Jeder fünfte Viertklässler kann nicht richtig lesen
Projekt „Deggendorfer Lesefüchse“ hilft beim Lernen: Ehrenamtliche suchen Verstärkung

19.01.2024 | Stand 19.01.2024, 11:00 Uhr

Projektstart der „Deggendorfer Lesefüchse“ mit (v.l.) Günther Pammer, Yvonne Pletl-Schäfer, Petra Schwankl, Bernd Sibler, Christiane Niedermeier und Helmut Habereder. − Foto: Franziska Geer

Ohne Lesen zu können, kommt man im Alltag nicht besonders weit. Umso wichtiger ist es, dass Kinder bereits im Grundschulalter richtig lesen lernen. Doch längst nicht alle jungen Menschen werden ausreichend gefördert. Das Projekt „Deggendorfer Lesefüchse“ des Freiwilligenzentrums „mach mit“ will daran etwas ändern.

In Kooperation mit den Deggendorfer Grundschulen, der Stadt als Schulträger, dem Staatlichen Schulamt sowie dem Kinderschutzbund werden ehrenamtliche Lesepatinnen und Lesepaten gesucht, die Grundschüler aus Deggendorf beim Lesenlernen unterstützen. Vorgestellt wurde das neue Projekt am Mittwochmittag im Landratsamt Deggendorf.

In vielen Fällen ist Hilfe beim Lesenlernen auch bitter nötig: „Bayernweit ist es um die Lesekompetenzen erschreckend gestellt“, berichtet die leitende Schulamtsdirektorin Christiane Niedermeier. Im Freistaat könne etwa ein Viertel der Viertklässler nicht richtig lesen. Sie schätzt, dass es verglichen dazu im Bereich Deggendorf ein bisschen besser sei, weil es sich um ein ländliches Gebiet handelt und Leseschwierigkeiten vermehrt in Ballungszentren auftreten. Aber selbst dann wäre „jedes fünfte Kind viel zu viel“, sagt Niedermeier.

Schon jetzt gibt es einen Pool mit 15 Ehrenamtlichen



Um dem entgegenzuwirken, gibt es beim neuen Projekt der „Deggendorfer Lesefüchse“ mittlerweile schon einen Pool mit 15 Ehrenamtlichen. Die führen einmal wöchentlich für etwa 45 Minuten für Kinder mit Förderbedarf an deren Grundschule eine Lesestunde durch. „Aber wir brauchen mindestens nochmal so viel Freiwillige und noch mehr“, erzählt Petra Schwankl vom Freiwilligenzentrum. Damit die Ehrenamtlichen sich gut aufgehoben fühlen, gibt es beim Freiwilligenzentrum zu Anfang ein Vorstellungs- und fachliches Einführungsgespräch, in dem sich Interessierte und Projektorganisatoren kennenlernen können. Auch danach werden die Ehrenamtlichen vom Zentrum fachlich und organisatorisch betreut, unter anderem mit Seminaren zur Kommunikation und dem Umgang mit Kindern.

Aufseiten der Grundschulen kümmert sich die Schulsozialarbeit um die Koordination und die Unterstützung der Ehrenamtlichen. Zusammen mit den Lehrkräften wählt die Schulsozialarbeit außerdem mit Einverständnis der Eltern die Lesekinder aus, bei denen Förderbedarf besteht. Für diese finden dann im Rahmen des Projekts Lesestunden in den Räumlichkeiten der jeweiligen Schule statt. Hierbei soll das Prinzip der Individualförderung gelten, mit in der Regel ein bis drei Kindern pro Lesepate. Die Lesestunden finden an den kooperierenden Grundschulen Angermühle, Mietraching, St. Martin, Theodor-Eckert und der Grundschule Seebach statt. Dort bildet die ergänzende Leistung der Lesefüchse einen wichtigen Bestandteil der Arbeit vor Ort, findet der Leiter der Grundschule Theodor-Eckert, Helmut Habereder. Denn auch er habe bei den Kindern schon bemerkt: „Lesen funktioniert nicht mehr wie früher“.

Dass Kinder nicht gut lesen können, hat verschiedene Gründe



Dass Kinder trotz der enormen Wichtigkeit nicht gut lesen können, kann verschiedene Gründe haben. Laut Yvonne Pletl-Schäfer, der Vorsitzenden des Kinderschutzbundes, tun sich oft Kinder mit Migrationshintergrund aufgrund der Sprachbarriere schwer, besonders wenn auch die Eltern wenig oder gar kein Deutsch sprechen. Zudem sei auch die übermäßige Nutzung moderner Medien in den Familien ein Risiko für Leseschwierigkeiten. „Handy und Tablet nehmen einen viel zu breiten Raum ein“, meint Christiane Niedermeier. Dabei werde es dann schwer, soziales Interagieren, Sprache und Kommunikation zu erlernen, „geschweige denn Leseförderung“. Und auch Corona hat zu den Leseschwierigkeiten der Kinder beigetragen. „Lesen war ganz schlimm infolge der Pandemie“, berichtet Yvonne Pletl-Schäfer. Der zweite Bürgermeister Günther Pammer sieht auch den Zeitfaktor als Grund dafür, dass in den Familien weniger gelesen wird. Gerade deshalb sei es auch wichtig, mit den Lesestunden einen Ausgleich zu schaffen.

Bei dem Projekt soll es aber nicht nur um das Erlernen von Kompetenz, sondern auch einfach um Freude am Lesen gehen, da sind sich die Organisatoren einig. Schließlich „erschließt Lesen fremde Welten, ist schön und regt die Fantasie an“. Und nicht nur die Kinder profitieren von den Lesepatenschaften. Von den bereits aktiven Ehrenamtlichen höre man, dass auch von den Kinder viel zurückkäme, erzählt Petra Schwankl. Es handelt sich um ein „sehr sinnstiftendes Ehrenamt“, meint auch Landrat Bernd Sibler, und das sei gerade heutzutage relevant, wo viele Menschen Sinn suchen.

Diese Voraussetzungen muss man als Lesepate mitbringen



Um Lesepate zu werden, muss man keine pädagogische Fachkraft sein. Wichtig ist, dass man gut mit Kindern umgehen kann und selbst Freude am Lesen hat. Außerdem erhalten Lesepaten einen kostenlosen Ausweis für die Stadtbücherei Deggendorf, mit dem Bücher für die Lesestunden ausgeliehen werden können. Für die Fahrtwege der Ehrenamtlich gibt es einen finanziellen Zuschuss vom Kinderschutzbund. Interessierte an einer Lesepatenschaft können sich an das Deggendorfer Freiwilligenzentrum „mach mit“ wenden.