volker Grube, wer mein Nachfolger wird, steht noch nicht fest. Die Neuen sollen dann doch zwei Jahre Zeit haben, sich bis zu Olympia 2026 einzuarbeiten.

Sie werden dem ZDF treu bleiben, dann als TV-Konsument, oder...?
Fritzenwenger: Definitiv! 32 Jahre gehen an einem ja nicht so einfach vorüber. Der Sender arbeitet professionell, ich habe ja viel hinter den Kulissen mitbekommen. Mein Herz wird immer fürs ZDF schlagen. Ob ich zum Biathlon-Saisonauftakt 2024/25 vor dem Bildschirm sitzen werde, weiß ich jetzt noch nicht. Wenn ja, dann aber sicher ohne Computer und Zusatzinformationen. Ich werde es genießen.

Was Sie immer ausgezeichnet hat, waren die Infos des Experten – auch was im Bild nicht gezeigt wurde. Da waren Sie der ARD doch etwas voraus.
Fritzenwenger: Das mag sein, ich versetze mich halt immer in die Rolle des Zuschauers, was interessiert ihn in diesem Moment. Man könnte viel mehr erzählen, aber es muss ja immer auf den Punkt gebracht werden und alle fünf Sekunden gibt es ein neues Bild. In jedem Fall hat man nicht viel Zeit.

Was waren Ihre Highlights als Co-Reporter in diesen 32 Jahren?
Fritzenwenger: Die WM 2004 in Oberhof fällt mir da ein. Ich war damals ja noch Vorsitzender vom Skiclub Ruhpolding. In der Verfolgung war Raphael Poirée meilenweit voraus, aber unser Ricco Groß ist Weltmeister geworden. Beim letzten Schießen ist, wie so oft, die Entscheidung gefallen. Der Franzose hat die Schüsse nicht rausgebracht, Ricco hat die Scheiben abgeräumt. Wir hatten schlechtes Wetter, aber es war extrem stimmungsvoll, weil Ricco gewonnen hat. Unvergessen war auch die WM 2012 in Ruhpolding mit dem Abschied von Magdalena Neuner und dem Zuschauer-Rekord. Es war für mich die bisher schönste WM überhaupt.

Und Olympische Spiele?
Fritzenwenger: Die letzten beiden in Peking und Pyeongchang waren jetzt nicht so prickelnd, Vancouver 2010 war ein schönes Erlebnis, aber extreme Gefühle kommen bei mir immer wieder auf, wenn ich an meine zweiten Spiele 1994 in Lillehammer denke. Albertville zwei Jahre davor war prägend, aber in Norwegen war es so, dass wir bei minus 20 Grad in unseren warmen Reporterkabinen kurzärmlig gesessen waren. Fünf Meter neben uns waren im Freien die königlichen Hoheiten aus Schweden gesessen, frierend und dick eingemummt im VIP-Bereich. Da hab ich mir gesagt, man muss nicht König sein, um den besten Platz im Stadion zu haben. Es war irgendwie surreal.

Wie war für Sie Albertville, es waren ihre ersten Spiele?
Fritzenwenger: Ja, aller Anfang ist schwer. Man hat mir hinterher von den ZDF-Verantwortlichen aber bestätigt, dass man mich gut verstanden hat, also mich als Bayer in Deutschland. Es war damals auch eine andere Art des Kommentierens, aber ich denke, ich habe mich mit Reporter Hermann Ohletz gut ergänzt. Es kam von ZDF-Seite jedenfalls nie Kritik. Ich dachte damals, na ja, so drei, vier Jahre darf ich da mitkommentieren, dann sind es über drei Jahrzehnte geworden. Ich wurde auch gefragt, ob ich nicht vor der Kamera arbeiten möchte. Das habe ich aber verneint. Gott sei Dank.

Wieso Gott sei Dank?
Fritzenwenger: Man nützt sich halt doch sehr schnell ab als Gesicht. Das kann man nicht dauerhaft machen. Da habe ich für mich sehr schnell entschieden, doch lieber zu kommentieren, weil ich da die Chance sah, dass es länger geht. So war es dann auch. Wir hatten als Expertin Petra Behle dabei. Die habe ich deutlich überlebt. Oder seit 2007 ist Sven Fischer dabei. Da wird es für ihn jetzt vor der Kamera doch etwas schwierig.

Sie haben beim ZDF fertig, aber längst noch nicht mit dem Biathlonsport.
Fritzenwenger: Richtig! Die World Team Challenge, die ja zehn Jahre lang in Ruhpolding stattfand, ist jetzt auf Schalke angesiedelt. Da mische ich weiterhin mit. Ich hatte ja Gespräche mit Rudi Assauer, und wir haben das Event dann auf Schalke angesiedelt. Da hat unser Sport nochmal einen richtigen Aufmerksamkeits-Push erhalten. Wir haben den Sport zu den Fans gebracht. Und wir wollen die Veranstaltung weiter forcieren und intensivieren. Wir haben dort auch Magdalena Neuner verabschiedet, sie schwebte von der Kuppel herunter. So etwas vergisst man nie.

Aber es war zuletzt ein Rückgang an Zuschauern zu verzeichnen.
Fritzenwenger: Ja, leider. Die letzten Jahre waren nicht einfach, auch wegen Corona, als wir zwei Mal in Ruhpolding zu Gast waren. Und danach das Stadion auf Schalke wieder voll zu bekommen, ist schwierig. Es ist aber generell zu beobachten, dass der Publikumsandrang in Sportarten, wo deutsche Fans dominieren, rückläufig ist. Das ist ein natürlicher Prozess. Es gibt Fans, die vor 30 Jahren schon dabei waren, und viele wollen da heute wegen ihres Alters lieber vor dem Bildschirm sitzen und nicht in die Stadien gehen.

Hat der Biathlonsport ein Nachwuchsproblem bei den Fans?
Fritzenwenger: Das unterstreiche ich so. Wir müssen künftig auf die Bedürfnisse der jüngeren Generation eingehen. Im Vorfeld eines Events müssen wir deutlich mehr Aufmerksamkeit generieren. Wir sind da zu uncool und konservativ, denken zu altmodisch. Das ist kein Vorwurf, ich nehme mich da nicht aus. Beim Nachwuchs rede ich jetzt nicht von den Kids, sondern vom Klientel 20 bis 25 aufwärts. Diese Altersgruppe denkt heute anders, aber dieses Publikum müssen wir erreichen.