Schlusskonzert „Next in Jazz“
Jazzwoche Burghausen blickt zum Abschluss in die Zukunft

18.03.2024 | Stand 18.03.2024, 15:38 Uhr
Rainer Wetzl

Sein Instrument hat er umgebaut: Axel Zajac hat bei dieser Gitarre die Bünde am Griffbrett abgeschliffen und zwei Bass-Saiten hinzugefügt – das bietet dem Musiker ganz neue Interpretationsmöglichkeiten, zum Beispiel durch ansonsten nicht mögliche Glissandi. − Fotos: Rainer Wetzl

Kann es Musik ohne Melodie geben? Das Schlusskonzert der Burghauser Jazzwoche am Sonntag hat diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet. Der Bremer Gitarrist Axel Zajac und seine Kölner Bandkollegen der Gruppe Phalanx haben im fast ausverkauften Stadtsaal eine musikalische Session hingelegt, bei der ein rockiger Block voller Improvisationen neue ungewohnte Hörerlebnisse bietet. Nicht ohne Grund steht das Finale unter dem Motto „Next in Jazz“ und soll neuen Strömungen ein Forum sein. Drei ganz unterschiedliche Bands gaben ihre Visitenkarten ab, eine spannende Melange, ein Erlebnis für alle, die offen sind für Neues.

Die Musik kommt daher wie eine Wand

Der Name Phalanx passt: Denn die Musik dieses Herrenquartetts kommt daher wie eine Wand. Bass, Piano und Schlagzeug schaffen einen tempogeladenen martialischen Grundkanon, auf den Zajac mit seiner Gitarre flirrende Improvisationen drüberlegt. Ein neuer Sound entsteht auch dadurch, dass er seinem Instrument zwei Bass-Saiten hinzugefügt und die Bünde entfernt hat und damit freier über die Saiten rutscht.

Unkonventionell setzt er auch seine Greifhand ein. Plektrum und Finger wechseln rasend schnell, erlaubt ist alles, was Ton erzeugt. Wenn dann noch Schlagzeuger Johannes Pfingsten in den Schnellmodus schaltet, entstehen Klangblöcke, die keinen kalt lassen, die mitreißen. Und das Publikum geht auch gern diesen Weg mit. Die Zeit ist gut gewählt. Denn jede Band hat genau eine Stunde und das reicht. Länger wäre eine Anstrengung – für die Zuhörer.

Einen völligen Kontrast dazu bietet das zweite Quartett der Londoner Saxofonistin Emma Rawicz – und eine Versöhnung mit Fans von klassischem Jazz. Die erst 22-Jährige bringt die Melodie zurück. Mit ihren wunderschönen Kompositionen schwebt sie geradezu über dem Saal. Augen schließen und zuhören, das wird hier zum Genuss. Wunderschöne Tonfolgen, vorgetragen mit einer Leidenschaft und perfektem Ansatz und eine Mannschaft aus ebenfalls exzellenten Interpreten prägen diese Formation. Und Emma Rawicz gewinnt schnell die Herzen des Publikums, spricht so viel Deutsch wie ihr möglich ist. Mit meisterhafter Sicherheit führt sie am Sopransax ihre Melodien hoch hinaus. Sie versteht es, Töne so zu bilden, wie es nur wenige vermögen. Es ist der anspruchsvollste Teil dieses Nachmittagskonzerts.

Mit völlig anderen Klängen wiederum wartet die dritte Gruppe auf. Siea heißt die 2018 von Antonia Dering gegründete Münchner Band, bei der sechs Damen und ein Schlagzeuger Musik machen, die sich nur schwer einordnen lässt. Elemente aus Indie, Pop und Jazz fließen ineinander. Sax und Posaune, dazu zwei Synthesizer und drei Sängerinnen, das schafft Möglichkeiten. Heraus kommt ein Sound, der gefällig und charakteristisch für diese Band ist, der mitunter psychedelische Anklänge hat, der ansonsten aber wenig variabel ist. Dazu verbinden die Damen mit ihrer Musik ein Anliegen: Sie sind wütend – nicht nur wegen der Weltlage mit Putin und Trump, sondern auch wegen noch immer praktizierten Genitalverstümmelung an Frauen.

Drei „feine Bands“ hatte Andreas Bentlage von der IG Jazz angekündigt. Fein waren sie nicht unbedingt, aber interessant zu hören. Ein guter Abschluss der Burghauser Jazzwoche.

Rainer Wetzl


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