Pianist Aeham Ahmad im Kapuzinerstadl
Musik und Texte als Botschaft für Trauer, Sehnsucht, Freude und Hoffnung

23.10.2023 | Stand 23.10.2023, 11:00 Uhr
Josefine Eichwald

Pianist Aeham Ahmad (r.) mit Jürgen Weng (l.): Mit den Worten „Mein Hocharabisch ist nicht so gut“, bat dieser Ahmads Frau Tahani Munawar als Übersetzerin auf die Bühne.  − Foto: Eichwald

Aeham Ahmad ist endgültig angekommen. Seit einem halben Jahr haben der 35-Jährige und seine Frau Tahani Munawar einen deutschen Pass. Aber die Verbindung in die Heimat Syrien, ist, seit der Pianist 2015 nach Deutschland flüchtete, nie abgerissen.

Nach wie vor hat er über die sozialen Medien täglich Kontakt mit Freunden und Bekannten in Syrien. Daraus entstanden ist das zusammen mit dem Autor Andreas Lukas verfasste Buch „Taxi Damaskus“, erschienen 2021; darin beschreibt der Taxifahrer Ahmed Geschichten, Begegnungen und Hoffnungen aus dem Kriegsalltag.

Jürgen Weng hatte Passagen aus „Taxi Damaskus“ bei der Amnesty-International-Veranstaltung anlässlich der „Wochen der Begegnung“ am Samstagabend ausgewählt: Er verknüpfte Momente, die, wie es Aeham Ahmad formuliert, „nicht immer zeigen, wie etwas beginnt oder begonnen hat, und häufig offen lassen, was auf den Moment folgt...“ Episoden, die ob der Bildhaftigkeit ihrer Beschreibung betroffen machen: Wie die von einer der Geschäftsstraßen von Damaskus, in denen nach einem Bombenangriff ein Lebensmittelhändler in den Trümmern seines Ladens starb, von Kriegswaisen in Aleppo, die versucht haben, sich umzubringen, aus Angst, dass sie den nächsten Bombenangriff nicht mehr ertragen könnten, oder von der Frau, die nach drei Jahren Gefängnis entlassen wurde, nun ins Taxi steigt und zu Bekannten in die Stadt Duma will. Ob sie den Kontrollposten, der dem Taxi Ahmads die Weiterfahrt versagt, mit einem größeren Geldschein bestechen kann, erfahre der Leser im Buch, hielt Weng mit der Lesung inne.

Ebenso berührend wie die eindrücklich beschriebene zerstörte Szenerie in Syrien sind die Beiträge von Aeham Ahmad am Flügel. Die manchmal jungenhafte, augenscheinlich unbekümmerte Freude des Pianisten, der anfangs und fast nach jedem Beitrag die Hände gefaltet nach oben reißt, und immer wieder beide Hände links und rechts auf den eigenen Kopf legt, verbindet musikalisch Kontinente und Herzensangelegenheiten,. Der dreifachen Familienvater will, „dass Muslime, Juden und Christen gemeinsam Musik machen“.

In der Musik des Pianisten liegt viel Hingabe



Viel Hingabe liegt in seinen künstlerischen Darbietungen, in denen sich Trauer, Melancholie und Verzweiflung mit Lebensfreude, Herzlichkeit und Optimismus mischen. Für seinen zweiten Auftritt in Deggendorf – der erste, als er seine Autobiografie „… Und die Vögel werden singen“ vorgestellt hat, ist vier Jahre her – hat er Stücke von Beethoven („Für Elise“), „Freude schöner Götterfunken“ oder „Die Gedanken sind frei“ gewählt, aber auch das „Rondo alla Turca“ von Mozart oder das „Concerto Nr. 3 von Rachmaninow. Die Interpretationen bleiben nie pur, Ahmed kombiniert mit arabischen Passagen und arabisch-gesanglichen Einsprengseln. In einem Sprechgesang nach Mahmoud Darwisch geht es um die Heimat, den Wunsch nach einem sicheren Zuhause.

Bereits seit 2015 hat Ahmad den internatonalen Beethoven-Preis für Menschenrechte, diesmal kam er just aus San Remo, wo ihm am Vorabend der Yorum-Preis des renommierten Tenco-Club verliehen worden ist, weil er sich für die Meinungsfreiheit und die Verteidigung der Menschenrechte einsetzt. Die 140 Zuhörer im Kapuzinerstadl waren beeindruckt und kosteten anschließend das opulente Buffet, das, wie Integrationsbeauftragter Oliver Antretter sagte, ein knappes Dutzend Frauen vom Internationalen Sprachenstammtisch im Foyer aufgebaut hatten.