Kiefersfelden
„Brenner-Slotlösung“: Auch Lkw-Fahrerin Christina Scheib skeptisch

Bekannte Fuhrunternehmerin befürchtet Chaos

18.04.2023 | Stand 18.04.2023, 12:34 Uhr

Über 80000 Menschen folgen Christina Scheib auf Instagram bei ihrem Alltag als Lkw-Fahrerin. Die geplante Slot-Lösung sieht sie kritisch. −Foto: privat

War die Euphorie verfrüht? Die Hoffnung, mit dem nun vollzogenen „Schulterschluss“ zwischen Bayern, Tirol und Südtirol könnte die Blockabfertigung bald Geschichte sein, teilen jedenfalls viele Kenner der Branche nicht. Nach dem Spediteur Georg Dettendorfer äußert nun auch die Lkw-Fahrerin und selbstständige Fuhrunternehmerin Christina Scheib ihre Kritik an der von der Politik geplanten „Slotlösung“. Diese sieht vor, dass sich Spediteure künftig digital ihren Platz für den Brennertransit buchen. Je nach Tag und Uhrzeit soll es ein limitiertes Kontingent geben.

Doch das sei „operativ gar nicht umsetzbar“, so Scheib, die Frauenbeauftragte beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung Süd (BGL) ist. „Wenn ich nur an den Aspekt denke, wie wir Fahrer und Fahrerinnen sowieso schon unter Zeitdruck stehen, um pünktlich an unseren Ablade- bzw. Ladeort zu sein, und auch diese Termine durch den stetigen wachsenden Verkehr oder unvorhersehbare Unfälle fast nicht einhalten können, sehe ich auch hier die Gefahr, dass diese festen Slot-Termine nicht eingehalten werden können.“

Scheib, die auf Instagram regelmäßig über ihren Alltag als Fahrerin berichtet, hat außerdem Sicherheitsbedenken und befürchtet „noch mehr Chaos“ als es bereits jetzt gibt – im schlimmsten Fall stehen dann Lkws auf zwei Fahrspuren. „Bei einem Verkehrsunfall kann hier vermutlich keine Rettungsgasse gebildet werden. Und im schlimmsten Falle können hier auch Menschenleben auf dem Spiel stehen“, so Scheib, die weiterhin nur eine Lösung sieht: „Die Abschaffung der Fahrverbote und das Nachtmautverfahren für uns Lkw-Fahrer und Fahrerinnen.“ Denn nur das werde den Verkehr über den Brenner entzerren.

Diese Meinung teilt Scheib mit Sebastian Lechner, Geschäftsfüher des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). Er glaubt: „Das System verstößt unter anderem gegen EU-Recht, da es einen Eingriff in den freien Warenverkehr in der EU bedeutet.“ Durch die Beseitigung des kompletten Nachtfahrverbots wenigstens für die umweltfreundlichsten LKW Euro VI könne man hingegen die Verkehre wesentlich wirkungsvoller entzerren. „Durch das Slot-System würde man den permanenten Verstoß Tirols gegen EU-Recht dauerhaft akzeptieren und so Berufungsfälle für andere Regionen schaffen.“

Auch Lechner glaubt, dass der Buchungszeitraum nur selten genau eingehalten werden könne, der außerdem befürchtet, dass das System den Mittelstand gefährdet, da „Großkonzerne im Voraus massenweise Buchungen vornehmen werden und so kleinere Firmen, denen das nicht möglich ist, vom Markt verdrängt werden.“ Ungeklärt sei außerdem, was passiert, wenn die Inntal- und Brenneroute trotz gebuchtem Slot nicht befahrbar ist, wo „gestrandete“ Lkw parken können oder wie es mit dem Datenschutz aussieht.

Und schließlich: „In der Absichtserklärung werden die anderen Verbote, wie Nachtfahrverbot, Euroklassenfahrverbot und sektorales Fahrverbot ausdrücklich nicht erwähnt“, erinnert Lechner. „Wir hätten also im schlimmsten Fall nichts gewonnen und Tirol kann seine Verbots-Politik ungehindert fortsetzen.“

− jag