Pocking
Katarina Graf feiert 100. Geburtstag

25.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:07 Uhr

Ein Gläschen Sekt gehört dazu: Mit ihrer Tochter Rosemarie Sturz hat Katarina Graf (vorne l.) auf ihren 100. Geburtstag angestoßen. Bei einer großen Kaffeetafel wurde im AWO Seniorenheim Römerhof mit Verwandten und Freunden gebührend gefeiert. Gleich nach dem Sekt gab’s die Geburtstagstorte, die Einrichtungsleiterin Cäcilia Schaudenecker (hinten r.) schon bereit hielt. Zum Gratulieren kamen auch Bürgermeister Franz Krah (hinten v.l.) und stellvertretende Landrätin Cornelia Wasner-Sommer. −Foto: Keller

Katarina Graf denkt konzentriert nach, dann kommt sie drauf , wann sie geboren ist: Am 25. Februar 1923. „Ich bin ein bisschen vergesslich“, sagt die zierliche Frau , die im Rollstuhl an einer festlich gedeckten Kaffeetafel sitzt. Mit Verwandten und Freunden aus dem AWO Seniorenheim Römerhof feiert sie dort bei guter körperlicher Gesundheit ihren 100. Geburtstag.

Auch Bürgermeister Franz Krah und stellvertretende Landrätin Cornelia Wasner-Sommer sind zum Gratulieren gekommen – was die alte Dame ein wenig aus der Fassung bringt. Dass vor Freude ein paar Tränen rollen, ist dem Anlass angemessen. Tochter Rosemarie Sturz weiß die Mutter zu beruhigen und hilft ihr beim Erinnern an ein langes Leben.

In welchem Jahr hat sie geheiratet, wann sind die Kinder geboren, wann die beiden Enkelkinder, wann ist sie nach Pocking gekommen? Das fällt Katarina Graf auf die Schnelle nicht ein. Dafür gelingt es der betagten Frau eindrücklich, kurze Szenen aus jungen Jahren aufleben zu lassen.

„Ich hab’ immer viel gearbeitet“, sagt die Hundertjährige. Rosemarie Sturz nickt. Ja, das Arbeiten stecke in den Händen ihrer Mutter, das könne und wolle sie auch mit Hundert nicht lassen. Tatsächlich schaffe sie es noch, im Seniorenheim Geschirrtücher zusammenzulegen. „Motorisch ist Frau Graf noch erstaunlich geschickt“, bestätigt Einrichtungsleiterin Cäcilia Schaudenecker. Offensichtlich hat der Herrgott Katarina Graf mit einer guten körperlichen Konstitution ausgestattet. Zwei Mal war sie im Krankenhaus, „aber nicht weil sie krank war“, erzählt Rosemarie Sturz. „Das war, als wir Kinder geboren wurden.“

Katarina Graf hat das Leid des Krieges auf grausame Weise erlebt. 1945 wurde sie als junge Frau aus ihrem Heimatort Billed („Hausnummer 524“ – das weiß sie noch ganz genau) in der rumänischen Region Banat nach Russland in ein Lager deportiert, wo sie als Hilfsarbeiterin auf dem Bau „den Männern zuarbeiten“ musste. „Das war sehr schlimm“, erzählt Katarina Graf von harter Arbeit und Läuseplagen. Als sie erkrankte, wurde sie im Viehwaggon nach Hause zurückgeschickt.

In der Heimat heiratete Katarina (damals noch Schütz) im Jahr 1950 Nikolaus Graf. 1952 kam Sohn Waldhard zur Welt, 1954 Tochter Rosemarie. Das Familienglück währte nur kurz, schon 1955 starb der Ehemann und Vater. „Wir waren arme Leute. Es ist viel Schweiß geflossen“, fasst Katarina Graf die Zeit in Worte, in der sie in einer Kollektiv-Landwirtschaft von morgens bis abends schuftete, um sich und ihre Kinder durchzubringen. Waldhard und Rosemarie waren tagsüber bei den Großeltern untergebracht.

Katarina Graf blieb Witwe. Nachdem der Sohn zuvor Rumänien verlassen hatte, kam sie 1990 im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland und landete in Pocking. Auch die Tochter zog mit ihrer Familie dort hin.

Seit 2020 lebt Katarina Graf im AWO Seniorenwohnheim Römerhof. Von Tochter Rosemarie wird sie regelmäßig besucht. Die beiden Frauen gehen viel gemeinsam spazieren. Eine Weile geht es zu Fuß, wenn sich Katarina bei ihrer Tochter einhakt, dann setzt sie sich in den Rollstuhl und lässt sich schieben. „Ich bin ganz gesund und geh’ gern spazieren“, bekräftigt die alte Dame.

Für Cäcilia Schaudenecker war es nicht nur eine große Freude, im Römerhof einmal wieder einen seltenen 100. Geburtstag ausrichten zu können. Das Wichtigste sei, dass der Alltag bei Katarina Graf noch gut funktioniert. Auch wenn es mit dem Denken nicht mehr so gut klappt.

− car