„Klimaschädlich“
Bund Naturschutz klagt gegen sechsspurigen Ausbau der A8 München-Salzburg

12.04.2024 | Stand 12.04.2024, 16:25 Uhr

Der Ausbau der A8 von Rosenheim bis zur Landesgrenze nach Österreich von bislang vier auf sechs Spuren plus Standstreifen wurde 2017 mit knapp 1,8 Milliarden Euro veranschlagt. − Symbolbild: Peter Kneffel/dpa

Nach wiederholten Ankündigungen einer Klage gegen den sechsspurigen Ausbau der A8 München-Salzburg macht der Bund Naturschutz (BN) ernst:



Der Verband erklärte am Freitag in München, am kommenden Montag beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern zum ersten Ausbauabschnitt der A8 einreichen zu wollen. Konkret betrifft dies den Abschnitt zwischen Achenmühle und Bernauer Berg im Landkreis Rosenheim. Prozessgegner ist die Bundesregierung, da der Autobahnausbau Sache des Bundes ist.

Nach Ansicht des BN weist der Beschluss erhebliche inhaltliche und formale Mängel auf: „Der gesamte A8-Ausbau ist das klimaschädlichste bayerische Projekt im Bundesverkehrswegeplan, das noch nicht umgesetzt ist. Zudem schädigt der Ausbau sensible Schutzgebiete und verursacht hohe Baukosten“, sagte Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BN, am Freitag in einer Pressekonferenz. Der BN hat nach der Einreichung der Klage zehn Wochen Zeit, diese gegenüber dem Gericht zu begründen.

Kostenschätzung vor sieben Jahren bei 1,8 Milliarden €

„Der geplante A8-Ausbau gleicht einem Straßenbau-Dinosaurier aus der Urzeit. Es wird keinerlei Rücksicht auf den Flächen- und Klimaschutz genommen“, fuhr Geilhufe fort. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) müsse solche völlig überdimensionierten Straßenbauprojekte auch im Hinblick auf die Kostenentwicklung stoppen und das frei werdende Geld in die Sanierung und Elektrifizierung des Bahnnetzes oder in die Sanierung maroder Brücken stecken.

Der Ausbau der A8 von Rosenheim bis zur Landesgrenze nach Österreich von bislang vier auf sechs Spuren plus Standstreifen war im Jahr 2017 mit knapp 1,8 Milliarden Euro veranschlagt worden. Die Kosten dürften laut BN mittlerweile deutlich höher liegen. Die Autobahn ist eine viel befahrene Strecke in Richtung Süden und gleicht derzeit wegen vieler Staus insbesondere in Ferienzeiten einem Nadelöhr. In großen Abschnitten stehen nur zwei Fahrspuren in jede Richtung und keine Pannenstreifen zur Verfügung.

Das Bundesverkehrsministerium geht den Angaben zufolge von einem zusätzlichen Klimagasausstoß von rund 36.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr für den gesamten Ausbau aus. Gründe dafür sind etwa der Mehrverkehr und der enorme Aufwand in Bau und Betrieb der Autobahn. Der BN prognostiziert noch deutlich höhere Emissionen, da viele klimaschädliche Aspekte wie Waldrodungen oder Bodenzerstörungen noch gar nicht eingerechnet seien. Der Ausbau widerspricht laut Verband auch den Klimaschutzzielen des Bundes – laut Klimaschutzgesetz müssen die CO2-Emissionen aus dem Verkehr zwischen 2020 und ’30 um fast 50 Prozent reduziert werden.

„Die Fahrbahnerweiterung auf sechs Spuren stellt eine Katastrophe für die Tier- und Pflanzenwelt und den Flächen- und Gewässerschutz dar. Die Einschätzungen im Bundesverkehrswegeplan zu den Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt basieren auf über zehn Jahre alten Kartierungen, das widerspricht den Methodenstandards des Habitat- und Artenschutzes“, sagte die Vize-Vorsitzende des BN, Beate Rutkowski aus Traunstein. 57 Hektar Boden würden allein für den Bereich von Rosenheim bis Bernau versiegelt.

Für 120-km/h-Tempolimit und einen „4+2-Ausbau“

Der BN fordert alternativ die Ausbauvariante „4+2“, also lediglich den Zubau von zwei Standstreifen, und zudem ein Tempolimit von 120 km/h. „Dies hätte erheblich geringere Eingriffe in Natur und Landschaft und eine geringere Klimawirkung zur Folge. Die Verbesserung der Verkehrsqualität im Vergleich zum jetzigen Zustand der A8 wäre völlig ausreichend“, führte Rainer Auer, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Rosenheim, aus. Diese Variante habe der Bundesrechnungshof auch im Abschnitt vom Chiemsee zur Bundesgrenze bevorzugt, um die Kosten zu senken. Ein monströser Ausbau im malerischen Voralpenland sei auch deswegen „absurd“, weil nach der Landesgrenze in Österreich eine zweispurige Autobahn und ein Tempolimit bestehen.

Die Erfolgsaussichten für die Klage sehen die BN-Verantwortlichen gut: „Wir überlegen uns wegen der Kosten und personellen Ressourcen sehr gut, wo wir klagen, und haben die Klage fundiert geprüft“, so Geilhufe auch mit Blick auf Klagen zum Wolf- und Fischotter-Abschuss, zum Neubau der Kampenwandseilbahn (wir berichteten) oder zum Kramertunnel bei Garmisch-Partenkirchen: „Das haben wir alles gewonnen.“ Der BN arbeite wieder mit einer versierte Anwaltskanzlei zusammen, „wie dann das Gericht entscheiden wird, haben wir natürlich nicht in der Hand“.

Die Schwächen und Mängel im beklagten Planfeststellungsbeschluss zum A8-Ausbau seien derart eklatant, dass der BN darin auch eine „Klimaschutz-Grundsatzklage“ sieht. Geilhufe verwies auf die jüngste Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, der das Menschenrecht auf effektiven Klimaschutz bestätigt habe. „Das sind nicht nur Empfehlungen oder warme Worte, sondern das müssen die nationalen Regierungen umsetzen. Insofern müssen sich die Verantwortlichen die Frage stellen, wie man es künftigen Generationen verkaufen möchte, beim A8-Ausbau eine solche Fehlentscheidung zu treffen.“ Der BN fordere Wissing zu einem Straßenbaumoratorium und einer Überprüfung aller Projekte im Bundesverkehrswegeplan nach Klima- und Naturschutzaspekten auf.

− dpa