Archäologentagung in Deggendorf
Festvortrag über mittelalterliche Stadtgründungen

29.04.2024 | Stand 29.04.2024, 11:00 Uhr
Josefine Eichwald

Die Redner des Archäologentags: Bezirksrätin und dritte Bürgermeisterin Deggendorfs, Renate Wasmeier, Landrat Bernd Sibler, Dr. Walter Irlinger vom Denkmalamt, Prof. Dr. Bernd Päffgen, Gesellschaft für Archäologie, Bezirksheimatpfleger Dr. Clemens Knobling, Festreferent Dr. Jochen Haberstroh, Dr. Isabella Denk, Landshuter Stadtarchäologie, Dr. Thomas Richter, Landshuter Kreisarchäologe, Referatsleiterin Denkmalamt Dr. Ruth Sandner, Dr. Alois Spieleder, Passauer Kreisarchäologe, Deggendorfs Kreisheimatpfleger Florian Jung und Dr. Ludwig Husty, Kreisarchäologe Straubing-Bogen (v.l.). − Foto: Eichwald

Von Josefine Eichwald

„Die Archäologie erzählt mehr als andere Quellen“, was mittelalterliche Stadtgründungen angeht. So lautet das Fazit von Dr. Jochen Haberstroh. Der Hauptkonservator am Landesamt für Denkmalpflege in München war Festredner beim 42. Niederbayerischen Archäologentag am Freitag in der Deggendorfer Stadthalle.

Insgesamt sei der Aspekt „Zur Archäologie mittelalterlicher Stadtgründungen“ in Bayern noch nicht so beackert wie beispielsweise in Südwestdeutschland, in der Schweiz, in Köln, Soest, Lübeck. Oder auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt; Dort habe man sich im Zuge der Städtesanierungen in den 1990er Jahren damit befasst. „Beim Niederbayerischen Archäologentag wurde bei 360 Vorträgen das Thema nur acht Mal im engen Sinn behandelt“, so der Referent.

Deggendorf als Gründungsstadt der Staufferzeit



Mit seinem Einstiegsbild, dem „Idealtyp eines Stadtgrundrisses von Deggendorf“, weckte Dr. Haberstroh das Interesse an seinem knapp einstündigen Vortrag. Deggendorf, eine Gründungsstadt der Staufferzeit, in Bayern die Wittelbacher, steht auch für Chancen und Risiken bei der frühindustrialisierten Stadtentwicklung: Hier sah Dr. Haberstroh viele Anknüpfungspunkte. Im Weiteren unterstrich er vor mehr als 250 Interessierten in der Stadthalle, „wie unter solchen Bedingungen Städte gegründet wurden“, differenzierte zwischen Zentralort, Burg oder Stadt und lenkte u.a. den Blick auf Residenzstädte wie Straubing, Landshut, Ingolstadt oder München, wobei er neben Siedlungen mit mehreren zentralen Funktionen – vom Straßenmarkt bis zum Handwerk – auch auf polyzentrische Wurzeln hinwies, wie in München mit einem Isarübergang nördlich der Ludwigsbrücke. Generell gilt, dass Mauern, eng oder weit bemessen, weithin sichtbares Dokument des Rechtsraums waren, so der Referent, der im Übrigen darauf verwies, dass auch Kirchen den Erfolg einer Gründung nicht garantieren konnten.

Bürger besuchten „Otzi“ in der Münchner Staatssammlung



Landrat Bernd Sibler, wie Bezirksrätin Renate Wasmeier frisch vom Frühlingsfest-Auftakt gekommen, hatte sich vor seinem Grußwort noch eine Fahrt mit dem Riesenrad gegönnt. Er betonte, wie relevant es ist, Menschen, die das Thema Archäologie zunächst mit Distanz sehen, dafür zu begeistern. Sein Beispiel: Die Gruppe von Bürgern aus Otzing, die er seinerzeit noch in die alte Staatssammlung nach München zum „Otzi“ begleitet hat, und die sich dies mit Stolz und Staunen vergegenwärtigt haben. Zudem verwies Sibler auf Künzing samt dem Kastell, das die Römer vor etwa 1900 Jahren errichtet haben, ein Teil des bayerischen Donaulimes, seit Juli 2021 Teil des UNESCO-Welterbes „Grenzen des römischen Reiches“.

Das vor einem Jahr geänderte Denkmalschutzgesetz ermögliche es, den Kommunen auch mehr Geld bereitzustellen, wie etwa in Stephansposching, wo ausgerechnet in einem Baugebiet namens „Urfeld“ Funde gemacht wurden.

800 bis 900 Ausgrabungen im Jahr



„Wer die Enge seiner Heimat, begreifen will, der reise, wer die Enge seiner Zeit ermessen will, der studiere Geschichte“. Nach den Worten von Bezirksrätin Renate Wasmeier, die sich auf das Tucholsky-Zitat stützte, „schafft die Archäologie beides“. Wasmeier, die auch OB Dr. Christian Moser vertrat, versprach, dass der Bezirk wie seit 20 Jahren den Archäologentag immer weiter fördert, „und die Stadt Deggendorf wird sich beteiligen“.

Mit Freude ergriff Dr. Walter Irlinger vom Landesamt für Denkmalpflege da das Mikrofon. „Die Statements zeigen, dass wir angekommen sind und dass wir Förderer haben.“ Das im vergangenen Juli endlich aktualisierte Denkmalschutzgesetz sei wichtig für die kommunale Archäologie, hob Dr. Ilinger hervor, der von 800 bis 900 Ausgrabungen im Jahr sprach. „Endlich hat Bayern auch ein Schatzregal, Funde aus der gesamten Grabung bleiben in der Region: Archäologie ist Identität für eine Region.“

Erinnerung an verstorbenen Dr. Karl Schmotz



Durch nahezu alle Reden, besonders die der Organisatoren, Dr. Thomas Richter, Kreisarchäologe Landshut, und Dr. Ludwig Husty, Kreisarchäologe Straubing-Bogen, zogen sich bewegende und persönliche Erinnerungen an den „Vater des Niederbayerischen Archäologentages“, Dr. Karl Schmotz, der heuer am 25. Februar verstarb. Demnächst erscheint die Summe seines Lebenswerks, eine voraussichtlich 1000 Seiten starke, reich bebilderte Abhandlung in zwei Bänden über die archäologische Forschung und Denkmalpflege im Kreis Deggendorf. Sie kann über den Deggendorfer Kreisarchäologen FiedlerS@lra-deg.bayern.de vorbestellt werden.