Woche der Begegnung
Workshop vermittelt „Queer Basics“

13.10.2023 | Stand 13.10.2023, 5:00 Uhr
Diana Millgramm

JJ Herdegen, selbst nicht-binär, leitete den Workshop unter dem Motto „Queer Basics“. − Foto: Millgramm

LGBTQIA+, neutrale Geschlechtspronomen, nicht-binär – diese Ausdrücke begegnen einem immer häufiger und können durchaus Verunsicherung entstehen lassen. Mit einem Workshop unter dem Motto „Queer Basics“ hat sich die Schwangerenberatung Donum Vitae an der Woche der Begegnung von Demokratie leben in Deggendorf beteiligt.

Im Workshop sollten nicht nur Grundlagen und Begriffe in Bezug auf sexuelle und Geschlechtervielfalt vermittelt werden. Es sollten auch Hemmschwellen abgebaut und Zugänge geschaffen werden, um Alltagsdiskriminierung zu vermeiden. Sozialpädagogin Franziska Buchmeier fasste in ihrer Begrüßung zusammen, dass vor allem auch Grundwissen über die Lebenssituation queerer Menschen vermittelt werden sollte. „Wir wollen sensibilisieren und uns auch vernetzen“, zeigte sie sich auch begeistert über die zahlreichen Besucher anderer Beratungsstellen.

JJ Herdegen, nicht-binär und publizistisch und im Medienbereich tätig, referierte. JJ verwendet für sich das Pronomen „they“ oder keines, denn das ist in der deutschen Sprache prinzipiell schwierig, da es kein geschlechtsneutrales Pronomen gibt. „Das ist gleich der erste gute Tipp: Wenn ihr Euch im Gespräch unsicher seid, wie Euer gegenüber angesprochen werden möchte, dann immer auf den Namen zurückgreifen, und wenn ihr den sieben Mal in einem Satz sagt.“ Das lasse sich manchmal besser üben, wenn die queere Person nicht dabei ist. „So machen das meine Freundinnen zum Beispiel – das ist oft einfacher.“

„Menschen einfach auf emotionaler Ebene begegnen“



Nicht könne man mit dem Verstand nachvollziehen, wie andere Menschen leben oder fühlen. „In diesem Fall: einfach Menschen auf emotionaler Ebene, mit Solidarität und Akzeptanz begegnen“, fasste JJ vorab zusammen.

Schnell wurde bei den Workshopteilnehmern deutlich, dass das Thema in Deggendorf und Bayern allgemein noch schwierig sei. „Es haben sich ihm bisher nicht viele Akteure angenommen“, gab Ursula Keßler von der Koordinierungs- und Fachstelle „Demokratie leben“ in Deggendorf zu. Schnell wurde aber deutlich, dass bei zahlreichen Beratungsstellen, die Vertreter zu der Veranstaltung geschickt hatten, der Bedarf sehr hoch ist. „Viele wissen vielleicht nicht, dass sie queere Personen kennen – aber es ist statistisch heute unmöglich, dass es nicht so ist“, untermauerte Herdegen. Vielfalt sei noch nicht selbstverständlich. „Das queere Altern in der heteronormativen Gesellschaft, zum Beispiel, ist noch kaum erforscht.“ So seien während der Nazizeit viele Menschen, die als anders angesehen wurden, in den Konzentrationslagern getötet worden. „Dann sind viele während der AIDS-Pandemie in den 80er Jahren verstorben.“ Prinzipiell seien queere Menschen schon immer mit viel Hass konfrontiert gewesen, auch JJ selber habe durchaus schon bedrohliche Situationen erlebt.

Queer zu sein, ist keine Modeerscheinung



Genau wie die Regenbogenflagge, die heute für Vielfalt stehe, sei der Begriff „queer“ wie ein Überthema: „Ihr wisst nichts näher über mich, aber prinzipiell, um was es geht“, fasste Herdegen zusammen. Die Geschlechtseinteilung werde in Deutschland auf Basis der sichtbaren Geschlechtsmerkmale bei der Geburt vorgenommen. „Aber nicht das zugewiesene Geschlecht ist wichtig, sondern die Geschlechtsidentität, also das Gefühl und das Wissen über das eigene Geschlecht.“ Dass es keine Modeerscheinung sei, queer zu sein, belegte Herdegen mit einem Beispiel: „Linkshänder wurden früher bestraft und umgelernt, bis man erkannt hat, was man diesen Menschen damit antut – und plötzlich stieg die Statistik von null auf 17 Prozent.“ Die Menschen würden also jetzt nicht queer, weil es im Trend ist. „Nur jetzt können sie endlich darüber reden.“

Prinzipiell limitiere man sich selber, wenn man Geschlecht nur als binär sehe. „Auch Menschen, die sich mit dem gleichen Geschlecht identifizieren, sind doch alle individuell.“ Es gebe kein typisch männlich oder typisch weiblich. „Die Geschlechtsidentität ist deshalb frei wählbar. Und sie muss vom Menschen nicht gerechtfertigt werden“, stellte Herdegen klar. Gerade das historisch bedingte Konstrukt der Geschlechternormen mache es queeren Menschen schwer, sich zu outen. Dabei sei gerade Akzeptanz und Unterstützung und zum Beispiel das Ansprechen mit dem gewählten Namen und Pronomen ein wichtiger Schritt für die seelische Gesundheit.

Infos auf der zentralen Plattform queeresnetzwerk.bayern



Personen, die Hilfe brauchen oder sich zum Thema austauschen wollen, haben die Möglichkeit, sich auf queeresnetzwerk.bayern über Beratungsangebote in der Nähe zu informieren. Das Queere Netzwerk Bayern ist eine zentrale Landesplattform für LGBTQIA+ im Freistaat Bayern. Hier werden Informationen zu Beratungsangeboten, Veranstaltungen und zur queeren Community im Allgemeinen gebündelt. JJ Herdegen selbst engagiert sich beim Verein Fliederlich in Nürnberg, der auch eine telefonische Queer-Beratung unter ✆0911/42345770 anbietet.