Gut Immling
Opernfestspiele: „Nabucco“ schickt ein Zeichen des Friedens

Verdis Oper gelingt bei den Festspielen auf Gut Immling im Chiemgau musikalisch hochklassig und treffsicher aktuell

03.07.2023 | Stand 14.09.2023, 22:09 Uhr
Brigitte Janoschka

Der Festivalchor von Gut Immling umrahmt Giorgi Chelidze als Zaccaria. −Fotos: Festspiele Gut Immling

Viele Facetten hat das Gut Immling während des gleichnamigen Festivals zu bieten – kulinarisch vor und nach der jeweiligen Veranstaltung oder in der Pause und kulturell in einem Theaterraum, der einer riesigen Scheune gleicht. 700 Menschen finden hier Platz und genießen jedes Mal ein ganz besonderes Flair. Wer die Premiere von Giuseppe Verdis Oper Nabucco mit der Erzählung um den alttestamentarischen Nebukadnezar erlebte, durfte mit einer wunderbaren Friedensbotschaft nach Hause gehen, untermauert vom Logo der Vereinten Nationen als Schlussbild auf der Bühnenrückwand.

Dort blitzte im Laufe der Handlung auf der festungsartig gestalteten Bühne als Ort gleichzeitig für den Tempel von Jerusalem und für Babylon (Kostümbild und Gesamtkonzept: Steven Koop) symbolisch das hebräische Wort für Frieden auf und während des Gefangenenchores der Hebräer eine Videoprojektion mit dem Meer und der Aussage: „Niemand verlässt sein Zuhause außer zu Hause.“ So ließ die Regisseurin Ini Gerath den Chor in die Rolle der heutigen Flüchtlinge schlüpfen, die über die verlorene Heimat sangen. Die Inszenierung rief die Bedeutung des Themas für die heutige Zeit ins Bewusstsein.

Dieses aktuelle Thema der Oper, zwar mit einem vorchristlichen Religionskrieg zwischen den Hebräern mit Jehova und den Babyloniern mit ihrem Gott Baal, handelt allgemein von Macht und Machtmissbrauch. Innerhalb dieses Konflikts zeigt sich aber auch indirekt die Psychologie eines familiären Konflikts zwischen dem Vater und König von Babylon Nabucco und den beiden Töchtern Abigaille und Fenena, der musikalisch von Verdi deutlich zum Ausdruck gebracht wird, besonders in den Arien der Abigaille (sehr ausdrucksstark: Trine Møller). Die hasserfüllte Frau, das ungeliebte Kind ihres Vaters, möchte dies durch die Übernahme von Macht und Krone kompensieren. Ihre zerbrochene Seele zeigte sie immer dann, wenn sie ihre Perücke abnahm und kahlköpfig ihre Rache-Pläne besang.

Ihre Schwester Fenena (Nutsa Zakaidze) ist aus Liebe zu Ismaele (lyrischer Tenor: Leonardo Sánchez) zum Judentum konvertiert und wohl der Katalysator dafür, dass der Kriegsmensch Nabucco (mit kraftvollem Bariton: Mamuka Lomidze) schließlich auch zu Jehova betet und die Juden aus ihrer Gefangenschaft befreit. Dass er zu Beginn in einem Militärmantel auftritt und schwarz gekleidete Menschen mit Schlagstöcken auf die Juden einprügeln, erweckt Assoziationen zum Nazireich. Der Hohepriester des Baal (Bass: Tair Tazhi) war rot gekleidet wie ein Teufel und wedelte bei der Enthauptungszeremonie, die nicht zu Ende geführt wird, mit goldenen Pompons. Auch der Hohepriester der Hebräer Zaccaria (Bass: Giorgi Chelidze) genügte in seinem Kostüm und den schwarzen Stiefeln dem Bild des Krieges.

Die musikalische Leitung oblag dem international gefragten Dirigenten Evan-Alexis Christ, der mit dem Festivalorchester, das Staatliche Kammerorchester Tiflis, und den Solistinnen und Solisten auf der Bühne, vor allem jedoch mit dem Festivalchor ein perfektes Gesamtklangbild erschuf.

Der Stoff aus einer vollkommen anderen Zeit, dargeboten von hervorragenden Solisten und Solistinnen, wurde treffsicher dargestellt. Die zwischenmenschlichen Probleme mit allgemeiner Gültigkeit kunstvoll in Szene gesetzt und nachvollziehbar gemacht. Kulturelles Erbe im aktuellen Kontext – das ist große Kunst, die mit Wort und Musik von Liebe und Tod erzählt.

Brigitte Janoschka