Die charmante Seite der Zugspitze

29.07.2023 | Stand 12.10.2023, 10:15 Uhr

Morgenstimmung in der Zugspitz-Region: Während sich über den moorigen Wiesen bei Lermoos in Tirol noch der Nebel hält, geht über dem Gipfel des 2962 Meter hohen Alpenmassivs die Sonne auf. −Fotos: Fischl

Bayern und Österreich teilen sich den höchsten Gipfel Deutschlands – die Zugspitze. Die Gegend rundherum zeigt sich vor allem in Tirol liebenswert natürlich.

Der Gipfel der 2962 Meter hohen Zugspitze ist zweigeteilt. Hier die bayerische Seite, deren goldenes Gipfelkreuz den höchsten Punkt der Bundesrepublik markiert, und dort die österreichische. Zwei Seilbahnen führen auf das erstaunlich überschaubare Fleckchen Berg, auf dem sich im Sommer wie im Winter täglich Hunderte Touristen drängen. Die jeweils andere Grenzseite ist durch einen gemeinsamen Gang verbunden.

Es steht sinnbildlich für die Region rund um den imposanten Alpengipfel, wie Bayern und Österreicher ihren Teil der Zugspitze jeweils gestaltet haben. Auf der bayerischen Seite gibt es zwar mit dem Max-Planck-Institut und dem Meteorologischen Turm wissenschaftliche Zentren. Doch aus touristischer Sicht regiert der Kommerz. Das Gipfelwirtshaus erinnert ans Münchner Hofbräuhaus, im Souvenirkiosk gibt’s heillos überteuerte Kuhglocken, Edelweiß-Anstecker aus Filz und anderen weiß-blauen Nippes.

Kuhglocken-Souvenir trifft auf interaktives Museum

Die Österreicher haben ein interaktives Museum auf den Berg gebaut mit imposanten Aussichtsplattformen, einem 3D-Kino und allerlei interessanten Stationen zur geologischen Entstehungsgeschichte des Alpenmassivs oder dem Erstbesteiger der Zugspitze – immerhin ein bayerischer Offizier. Der Vermessungsingenieur Joseph Naus und seine Begleiter erreichten am 27. August 1820 als Erste den Gipfel der Zugspitze. Eine Gastronomie gibt es natürlich auch. Diese bietet zum Beispiel Fondue-Abende vor Sonnenuntergangskulisse an.

Das Panorama ist auf beiden Seiten gleich imposant. Bei freier Sicht reicht der Blick vom Starnberger See über Hohe Tauern, Dolomiten und Silvretta-Gruppe bis hin zu den Allgäuer Alpen. Tiefblau sticht auf bayerischer Seite der Eibsee ins Auge. Doch so romantisch wie es von oben aussieht, so ernüchternd ist der Besuch vor Ort, zumal der Eibsee in Ferienzeiten gnadenlos überlaufen ist. Acht Euro Mindestparkgebühr und ein Euro pro Nase, wenn die Blase drückt – kann man mitmachen, muss man aber nicht. Denn auch im weiß-blauen Zugspitzgebiet lassen sich Routen finden, an denen man den Touristenmassen entgeht.

Gästefreundlicher im Vergleich: Auf österreichischer Seite bezahlt man an der Talstation der Zugspitz-Seilbahn fünf Euro Parkgebühr für den ganzen Tag – egal, ob es mit technischer Hilfe den Berg hinaufgeht oder zu Fuß.

Für Pia Heitzinger (52) ist Letzteres ohnehin die beste Art, die Region kennenzulernen. Seit 15 Jahren führt die Bergwanderführerin aus Reutte für die Alpinschule im Tiroler Zugspitzort Lermoos Gäste zu den schönsten Orten ihrer Heimat. Einer ihrer Lieblingsflecken ist die Tuftl Alm. Durch Bergwald geht es vom Ortskern in Lermoos aus in zwei Stunden 500 Höhenmeter hinauf auf die bewirtschaftete Hütte. „Eine ehrliche Alm ist das. Da weiß man, was man kriegt. Hier ist noch alles Handarbeit“, sagt Pia Heitzinger. Die durchtrainierte Krankenschwester holt sich ihren Käse am liebsten mit dem Mountainbike direkt bei Klaus Mairoser ab.

Der gelernte Metzger betreibt die Alm mit seiner Familie. Neben dem Tiroler Grauvieh, deren Milch er zu Käse und Butter verarbeitet, leben auch Schweine auf der Alm. Ihr Fleisch und das von geschossenem Wild aus dem Wald verarbeitet Klaus Mairoser zu Speck und Würsten, die sich auf dem Jausn-Brett wiederfinden.

Die nachhaltig-regionale Küche wissen nicht nur einheimische Gäste wie Pia Heitzinger zu schätzen, wie sich am bunten Stimmengewirr im Gastgarten zeigt. „Der Käse hat Kraft, darin stecken die Aromen aus der Heumilch von den Kräutern der Almen“, sagt Pia und beißt genussvoll in ein großes Stück. Seit die heimische Molkerei auf Heumilch umgestellt habe und nur mehr zweimal im Jahr gemäht werde, seien auch die Wiesen und Almen wieder gesünder geworden. „Da wachsen jetzt sogar wieder alte Wildkräuter-Sorten und besondere Orchideenarten.“ Ein lila blühendes Exemplar entdeckt Pia Heitzinger beim Abstieg von der Alm. Die bunten Almwiesen wecken Kindheitserinnerungen.

„Alle Welt erklimmt die Almen und Hütten“

Besonders gute scheint auch Benedikt Kössler zu haben. Der jüngste von drei Söhnen ist in seinen Heimatort zurückgekehrt und hat in dritter Generation eines der markantesten Häuser in Lermoos übernommen – den Ansitz Felsenheim. Das 1727 erbaute ehemalige Jagdschloss liegt oberhalb eines Moorgebiets mit direktem Blick auf die Zugspitze und das Wetterstein-Massiv. Ein Kraftort, den Sommerfrischler und Wintersportler schon immer zu schätzen wussten. Und den Benedikts Mutter Caroline, eine gebürtige Niederländerin, als junge Urlauberin lieben lernte – neben Vater Othmar, der das Leitungstrio komplettiert. Mit einem Blick fürs Detail und handwerklichem Geschick hat Othmar Kössler, ein Maler und Vergolder, das heruntergekommene Schloss in den vergangenen Jahrzehnten saniert und zu einem Appartementhaus umgebaut.

An den Alpengipfeln und vielen Bergseen rundherum und den Sport-Möglichkeiten hat Caroline Kössler trotz ihrer holländischen Flachland-Gene Gefallen gefunden. „Es gibt so viele Mountainbike-Strecken in der Gegend um Lermoos. Das war früher nur was für hartgesottene Sportler wie meinen Mann. Dank E-Bike fahre ich heute alles mit“, sagt sie lachend. „Alle Welt erklimmt inzwischen die Almen und Hütten.“

Bleibt zu hoffen, dass die Österreicher und ihre bayerischen Kollegen den touristischen Ansturm weiter zu leiten wissen. Damit die Zugspitz-Region noch lange so charmante und authentische Fleckchen zu bieten hat.


INFORMATIONEN

Die Zugspitz Arena Bayern-Tirol liegt auf deutscher und österreichischer Seite der Zugspitze und vereint die Regionen Tiroler Zugspitz Arena (mit den Orten Ehrwald, Lermoos, Berwang, Biberwier, Bichlbach, Heiterwang am See und Namlos), Garmisch-Partenkirchen und das Zugspitzdorf Grainau. Als markanter Gipfel thront die Zugspitze mit ihren 2962 Metern über der Destination und ist von bayerischer und Tiroler Seite mit Seilbahnen erschlossen. Die Region ist ein Paradies für Wanderer und Mountainbiker. Infos unter www.zugspitze.com und www.zugspitzarena.com.

ANREISEN

Über München mit dem Auto Richtung Garmisch-Partenkirchen und über die Grenze nach Tirol. Mit dem 49-Euro-Ticket (als Azubi ab September mit dem bayerischen 29-Euro-Ticket) kommt man mit der „Außerfernbahn“ der DB Regio bis zum Bahnhof Ehrwald auf Tiroler Seite.

ÜBERNACHTEN
2100 Gastgeber gibt es in der Region, vom Fünf-Sterne-Hotel bis zum Campingplatz. Der Ansitz Felsenheim etwa ist ein familiengeführtes Appartementhaus in Lermoos. Infos unter www.felsenheim.at.

WANDERZIELE
Tuftl Alm in Lermoos, auch Lermooser Alm genannt; verschiedene Wander- und MTB-Routen von Lermoos oder Ehrwald aus.

Seebensee im Sonnenspitz-Kessel, über den Hohen Gang zur Coburger Hütte. Ausgangspunkt: Talstation Ehrwalder Almbahn.

Hochthörle Hütte an der Nordseite der Zugspitze. Von der Talstation der Tiroler Zugspitzbahn führt ein Wanderweg zur Hütte und weiter zum Aussichtspunkt Eibseeblick.


Redaktionsleiterin Eva Fischl recherchierte mit Unterstützung der Zugspitz-Arena auf Tiroler und bayerischer Seite der Zugspitze.