Kos – Die Insel des Hippokrates

11.03.2024 | Stand 12.03.2024, 11:25 Uhr

Auf einem Plan zeigt Touristenführer Ioannis Sakavaras im Asklepieion von Kos den Aufbau der antiken Heil- und Kultstätte. − Fotos: Carolin Federl

Malerisch gelegene Bergdörfer, historische Stätten und authentische lokale Kulinarik, all das bietet die griechische Insel Kos, auf der
man zudem auf den Spuren des „Vaters der Medizin“ wandeln kann.


Enge, kurvige Straßen führen hinauf in Richtung Dikeos-Gebirge. Am Fahrbahnrand fressen Ziegen die Baumrinde von den Zypressen. Der lizenzierte Fremdenführer Ioannis Sakavaras steuert den Wagen mit den deutschen Touristen routiniert die Berghänge hinauf. Auf dem Weg zum Ziel – dem Bergdorf Zia – passiert die Gruppe mehrere verlassende Dörfer. Die Landflucht hat hier voll zugeschlagen. Die wenigen Einwohner, die noch in den Bergdörfern leben, versuchen ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft zu verdienen. „Nur Zia hat sich als einziges der Bergdörfer an den Tourismus angepasst“, sagt Ioannis Sakavaras.

Besuchern entgeht das freilich nicht. Ein bunter Souvenir-Shop reiht sich in den pittoresken Gassen an den nächsten. Und doch mutet der kleine Ort mit den weiß getünchten Häusern in traditionellem Stil und den zahlreichen blauen Haustüren, Fensterläden oder Treppen authentisch griechisch an.

Ein weiterer Grund, der Zia zu einem so attraktiven Touristenziel gemacht hat, ist seine malerische Lage mit atemberaubenden Aussichten. Auf etwa 350 Metern ist Zia der am höchsten gelegene Ort der griechischen Insel Kos. Von dort eröffnet sich ein Ausblick auf weite Teile von Kos, die benachbarten Inseln und – bei guter Sicht – sogar bis nach Bodrum in der Türkei. „Eine Überfahrt mit der Fähre von der Stadt Kos nach Bodrum dauert nur 45 Minuten“, erzählt Ioannis Sakavaras.

Der berühmteste Sohn der Insel und die Heilkunst

Der Touristenführer spricht perfektes Deutsch. Er ist in der Nähe von Leverkusen geboren und lebte bis zum Alter von etwa sechseinhalb Jahren in Deutschland, bevor seine Eltern, die als Gastarbeiter in die Bundesrepublik gekommen waren, mit ihm wieder zurück nach Griechenland gingen. Seit 1999 arbeitet er als lizenzierter Fremdenführer für Griechenland, seit 2011 lebt er auf Kos. „Ich fühle mich gesegnet, für meinen Lebensunterhalt das zu tun, was ich wirklich liebe: Reisen und den Menschen meine Heimat näherbringen“, sagt er.

Und das kann er richtig gut, wie er auch im Asklepieion von Kos beweist. Dabei handelt es sich um die bedeutendste archäologische Stätte auf Kos, oder – wie Ioannis sagt – um „eine der wichtigsten Ausgrabungsstätten Griechenlands.“ Die Heil- und Kultstätte war Asklepios, dem Gott der Heilkunst, gewidmet und wurde 1902 von dem deutschen Archäologen Rudolf Herzog entdeckt und freigelegt. „Dieser Ort war ein Pilgerort“, sagt Ioannis Sakavaras. „Menschen, die geheilt werden wollten, kamen hierher. Die Priesterärzte, die sich in der Antike um die Kranken kümmerten, nannte man Asklepiaden“, erklärt er. „Hippokrates und seine Familie stammten von solchen Priesterärzten ab – auch wenn das Asklepieion auf Kos erst nach Hippokrates’ Tod erbaut wurde.“

Der griechische Heilkundige, der als berühmtester Arzt des Altertums gilt und nach dem auch der hippokratische Eid – das ärztlich moralische Gelöbnis – benannt ist, ist der wohl berühmteste Sohn von Kos. Er wurde um 460 vor Christus auf der Insel geboren – „etwa dort, wo sich heute die Kleinstadt Kefalos befindet“, sagt Ioannis Sakavaras.

Das Asklepieion bestand aus drei Terrassen, erklärt der Guide. Auf der ersten widmeten sich die Ärzte dem Körper. „Es gab Wartezimmer, Diagnosekammern und die Patienten wurden Waschungen und Diäten unterzogen“, sagt Ioannis, der Gäste mit seinem immensen fundierten Wissen und seiner fesselnden Art zu erzählen in seinen Bann zieht. Die zweite Ebene mit Tempeln habe sich um den Geist der Kranken angenommen, auf der dritten Ebene stand die Seele im Mittelpunkt. Sogar Operationen seien in der Antike im Asklepieion durchgeführt worden. „Archäologen entdeckten einen Soldatenschädel, bei dem Wissenschaftler nach der Untersuchung eindeutig nachweisen konnten, dass in den Schädel nach einer Verletzung ein Stück Knochen aus der Hüfte eingesetzt worden war. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass die Person nach diesem Eingriff noch etwa 20 Jahre gelebt hat“, sagt Ioannis Sakavaras.

Die Insel Kos ist vulkanischen Ursprungs und verfügte über 13 heiße Quellen, von denen dem Touristenführer zufolge auch heute noch ein paar existieren – wie die Embros-Therme im Südosten der Insel. Die heißen Quellen waren prädestiniert dafür, für Heilbehandlungen eingesetzt zu werden. Daneben ist die fruchtbare Insel eine der wenigen, die über eigene Süßwasserquellen verfügt.

„Kos war zu Zeiten der Seidenstraße auch ein bedeutender Handelsplatz“, erklärt Ioannis Sakavaras. Die Seidenstraße war in der Antike der wichtigste Handelsweg zwischen Europa und China. Florierender Handel sei auch damals schon mit hohen Bevölkerungszahlen einhergegangen, wie der Touristenführer auch anhand eines Vergleichs zeigt: „Zur Hippokrates-Zeit lebten auf Kos rund 160000 Menschen. Heute hat die Insel etwa 20000 Einwohner.“

Kulinarik zwischen Wein, Thymianhonig und Oliven

Die Einheimischen – auch Koer genannt – sind sehr gastfreundlich. Das zeigt sich vor allem auch bei lokalen Produzenten, die Touristen gerne einen Blick hinter die Kulissen ihrer Produktion gewähren. Wie zum Beispiel in der Honigfabrik Melissa in Kefalos bei Familie Drossos, die seit Jahrhunderten in der Honigproduktion tätig sind. Bei einer Führung mit Verkostung erfährt man, dass der aromatische Thymianhonig besonders typisch für die Insel Kos ist, während Pinienhonig die am meisten produzierte Honigsorte Griechenlands ist.

Das Weingut Akrani ist das größte Weingut auf Kos. Den Familienbetrieb gibt es seit 1996. Die beiden Weinliebhaber Antonis und Mary Triantafyllopoulou hatten damals die Vision, den Weinanbau auf Kos wiederzubeleben – und das haben sie getan. Im Ort Asfendiou, wo es schon in der Antike Weinreben gegeben hat, bauen sie auf zehn Hektar Fläche ihre Weinreben an. Etwa 60 Tonnen Wein produzieren sie pro Jahr – und probieren dabei alte Techniken wieder aus. Bei einer Führung zeigt Mitarbeiter Michalis Skevofilax den Besuchern ein weißes, kugelrundes Fass. Es besteht aus Zement. Ein Material, das in der Weinindustrie ganz neu ist. „Oder besser gesagt, es wird gerade aus der Vergangenheit wieder reaktiviert“, erklärt der Winzer. „Früher, als es noch keine Stahltanks gab, haben die Leute Zement oder Beton für ihre Weinfässer genommen. Wir probieren diese alte Technik jetzt wieder aus. In einem Zementfass kann ein fruchtigerer, milderer Wein entstehen“, sagt Michalis Skevofilax.

Was darf bei einer kulinarischen Tour über die Insel Kos nicht fehlen? Natürlich die Oliven. Fast alle Familien auf der Insel besitzen Olivenbäume. „Meine Familie hat 680 Bäume“, sagt Touristenführer Ioannis Sakavaras. Alle zwei Jahre fährt er eine Olivenernte von etwa vier Tonnen ein. „Dazwischen brauchen die Bäume Erholung“, erklärt er. Ein Baum könne bis zu 180 Kilo Oliven tragen. Fünf bis acht Kilo Oliven brauche es für einen Liter Öl, sagt Ioannis und verrät: „Meine Familie mit dreieinhalb Personen verbraucht im Jahr 100 Liter Olivenöl.“

Wie die Herstellung von Olivenöl genau abläuft, kann man in der Presserei Hatzipetros in Linopotis sehen. Die Olivenernte auf Kos geht etwa von November bis März. Wer Öl pressen will, muss schnell sein. Maximal ein Tag darf zwischen Ernte und Pressung vergehen, sonst steigt der Säuregehalt in den Oliven. Gutes Olivenöl sollte einen Säuregehalt von 0,8 Prozent nicht überschreiten, erklärt Lisa Hatzipetros, die mit ihrem Mann Dimosthenis und Sohn Harry in dritter Generation die Presserei betreibt. Wer Platz im Koffer hat, sollte sich unbedingt ein paar Flaschen des Olivenöls der Familie Hatzipetros mitnehmen – und sich so den Geschmack der Insel Kos nach Hause holen.


INFORMATIONEN
Kos ist die drittgrößte Insel der Dodekanes-Gruppe und ein beliebtes Urlaubsziel. Die Insel hat eine Fläche von 290 Quadratkilometern. Idealer Reisezeitraum: Mai bis Juli und September/Oktober.

ANREISEN
Von München mit Zwischenstopp in Athen erreicht man Kos in fünfeinhalb Stunden.

ÜBERNACHTEN
Zum Beispiel im Neptune Luxury Resort, das nahe des Fischerdorfs Mastihari liegt. Die privatgeführte Ferienanlage erstreckt sich auf einer Fläche von 150000 Quadratmetern. Die Bungalows sind eingebettet in eine weitläufige Gartenanlage. Ein privater Sandstrand, ein Kinderland, die eigene Segel- und Surfschule, verschiedene Sporteinrichtungen, Spa und unterschiedliche Pool-Landschaften bieten eine Vielzahl an Aktivitäten. Großen Wert legt Geschäftsführer Wotan Paulus, ein gebürtiger Deutscher, auf Nachhaltigkeit in allen Bereichen. Das zeigt sich zum Beispiel in den Themengärten, die mit Blick auf den Schutz der Biodiversität angelegt wurden und für deren Bewässerung rückgespültes und gefiltertes Pool-Wasser verwendet wird;
www.neptune.gr/de

SEHENSWERT
•Asklepieion: Öffnungszeiten täglich von 8 bis 20 Uhr
•Honigfabrik und Café Melissa: www.melissa-kos.com
•Weingut Akrani in Asfendiou: www.ktimakrani.gr/en
• Olivenöl-Presserei Hatzipetros in Linopotis
•Tour mit Ioannis Sakavaras: www.kosprivatetours.com

https://kos.gr


Redakteurin Carolin Federl reiste auf Einladung des Neptune Luxury Resorts nach Kos und erlebte in der Ägäis ihre erste Segeltour mit einem Katamaran.