Ruhstorf
Krasse Erhöhung: Sulzbacher sauer über hohen Wasserpreis

10.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:23 Uhr

Dass Wasser ein teures Gut ist, ist den Sulzbachern nun doppelt bewusst geworden: Der neue Wasserpreis pro Kubikmeter liegt brutto bei 4,17 Euro. Die genauen Gründe für die eklatante Erhöhung möchten Jürgen Seeberger (links) und Heinz Reitmeier gerne erfahren. Der 50-Euro-Schein ist übrigens wieder im Geldbeutel verschwunden und nicht im Wasser ertränkt worden. −Foto: Karin Seidl

Von Karin Seidl

Sie merken, ich bin aufgewühlt“, sagt Heinz Reitmeier. Saugrantig trifft‘s eher. Auf die Palme bringen den 48-jährigen Sulzbacher die neuen Wasserpreise des Zweckverbands Wasserversorgung Unteres Inntal. Statt 2,68 Euro brutto für den Kubikmeter Wasser müssen die Kunden jetzt 4,17 Euro zahlen. Er verlangt Erklärungen, Hintergründe und Belege, wohin das Geld fließt. Sowohl Ruhstorfs Bürgermeister Andreas Jakob, zugleich auch Verbandsrat im Zweckverband, als auch dessen Werkleiter Wolfgang Plinganser verstehen, dass diese Preiserhöhung zu „Irritationen“ führen und erklären, weshalb sie unumgänglich sind.

Zu sechst sitzen sie im Sulzbacher Sportstüberl, Broschüren, Notizen und Zeitungsausschnitte vor sich. Dass nicht mehr Sulzbacher gekommen sind, führen die Anwesenden auf fehlende Informationen zurück. „Ich glaube, die meisten wissen gar nicht, dass das Wasser so eklatant teurer geworden ist“, sagt eine Sulzbacherin.

„Eine Gemeinde – zwei Preise!“

Heinz Reitmeier jedenfalls hat sein Möglichstes getan, um die Werbetrommel für das Treffen zu rühren. Ihm reicht‘s. „Alles wird teurer. Wenn wir vorher für 100 Euro in der Woche eingekauft haben, zahlen wir jetzt 130 Euro. Der Sprit ist teurer, das Heizöl, der Strom. Und jetzt kommt diese brutale Preissteigerung beim Wasser noch obendrauf. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.“ In der Wut spricht er von „Wucher“ und „Diskriminierung“. Für ihn stellt sich das so dar: „Eine Gemeinde – zwei Wasserpreise!“

Da liegt auch schon die Krux begraben. „Die Leute schauen nach links und rechts und sehen: Bei den Stadtwerken Passau zahlen sie deutlich weniger (Anmerk. der Redaktion: 1,67 Euro brutto) und beim Zweckverband Wasserversorgung Ruhstorfer Gruppe auch (Anmerk. der Redaktion: 1,37 Euro brutto)“, sagt Bürgermeister Andreas Jakob, der in seiner Eigenschaft als Verbandsrat im Zweckverband Wasserversorgung Unteres Inntal am Montagabend die Markträte über die Hintergründe der Preiserhöhung informiert. Ein Teil der Anschlüsse im Marktgebiet hängen am Ruhstorfer Wasserversorger, ein Teil am Unteren Inntal.

Kosten werden auf Wasserpreis umgelegt

Die Preise mit den Nachbarn zu vergleichen, mache jedoch keinen Sinn, darauf verweist der Verband kommunaler Unternehmen in Berlin, der eine Broschüre zu Wasserentgeltgestaltung herausgegeben hat. Vereinfacht antwortet die Pressestelle, das sei „ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen“, die „den Bürgerinnen und Bürgern keinen Mehrwert bringen“. Bei der Ruhstorfer Gruppe müssen Kosten auf eine Jahresabgabe von 2,2 Millionen Kubikmeter Wasser umgelegt werden, beim Unteren Inntal auf 750000 Kubikmeter Wasser. Topografie, Bodenverhältnisse, Größe, Struktur und Siedlungsdichte, Wasserverfügbarkeit und ihre Gewinnung – als diese Faktoren spielen eine Rolle – und sind überall unterschiedlich.

Mit „Ärger in der Brust“ wohnt Jürgen Seeberger (63) dem Treffen im Sportstüberl bei. Er will endlich Antworten auf Fragen. Für ihn, den studierten Maschinenbauingenieur, sei bei dem neuen Wasserpreis vieles nicht nachvollziehbar, ihm dränge sich der Verdacht auf, „dass mit Informationen hinterm Berg gehalten wird“. Detaillierte Informationen, versichert Werkleiter Wolfgang Plinganser indes, ist er gerne bereit zu geben. Und auch für Bürgermeister Andreas Jakob ist es denkbar, dass man zu dem Thema in Sulzbach eine Bürgerinformationsveranstaltung organisiert.

20 Millionen Euro werden investiert

Der Zweckverband Unteres Inntal wird – so sieht es das Wasserversorgungskonzept vor – die nächsten zehn Jahre 20 Millionen Euro investieren. Es müssen neue Brunnen und Aufbereitungsanlagen gebaut werden, eine völlig neue Verteilung installiert werden, denn das bestehende System sei „marode“, schreibt Bürgermeister Jakob an Heinz Reitmeier. Konkrete Investitionsbeispiele nennt Werkleiter Plinganser: „Neben dem Neubau des Hochbehälters und Wasserwerk Scheuereck werden in Neukirchen am Inn beispielsweise zwei und in Fürstenzell ein neuer Brunnen gebohrt. Die Gesamtkosten werden voraussichtlich je Brunnen eine Million Euro betragen.“ Weil die bestehenden fünf Brunnen kaum noch Wasser zutage fördern („Kemating versorgt beispielsweise auch Sulzbach“) müsse das kompensiert werden. Vorgesehen sei der Neubau eines Hochbehälters mit Drucksteigerungspumpwerk südlich von Neuburg am Inn – Kosten hier: rund zwei Millionen Euro. „Die Erweiterung des Hochbehälters Neuburg am Inn mit sämtlichen Anlagen ist derzeit mit rund vier Millionen Euro angesetzt“, führt Plinganser weiter aus und fügt hinzu: Allein „für dieses Jahr sind wieder Investitionen allein ins Leitungsnetz in Höhe von fast zwei Millionen Euro geplant“.

Bürgermeister sieht Problem in Verbands-Historie

Das große Problem im Zweckverband Wasserversorgung Unteres Inntal sieht Bürgermeister Jakob auch in der Historie des Verbands: „Das Versorgungsgebiet ist nicht strukturiert gewachsen.“ In der Vergangenheit sind drei Zweckverbände zu einem verschmolzen – aus der Sulzbach Talgruppe, Neuburger Gruppe und dem Markt Fürstenzell wurde der Zweckverband Unteres Inntal. Seiner Meinung nach habe man es versäumt, in den letzten 20 Jahren Brunnen, Aufbereitungsanlagen, Druckerhöhungs- und Druckminderungseinrichtungen sowie das Verteilungsnetz sukzessiv zu erneuern. „So stehen wir aktuell unter enormen Druck, die Versorgungssicherheit überhaupt aufrechterhalten zu können“, erklärt er in dem Schreiben an Reitmeier.

In dieser Hinsicht ist Werkleiter Wolfgang Plinganser anderer Meinung, er sieht keinen „umfassenden Investitionsstau“. Anlagen würden sehr wohl und „planmäßig“ erneuert; Läge ein Investitionsstau beispielsweise im Leitungsnetz vor, hätte der Zweckverband hohe Wasserverluste „und nicht geringe wie derzeit“. Jährlich würden sieben Kilometer Leitungsnetz erneuert. Die Ergebnisse des Wasserversorgungskonzepts liegen seit 2018 vor, seitdem „haben wir uns mit der Planung, Konzeption und wirtschaftlichen Umsetzung beschäftigt“, sagt Werkleiter Plinganser. Gerade laufe das europäische Verfahren für den Neubau des Wasserwerks und Hochbehälters Scheuereck. „Dieser kostet rund 8,5 Millionen Euro.“ Die Leitungsanbindung von Fürstenzell sowie der Brunnen werde mit rund drei Millionen Euro zu Buche schlagen.

Preise sind nicht in Stein gemeißelt

Wie Bürgermeister Jakob und Werkleiter Plinganser erklären, wird im laufenden Jahr 2023 das Leitungsnetz für 1,75 Millionen Euro saniert. Diese Summe schlägt sich im Wasserpreis nieder und mache von den 3,90 Euro netto allein 2,30 Euro pro Kubikmeter aus. Die exorbitant gestiegenen Stromkosten schlagen mit 0,65 Euro pro Kubikmeter zu Buche. Die restlichen 0,95 Euro pro Kubikmeter sowie der Grundbetrag „sind für Investitionen und Anschaffungen, Personalkosten und sonstigen betrieblichen Aufwand gesetzt“, erklärt Plinganser in seinem persönlichen Antwortschreiben an Heinz Reitmeier, das ebenfalls der PNP vorliegt.

Eine gute Nachricht hat Werkleiter Plinganser zu den hohen Strompreisen: „Sie sind nicht für vier Jahre festgeschrieben. Sofern positive Effekte entstehen, fließen diese selbstverständlich in die nächste Preiskalkulation ein.“

Mit einem Wasserpreis von brutto 4,17 Euro pro Kubikmeter liegt der Zweckverband im südlichen Landkreis Passau übrigens nicht an der bayernweiten Spitze. Bereits 2019 weist das Bayerische Landesamt für Statistik einige wenige Bereiche in Bayern aus, in denen die Kubikmeterpreise zwischen 5 und 5,50 Euro liegen.