Mit Elefanten mitten durch die Stadt
Wie aus 1001 Nacht – der erste Besuch von Circus Krone in Landau

Der Circus Krone war bereits zweimal in Landau zu Gast – Das erste Mal 1936 – Inge Seidl erinnert sich an Zeitzeugen

05.04.2024 | Stand 05.04.2024, 11:00 Uhr

Elefanten, die durch Landau spazieren: Auf diese Weise machte der Circus Krone 1936 auf sich aufmerksam.

Der Circus Krone kommt nach Landau – und nicht zum ersten Mal. Der erste Besuch in der Bergstadt liegt allerdings schon sehr lange zurück – 88 Jahre.

„Die Zeitzeugen leben leider nicht mehr“, sagt Inge Seidl. Die Landauerin erinnert sich aber noch gut an die vielen Gespräche mit Zeitgenossen, die den ersten Besuch der Zirkusfamilie in Landau miterlebt haben und die sie 2005 für einen Zeitungsartikel interviewt hatte. Im Gespräch mit der Heimatzeitung erinnert sie sich.

„2005, als der Circus Krone zu uns in die Stadt kam, machte er Werbung damit, dass er zum ersten Mal nach Landau kommt. Das stimmte aber gar nicht“, erzählt Inge Seidl. Als leidenschaftliche Heimatforscherin war ihre Neugierde geweckt, als sie die ersten Bergstädter auf diese Unstimmigkeit ansprachen. Sie ging der Sache nach und wurde fündig. „Wie sich herausgestellt hat, war Circus Krone tatsächlich 1936 schon einmal in Landau.“

Im Stadtarchiv, dank hilfreicher Unterstützung von Max Steghafner, habe sie einige Beweise dafür gefunden. „Circus Krone machte in der damaligen Tageszeitung Bayerische Ostmark mit fünf Großanzeigen in den Ausgaben vom 6. bis 16. April 1936 auf das Gastspiel in Landau aufmerksam, das am 16. und 17. April stattfand“, unterstützt sie ihre Aussage und holt zum Beweis Kopien der alten Anzeigen hervor.

„Hier zum Beispiel, die erste Anzeige vom 6. April 1936“, deutet Inge Seidl auf ein Stück Papier. „Der größte Zirkus Europas und herrlichste Zirkus der Welt“ versprach den Landauern „große Attraktionen“ – und dass er mit 600 Tieren komme. „Der untere Teil der Anzeige las sich für so manchen auch nicht schlecht, denn der Zirkus brauchte große Mengen Futter – bis hin zu Pferdefleisch – für die Tiere.“

Tiere und Personal brauchten Verpflegung

Auch das mitgereiste Personal brauchte Verpflegung, wofür sich hiesige Geschäfte melden konnten. Weiterhin hieß es, würden für das kaufmännische, artistische und technische Personal 200 Zimmer benötigt. „Die Einwohner der Stadt sollten sich mit Eilofferten und Preisangabe an die Einkaufsabteilung wenden.“

Heutzutage kaum noch vorstellbar, dass die Zirkusmitarbeiter für die Dauer ihres Aufenthalts bei fremden Personen einquartiert werden. Inge Seidl hat bei ihren Recherchen aber noch Menschen getroffen, die 1936 Zirkusleute aufgenommen haben, Frau Brunner aus der Gärtnerstraße zum Beispiel. „Ihre Tochter Paula konnte sich noch gut an die vier Fremden im Haus erinnern, die die vier Betten im Obergeschoss belegten. Sie wusste auch noch, dass sie als Entgelt freie Eintrittskarten für Zoo und Vorstellung bekamen“, erinnert sich Inge Seidl.

Anders als heutzutage war auch die Anreise der Zirkusfamilie. In den Zeitungsanzeigen fand Inge Seidl den Hinweis, dass der Circus Krone am 16. April 1936 mit drei riesigen Sonderzügen in Landau eintrifft. Doch nicht nur die Anreise allein schon mit 600 Tieren war eine Herausforderung, auch die Standortfrage. „Damals wie heute schlug der Circus Krone sein Zelt auf dem Volksfestplatz auf, aber der war 1936 nicht da, wo er heute ist“, weiß Inge Seidl und lächelt verschmitzt, bevor sie aufklärt. „Heute steht darauf das Amt für Ländliche Entwicklung. 1936 gehörte das über sechs Tagwerk große Areal der Familie Kreiner. Und Anton Kreiner ließ sich nicht lumpen und stellte die Wiese unentgeltlich zur Verfügung.“ Und nicht nur das, wie sie bei ihren Recherchen herausgefunden hatte. „Er mähte auch noch die Wiese und schenkte das Heu dem Zirkus.“ Dafür habe die Familie Kreiner mit ihren Helfern kostenlos den Zoo und die Vorstellung besuchen dürfen.

Unter die Menge der Helfer habe sich auch Hans Steghafner geschmuggelt, der als Heranwachsender beim Heuen gar nicht dabei war, aber die Gelegenheit für einen kostenlosen Zirkusbesuch genutzt habe. „Er hat sich einen Rechen genommen und ist als vermeintlicher Helfer mit hineinmarschiert“, erinnert sich Inge Seidl an das Gespräch mit ihm. Er konnte sich auch noch gut an den Aufbau des Zeltes erinnern. Er habe die Szenen noch sehr genau vor Augen gehabt, wie sechs Männer mit großen Vorschlaghammern einen Stempen nach dem anderen in den Boden gerammt haben.

Beeindruckt hätten ihn aber auch die Tiere. „Am Abend stand dann ein Elefant mit Mütze vor dem Eingang, hob den Rüssel, wenn Einlass war“, gibt Inge Seidl die Erinnerung des Mannes wider. „Der Rüssel ging nach unten und versperrte den Eingang, wenn niemand mehr hinein durfte.“

Elefanten und andere exotische Tiere

Erinnerungen wie die von Hans Steghafner sind wertvoll – und lassen einen auch in eine längst vergangene Zeit zurückblicken. Inge Seidl erzählt begeistert von ihren Recherchen und Funden im Stadtarchiv. Nicht nur, dass sich der Circus Krone mit 600 Tieren in Landau angekündigt hatte. „Der Unterhalt von 600 Tieren und dazu gehörendem Personal verschlang viel Geld.“ Doch den Zirkus am Leben zu erhalten, sei in dieser Zeit sehr schwierig gewesen, weiß sie. „Eine Reihe kleinerer Zirkusunternehmen hatte die Inflation und Weltwirtschaftskrise nicht überlebt.“ Umso beeindruckender sei es zu wissen, dass der Circus Krone diese schwierige Zeit gemeistert habe.

Damit möglichst viele Menschen in die Vorstellungen kommen – und somit das Überleben des Zirkus‘ sicherten – sei viel Werbung mit den Tieren gemacht worden. Schon in den Anzeigen von 1936 wurde eine tierische Besonderheit nach der anderen erwähnt, jagte ein Superlativ den nächsten: „Krone besitzt das größte Zuschauerzelt“, „Krone besitzt 25 Elefanten, darunter Löcky, den größten weiblichen indischen Elefanten in Europa“, „Krone besitzt den größten Marstall“, „Krone besitzt den größten reisenden Zoo“ und „die größte Tigersammlung, die prächtigsten abessinischen Löwen“.

Weiterhin ist den Anzeigen zu entnehmen, dass „Krone die einzige reisende Giraffe in Europa besitzt“, zudem noch „zwei große Nilpferde, 16 Eis- und Braunbären, Pumas, Karawanen von Kamelen, Zebras, Bisons, Zebus, Lamas, Yaks, Wasserbüffel, Strauße, Kängurus, Geparden und 200 zoologische Seltenheiten“. Außerdem wird auch noch mit Schlangen, Krokodilen und einer großen Affen- und Papageiensammlung geworben. „Im größten reisenden Zirkus der Welt wird als einmalige Attraktion auch ein Albino-Esel angekündigt“, weiß Inge Seidl.

„Und alle, die es etwas aufregender lieben, konnten um 11 Uhr vormittags zur Raubtierfütterung kommen.“ Für Aufsehen in der Stadt hätten damals auch die Elefanten gesorgt. „Damals wurde besonders auf die Vorführung von 22 Elefanten zur gleichen Zeit aufmerksam gemacht, auch das war damals einzigartig in Europa“, hat Inge Seidl herausgefunden.

Beim Stichwort Elefanten hält sie inne und holt eine Fototasche hervor. „Das ist mein ganzer Stolz“, sagt sie und zieht ein Foto heraus, auf dem man sieht, wie zwei Dickhäuter durch Landau spazieren, im Hintergrund ist die Bäckerei Engelbert Bürchner zu sehen. „Die Elefanten sind damals frei durch Landau geführt worden, um möglichst viele Besucher in die Vorstellungen zu locken.“ Aufmerksamkeit war dem Zirkus auf diese Weise jedenfalls sicher, oder wann läuft einem bei den täglichen Besorgungen in der Stadt schon mal ein echter Dickhäuter über den Weg? Das Foto hütet Inge Seidl wie einen Schatz und holt noch zwei weitere alte Fotografien hervor. Auf einem ist das damalige Zirkuszelt zu sehen. Es wirkt wie aus 1001 Nacht.

Freude über ein gefundenes Fünferl

„Für die Menschen damals mit Sicherheit ein großes Ereignis“, ist Inge Seidl überzeugt. Wie viele Menschen der Zirkus damals tatsächlich in die Vorstellungen gelockt hat, ist nicht überliefert. „Aber die Menschen nahmen auch weite Wege auf sich“, sagt Inge Seidl und erzählt von Hilde Jakob, die in der Nähe von Mariakirchen beheimatet war. „Der Vater setzte seine damals fünfjährige Tochter aufs Fahrrad, steuerte den Bahnhof von Arnstorf an und fuhr mit dem Zug nach Landau“, schildert die Heimatforscherin das, was ihr Hilde Jakob damals erzählt hatte. „Und welches von den 600 Tieren blieb Hilde Jakob, nach fast 70 Jahren, in Erinnerung?“, fragt Inge Seidl und liefert sogleich die Antwort, „nur ein im Wasserbecken schlafendes Nilpferd“.

Dass der Circus Krone 2005 nichts mehr von seinem ersten Besuch in Landau wusste, nimmt Inge Seidl dem Zirkusunternehmen nicht übel. „Die konnten das auch gar nicht mehr wissen“, sagt sie verständnisvoll. Denn 1944 sei der Krone-Bau durch Luftangriffe völlig zerstört worden. „Die meisten Dokumente fielen dem Feuer zum Opfer. So war es verständlich, dass sie 2005 mit dem Slogan Werbung gemacht haben: 100 Jahre Circus Krone und noch nie in Landau.“ Zum Glück hätten sich damals einige Zeitzeugen gemeldet, die es besser wussten.

So aufregend das Zirkusgastspiel für die Landauer auch war, nach zwei Tagen war es dann schon wieder vorbei. Kaum war der Circus Krone weg, machte sich eine Schar von Kindern daran, nach Dingen zu suchen, die Zirkusbesucher im Gedränge verloren hatten. „Unvergessen ist Ella Webers Freude über ein gefundenes Fünferl und dass so ein kleiner Fund alle zu neuen Suchaktionen anstachelte“, erzählt Inge Seidl. „Ahnen konnten die Kinder allerdings nicht, dass der Circus Krone erst nach 69 Jahren wieder in Landau sein Zelt aufbauen würde und sie dann bereits Oma und Opas wären, die ihren Enkeln exotische Tiere zeigten.“ So viel Zeit habe sich Krone nun nach dem zweiten Gastspiel in Landau nicht mehr gelassen, nur 19 Jahre.