„Unsere Betriebe brauchen eine Perspektive“

Erstes „Handwerkergespräch“ mit Franz-Xaver Peteranderl

30.11.2022 | Stand 19.09.2023, 0:11 Uhr

Beim ersten Handwerkergespräch auf Initiative von Landrat Bernd Sibler (2.v.l.) kam BHT-Präsident Franz-Xaver Peteranderl (l.) ins Gespräch mit den Obermeistern und Vertretern der Kreishandwerkerschaft Donau-Wald. −Foto: Bäumel-Schachtner

Von Melanie Bäumel-Schachtner

Durch die Corona-Zeit sind die meisten Gewerke im Handwerk noch recht gut gekommen. Und noch sind die Auftragsbücher voll. Und doch ächzt die „Wirtschaftsmacht von nebenan“ vor allem unter zwei schweren Bürden: Der Energiekrise und dem Fachkräftemangel. Was sich die Betriebe wirklich von der Politik wünschen, ist eine Perspektive. Das hat Franz-Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags (BHT) und Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, am Montagabend betont. Er sprach beim ersten „Handwerkergespräch“ des Landkreises Deggendorf mit der Kreishandwerkerschaft Donau-Wald in der Aula der Berufsschule I. Den Startschuss der Veranstaltungsreihe hatte Landrat Bernd Sibler ins Leben gerufen.

Für Sibler war der Ort der Veranstaltung klug gewählt: „Wir sind froh, dass wir in Deggendorf eine Technische Hochschule haben. Aber wir sind eben auch froh, dass eine so starke Berufsschule da ist“, sagte er. Der Neubau unterstreiche dies. Für Sibler sind neben der Bedeutung der Infrastruktur die gestiegenen Energiepreise und der Arbeitskräftemangel – man könne hier gar nicht mehr von Fachkräftemangel sprechen – die Probleme, die derzeit beim Handwerk am schwersten aufschlagen. Probleme, über die im Rahmen von regelmäßigen Veranstaltungen diskutiert werden soll, um gemeinsam Lösungen zu finden. „Wir wollen diese Gesprächsrunde weitermachen und eventuell auch im Sommer einen Handwerkerempfang im Freien organisieren“, regte der Landrat an.

Ernst Ziegler, Leiter der Staatlichen Berufsschule I in Deggendorf, gab Einblick, dass seine Schule bestens mit der Praxis verzahnt sei: „Alle Lehrer haben regelmäßig mit einem Obermeister Kontakt“, sagte er. Und bei Aktionstagen sollen gerade auch die Gymnasiasten angesprochen werden, um ihnen eine Ausbildung im Handwerk ans Herz zu legen.

Die Wichtigkeit des Besuchs von BHT-Präsident Peteranderl unterstrich Kreishandwerksmeister Günter Hartl. „Wir brauchen Sie als Sprachrohr“, wandte er sich an den Gast aus Garching. Und zwar, um den Stand der dualen Ausbildung zu stärken. Und um Druck zu machen, wann endlich die Strom- und Gaspreisbremse komme. „Unsere Betriebe haben alles während der Pandemie am Laufen gehalten. Nun brauchen sie Hilfe. Und dabei muss man sich jedes einzelne Gewerk und seine Probleme ansehen und darf nicht pauschalisieren“, forderte er.

Das sieht auch Peteranderl so. Für viele Betriebe seien längerfristige Aufträge plötzlich problematisch geworden. Denn hier sind die Preise festgeschrieben. Und wenn ein Baustoff wie Stahl sich plötzlich immens verteuert, dann zahle das Unternehmen im schlimmsten Fall sogar drauf, um seinen Auftrag auszuführen. Dazu komme das Problem das Fachkräftemangels: In den meisten Unternehmen seien die Mitarbeiter um die 50 Jahre alt. Wenn sie in nicht so ferner Zukunft in den Ruhestand gehen, dann gehe deren Wissen verloren, wenn keine jungen Leute mehr nachkämen. Noch spiegele sich dies nicht wider, der Mitarbeiterschwund liegt dem BHT-Präsidenten zufolge bei 0,6 Prozent. Und auch die Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise sind für ihn noch nicht vollends angekommen. „Die meisten Betriebe werden die Energiepreise mit Verzögerung im eigenen Geldbeutel zu spüren bekommen“, glaubt er.

Peteranderl fordert daher von der Politik: „Sie müssen unseren Betrieben die Perspektive geben, mit was sie rechnen können, um für die Zukunft zu planen.“ Im Bundeshaushalt seien immense Beträge an Coronahilfen gar nicht abgerufen worden oder müssen nun von Unternehmen zurückgezahlt werden, weiß Peteranderl. „Es wäre genug Geld da, um die derzeitige Energiekrise abzufedern.“ Hier müsse das Wirtschaftsministerium liefern.

Er brach auch eine Lanze für die duale Ausbildung. Sie sei ein „super Start ins Berufsleben“. Die jungen Menschen werden hier nicht nur zu Fachkräften, sie lernen auch Struktur und Pünktlichkeit und bekommen einen Einblick, welches Studienfach für sie infrage käme und ob die Betriebe den vorher angepeilten Studiengang überhaupt in der Praxis brauchen können. Er forderte Wohnraum für Azubis in Studentenwohnheimen und den Ausbau des ÖPNV. „Und wir müssen mit Argumenten überzeugen, die bezahlbar sind.“

Es werden vielleicht schwerere Zeiten auf das Handwerk zukommen. „Die meisten von Ihnen haben noch genügend Aufträge im ersten und zweiten Quartal in den Auftragsbüchern. Die Wahrheit über die Rezession wird sich im dritten und vierten Quartal zeigen“, prognostiziert er. Der entscheidende Winter werde nicht heuer sein, sondern der nächste. Denn nächstes Jahr werde es schwerer, ohne russisches Gas die Speicher zu füllen. Peteranderl wünscht sich eine Laufzeitverlängerung der noch bestehenden Atomkraftwerke bis 2025. Der BHT hat dazu auch einen Maßnahmenkatalog herausgegeben. Dieser beinhalte auch, dass kleine und mittelständische Unternehmen stärker berücksichtigt werden.

Bei der Diskussion sagte Hans Günthner, Obermeister der Elektroinnung, dass dieses Jahr die Gefahr für einen längeren Stromausfall gering sei. Allerdings können unsachgemäß genutzte Geräte wie Baumarktaggregate seinen Worten nach im eigenen Haus dennoch einiges lahmlegen. Stellvertretender Kreishandwerksmeister Erwin Reith merkte an, trotz der Wichtigkeit von Fachkräften dürften Noten nicht verschenkt werden. Handwerkliche Berufe müssten sicher bleiben. Nach eineinhalb Stunden Diskussion zog Landrat Sibler ein positives Resümee der Veranstaltung: „Mir ist es wichtig, dass wir im Gespräch bleiben.“