Wegen Eingriffen in Naturwald
Gericht hebt Neubau-Genehmigung für Kampenwandbahn auf

Klage von Bund Naturschutz gegen Projekt im Chiemgau erfolgreich – Berufung gegen die Entscheidung ist möglich

22.11.2023 | Stand 22.11.2023, 19:07 Uhr

Die markanten Vierer-Gondeln der Kampenwandbahn werden wohl noch länger fahren. Der Neubau der Anlage mit größeren Gondeln, mehr Kapazitäten und Barrierefreiheit ist vorerst vom Tisch. − Foto: Sven Hoppe/dpa

Überraschend hat das Verwaltungsgericht München die Genehmigung für den Neubau der Kampenwandseilbahn in Aschau im Chiemgau (Lkr. Rosenheim) aufgehoben. Das Urteil vom 16. November wurde am heutigen Mittwoch veröffentlicht.



Damit hat das Verwaltungsgericht München einer Klage des Bund Naturschutz in Bayern e.V. gegen den Bescheid des Landratsamts Rosenheim vom 24. Juni 2022 wurde im Wesentlichen statt.

„Die seilbahnrechtliche Genehmigung ist nach Ansicht der zuständigen Kammer unbestimmt und damit rechtswidrig“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung des Gerichts vom 22. November. Aus dem Genehmigungsbescheid und aus den Unterlagen lasse sich „nicht eindeutig entnehmen, welche Bäume für die Aufweitung der Trasse gefällt werden dürfen“. Entscheidend für die Unbestimmtheit der Genehmigung sei, dass nicht eindeutig erkannt werden könne, wo konkret und in welchem Umfang Bäume im Schutzwald oder im Naturwald gefällt werden sollen.

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Baumfällungen können nicht ausgeschlossen werden

Nach Ansicht des Gerichts könne nicht ausgeschlossen werden, dass für den Neubau der Kampenwandseilbahn Baumfällungen im Naturwald erforderlich werden: „Die Fällung von Bäumen im Naturwald zur Ermöglichung des Betriebs der neuen Bahn ist aber unzulässig.“ Baumfällungen im Naturwald sind demnach gesetzlich zur Verkehrssicherung ausnahmsweise erlaub, aber: „Die vorgesehenen Baumfällungen zur Erweiterung der Trasse würden keine Verkehrssicherungsmaßnahmen darstellen, sondern das Neubauprojekt erst ermöglichen.“

Da es sich nach Ansicht der Kammer bei der angefochtenen Genehmigung aus dem Jahr 2022 um eine Neuerteilung handelte, steht der Aufhebung dieser neuen Genehmigung auch nicht entgegen, dass eine bestandskräftige seilbahnrechtliche Genehmigung aus dem Jahr 2017 vorliegt.

Die vom Bund Naturschutz als Kläger gestellten Beweisanträge zum Artenschutz, mit denen der Schutz des Birkhuhns im Neubaubereich der Seilbahn näher untersucht werden sollte, lehnte die Kammer ab, weil es hierauf „für die nun getroffene gerichtliche Entscheidung nicht ankam“. Gegen das Urteil (M 24 K 22.3717) können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragen.

Bund Naturschutz hat Bedenken

Die Klage des Bund Naturschutz hatte sich gegen einen Änderungsbescheid des Landratsamtes Rosenheim im Zusammenhang mit der bereits genehmigten Modernisierung der Anlage aus den 1950er Jahren gerichtet. Der Bund Naturschutz bezweifelt zum einen, dass es sich dabei wirklich nur um eine Änderung statt um eine völlig neue Genehmigung handelt. Und er befürchtete unter anderem, dass die geplanten Kapazitätserweiterungen und die Nachtfahrten in dem ohnehin schon stark genutzten Gebiet die Population des vom Aussterben bedrohten Birkhuhns einbrechen lassen könnten.

Das Verwaltungsgericht war vor seiner Entscheidung am 26. Oktober nach Aschau im Chiemgau gefahren, um sich vor Ort ein Bild zu verschaffen. Bei der Modernisierung der Anlage sollen die Beförderungskapazitäten erhöht werden, indem die bisherigen Vierer-Gondeln durch Achter-Gondeln ersetzt werden. Auch Tal- und Bergstation sollen erneuert werden. Zudem werden im Bescheid unter anderem Sonderfahrten zu später Stunde erlaubt.

− hr/lby