Deggendorf
Letzte Ruhe auf der Rusel: Vierter „Stiller Wald“ Deutschlands soll dort entstehen

28.11.2022 | Stand 19.09.2023, 2:57 Uhr

Die letzte Ruhestätte im Wald zu finden, wünschen sich viele Naturbegeisterte. Staatsforsten und Stadt nehmen jetzt die Planungen für einen „Stillen Wald“ auf der Rusel in Angriff – es ist der vierte in Deutschland. −Foto: Archiv Bayerwaldbote

Auf der Rusel ist man der Natur und dem Himmel nah. Dort oben im Schatten eines Baumes, eines Strauches oder vor einem Felsen begraben zu sein, wird bald möglich sein. Staatsforsten und Stadt planen am Ruselabsatz auf zunächst 50 Hektar einen „Stillen Wald“ – der vierte in Deutschland.



Der Stadtrat stimmte am Montag einstimmig dafür. Jetzt geht es an die Details. Am Deggendorfer Friedhof kann man schon jetzt die Asche Verstorbener unter Bäumen beerdigen. Die Staatsforsten wollen dieses Angebot ergänzen und eine weitere Möglichkeit schaffen, die Asche in biologisch abbaubaren Urnen in der Natur beizusetzen. Der Stadt kommt das sehr gelegen, denn am Friedhof sind schon viele Bäume belegt.

Deutschlands erster „Stiller Wald“ – so nennen die Staatsforsten ihre Friedwälder – ist der in Mittenwald am Unteren Kranzberg, zwischen Schloss Elmau und Schloss Kranzbach gelegen, mit einer fantastischen Aussicht auf das Wettersteinmassiv. Ganz so spektakulär ist die Lage auf der Rusel zwar nicht, doch Naturbegeisterte geraten auch angesichts des Deggendorfer Hausbergs ins Schwärmen. Ursprünglich waren in ganz Bayern nur drei „Stille Wälder“ geplant. Auf Wunsch von Oberbürgermeister Christian Moser und auf Vermittlung von Forstbetriebsleiter Jürgen Völkl wurde Deggendorf per Aufsichtsratsbeschluss aber auch noch in diese Runde aufgenommen.

Bernd Vetter von den Bayerischen Staatsforsten (BaySF) stellte dem Stadtrat am Montag die Pläne für diesen Naturfriedhof vor. Ins Rathaus waren auch Jürgen Völkl, dessen Stellvertreter Markus Würstl und Andrea Wloka gekommen.

Waldfläche muss zu einem Friedhof gewidmet werden



Warum befassen sich Förster überhaupt mit Friedhöfen? Vetter erklärte das so: „Das ist ein starker gesellschaftlicher Trend und fügt sich nahtlos in unserer naturnahe Bewirtschaftungsweise ein.“ Welche Voraussetzungen gibt es? Die Waldfläche muss zu einem Friedhof gewidmet werden; die Grabplätze orientieren sich an Bäumen, Sträuchern und Felsen. Wichtig sei, dass nur biologisch abbaubare Urnen verwendet werden dürfen (ohne Kunststoff- und Metallteile), um keinen Fremdeintrag in den Boden zu riskieren. Grabsteine oder Grabschmuck sind tabu, schließlich soll der Wald in seiner Schönheit erhalten bleiben. Der „Stille Wald“ ist öffentlich zugänglich, wird aber durch eine Einfriedung erkennbar gemacht. Man kann die Grabstellen auf 25 bzw. 50 Jahre nutzen. Es wird Single-, Familien- und Gemeinschaftsbäume geben; außerdem Sternschnuppenbäume für Kinder bis zu drei Jahre. Eine kleine Gedenktafel wird die Namen und Daten der Verstorbenen enthalten.

Für den Betrieb des „Stillen Waldes“ durch die Staatsforsten ist eine Kooperationsvereinbarung mit der Stadt vorgesehen. Aufgaben des städtischen Standesamtes werden sein, ein Entgeltverzeichnis zu erstellen, Grabzuweisungsurkunden auszustellen und ein
Bestattungsverzeichnis mit einem zusätzlichen Kataster zu führen. Die Staatsforsten stellen die Flächen bereit, stellen die Infrastruktur her (z.B. eine Möglichkeit zur Andacht), übernehmen Organisation und Friedhofsbetrieb, Waldpflege, Verkehrssicherung, arbeiten Verträge und Rechnungen aus.

Projektstandort „ideal“



Der Deggendorfer Projektstandort „Winterleite“ ist aus Sicht von Bernd Vetter ideal. Strukturreich, mit interessanten Baumarten, verkehrsgünstig und stadtnah gelegen und mit bereits vorhandenen Wegen, die die Staatsforsten ergänzen und pflegen werden. Selbst eine Toilette ist im Ruselfunktionshaus schon vorhanden. Ziel sei ein dauerhafter Friedhofsbetrieb. „Eine spätere forstwirtschaftliche Nutzung ist nicht denkbar“, versicherte Vetter. Und: „Die Bestattung übernehmen Unternehmen.“ Geplant ist der „Stille Wald“ im Anschluss an den nördlichen Parkplatz.

Die Stadträte waren quer durch alle Fraktionen begeistert. Das Votum fiel einstimmig aus. Nach diesem grundsätzlichen Ja-wir-wollen werden nun die Details ausgearbeitet.