Drei Angeklagte
Prozess um Sterilisation junger Männer: Urteil am Landgericht München ist gefallen

29.06.2023 | Stand 14.09.2023, 22:20 Uhr

Im Prozess um die Sterilisation zweier junger Männer hat das Landgericht München I Bewährungsstrafen für die drei Angeklagten verhängt. −Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Im Prozess um die Sterilisation zweier junger Männer hat das Landgericht München I Bewährungsstrafen für die drei Angeklagten verhängt.



Der Arzt, der beide Betroffene während Operationen an der Leiste sterilisierte, bekam am Donnerstag ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen vorsätzlicher und schwerer Körperverletzung.

Das Elternpaar, das seinen behinderten Sohn zu diesem Arzt brachte, bekam jeweils neun Monate auf Bewährung für Anstiftung zur schweren Körperverletzung.

„Bewusstsein, nichts Falsches zu tun“



Das Gericht glaubte dem Mediziner, dass es sich in einem Fall um ein Versehen handelte und er im zweiten Fall davon ausging, dass es ausreicht, wenn die Mutter des behinderten Patienten die Einwilligung zur Vasektomie unterschreibt.

Der Vorsitzende Richter Matthias Braumandl ging bei allen drei Angeklagten von einem „Bewusstsein, nichts Falsches zu tun“ aus. Er sah „keine kriminelle Energie“ und auch „keine Nähe zur NS-Rassenlehre“.

„Falsche Entscheidungen getroffen“



Für die Sterilisation eines Menschen, der unter Betreuung steht, gibt es - auch vor dem Hintergrund Hunderttausender Zwangssterilisationen zur Zeit des Nationalsozialismus - laut Bundesjustizministerium besondere gesetzliche Hürden, die in der derzeitigen Form seit 1992 gelten.

Laut Paragraf 1830 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist eine Sterilisation zum Schutz der betreuten Person möglich, wenn strenge Voraussetzungen erfüllt sind. Dafür muss laut Justizministerium auch ein extra Betreuer, ein sogenannter Sterilisationsbetreuer, eingesetzt werden. Und es muss einen Gerichtsbeschluss geben. Laut Deutschem Ärzteblatt genehmigen Betreuungsgerichte pro Jahr deutschlandweit rund 100 Sterilisationen.

„Es geht darum, dass hier einfach falsche Entscheidungen getroffen wurden“, sagte Braumandl. Entscheidungen müssten sich am Recht orientieren. Und dieses Recht habe eben diese hohen Hürden gezogen - „weil es auf den Erfahrungen eines zwölfjährigen Unrechtsregimes beruht“.

− dpa