Digitalisierung der Justiz
"Das wird Verfahren verkürzen": Landgericht Deggendorf stellt auf E-Akte um

24.10.2022 | Stand 19.09.2023, 4:45 Uhr

Per Videokonferenz war der bayerische Justizminister Georg Eisenreich nach Deggendorf zugeschaltet. Thema war die elektronische Akte, deren Einführung (v.r.) Robert Wunderer, Landgerichts-Präsidentin Gisela Schwack und Lisa Grindinger erläuterten. −Foto: Michaela Arbinger

Das Landgericht Deggendorf stellt in Zivilsachen auf die elektronische Akte um. Justizminister Georg Eisenreich versprach: Das werde "Entlastung bringen und die Verfahren verkürzen".



"Gürteltiere" werden an Gerichten mit Gurten umspannte Akten genannt. Sie wurden durch die Amtsgänge gerollert, durchgeackert, mit Post-its markiert und auf Richtertischen zu einschüchternden Bergen aufgetürmt. Damit ist Schluss, denn das "Gürteltier" hat den nächsten Evolutionsschritt getan. Als 20. Landgericht in Bayern hat Deggendorf am Montag auf die elektronische Akte umgestellt.

Wenn es schon um die Digitalisierung der bayerischen - und im Besonderen der Deggendorfer - Justiz geht, dann aber richtig. Konsequenterweise wurden Justizminister Georg Eisenreich und der Präsident des Oberlandesgerichts München, Dr. Hans-Joachim Heßler, am Montag aus München per Videokonferenz in den Sitzungssaal zugeschaltet. Am Richtertisch hatten Landgerichts-Präsidentin Gisela Schwack, Pressesprecherin Lisa Grindinger und Robert Wunderer vom IT-Servicezentrum der bayerischen Justiz Platz genommen.

10.000 Gerichtsverhandlungen in Bayern per Video geführt

Georg Eisenreich betonte, die bayerische Justiz komme bei der Digitalisierungsinitiative gut voran. Nicht nur die E-Akte in Zivilsachen sei ein Thema. Es gehe beispielsweise auch um den elektronischen Rechtsverkehr oder Videoverhandlungen; über 10.000 Verhandlungen seien bayernweit 2021 bereits per Video geführt worden.

Bis Ende 2025 muss die E-Akte an den 22 Landgerichten und drei Oberlandesgerichten in Bayern eingeführt sein. "Wir wollen und werden das aber früher schaffen. Bis Ende des Jahres werden alle in erstinstanzlichen Zivilsachen elektronisch arbeiten", gab der Minister als Ziel aus. Neben Deggendorf sind bereits Landshut, Regensburg, Coburg, Ingolstadt, Weiden, Hof, Amberg, Würzburg, Memmingen, Ansbach, Nürnberg-Fürth, Passau, Kempten, Bamberg, Schweinfurt, Traunstein, München I, Augsburg, Bayreuth sowie die Oberlandesgerichte München und Nürnberg elektronisch unterwegs.

Die Vorteile der E-Akte

Für Deggendorf heißt das: Was seit Montag am Landgericht an Verfahren ankommt, wird papierlos geführt. Der Vorteil? "Die E-Akte wird Entlastung bringen und die Verfahren verkürzen, weil mehrere Prozessbeteiligte die Akten gleichzeitig bearbeiten können", erklärte Georg Eisenreich. Wie reibungslos das funktioniert, demonstrierte im Anschluss Robert Wunderer, der eine Muster-Akte auf dem Bildschirm aufploppen ließ und durchspielte, was Prozessbeteiligte damit anfangen können.

Auch Landgerichts-Präsidentin Gisela Schwack ist von den Vorteilen der E-Akte überzeugt. Weil Papier gespart werde, sei diese Technik zudem auch die ökologischere Variante. Schwack betonte: "Was noch an Akten da ist, wird auch in Papierform abgeschlossen." In Deggendorf seien zwei Säle mit der entsprechenden Technik ausgestattet worden – unter anderem mit mehreren Bildschirmen am Richtertisch. Pro Saal belaufen sich die Kosten laut Minister Eisenreich auf durchschnittlich 20.000 Euro; pro Arbeitsplatz kommen 2000 Euro dazu. Der Minister dankte der Deggendorfer Präsidentin dafür, dass sie ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung mitgenommen habe.

Einen "Kulturwechsel" nannte der Präsident des Münchner Oberlandesgerichts, Dr. Hans-Joachim Heßler, die Umstellung auf die elektronische Akte. Beim "Abschied vom Papier" wünschte er "alles Gute, viel Spaß und viel Geduld".