St.-Anna-Kapelle und Evangelisches Zentrum
Ist doch nur menschlich: Holzbildhauer Andreas Kuhnlein stellt 22 Werke in Passau aus

22.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:46 Uhr
Gabriele Blachnik

Die Installation „Troika“, geschaffen 2016 von Andreas Kuhnlein, in der St. Anna-Kapelle. Mehrere Menschheitsmotive hat der Künstler hier zu einer Metapher für die unsichere Zukunft der ausgebeuteten Erde zusammengeführt. −Foto: Gabriele Blachnik

Seit 40 Jahren setzt sich der Holzbildhauer Andreas Kuhnlein mit den Facetten des Menschseins auseinander. Er greift dafür archaische, historische oder religiöse Motive ebenso auf wie aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen.

Stellt Befindlichkeiten, Handlungen oder geschichtsträchtige Szenen sowohl in einzelnen Figuren als auch in mehrteiligen Installationen dar. Mit visionärer Kraft und genial gelenkter Motorik erschafft er aus Altholzstämmen Menschenfiguren, die in ihrer äußeren Gestalt unverwechselbar sind: zerklüftet von der Motorsäge, teils auch fragmentiert, manchmal von Feuer geschwärzt. Doch bei aller Grobheit drücken sie ihre eingefangene Emotion, ihre Lebenssituation oder ihr Handeln so deutlich aus, als seien es wirkliche Menschen.

Dreimal ist der Künstler zu Gast

Kuhnlein, der heuer im Juli 70 Jahre alt wird, scheut keinen Aufwand, seine vorwiegend lebensgroßen Skulpturen von seinem Wohnort Unterwössen im Chiemgau zu Ausstellungsorten in ganz Deutschland und ins Ausland zu transportieren. Derzeit zeigt er 22 Werke in Passau. Dort kennt ihn der evangelische Dekan Jochen Wilde von einem Ausstellungsprojekt im Jahr 2012 in Bad Kissingen. Zusammen mit dem Kunstverein Passau hat das Evangelisch-Lutherische Dekanat nun ein engagiertes Projekt verwirklicht, bei dem Skulpturen an mehreren Orten gezeigt werden und eine Reihe von Begleitveranstaltungen Gelegenheit bieten, sich mit Kuhnleins Menschenbildern näher auseinanderzusetzen. An drei Terminen wird der Künstler selbst anwesend sein.

Allein das unvoreingenommene Betrachten der Holzskulpturen hinterlässt starken Eindruck. In der profanierten St.-Anna-Kapelle, dem Lokal des Kunstvereins, begegnet der Besucher der ganzen Bandbreite des Menschseins. Heiter gelassen steht da eine Frau mit einer Zigarette und gönnt sich eine „Auszeit“. Gescheitert ist dagegen „Ikarus“, hängt als zerfledderter Torso kopfüber von einem Stahlgestell. Beklemmend dramatisch wirkt auch „Charons letzte Überfahrt“: Da treibt die verstümmelte Leiche des mythischen Totenreich-Fährmanns im verkohlten Boot in rotem „Wasser“ aus Holzspänen. Es ist ein neueres Werk, ebenso wie die Installation zum Thema Plastikmüll: Aus dem Müllteppich ragt ein Schwimmer, der völlig unbeeindruckt sein Handy ans Ohr hält – in der anderen Hand eine Plastikflasche.

Zu den Figuren gibt es Predigten in der Kirche

Auch raumgreifende Installationen haben im Lokal des Kunstvereins Platz gefunden. Im Innenhof der Ausstellungsräume stehen sich an einem langgezogenen Tisch 24 rot und schwarz bemalte Büsten gegenüber. Sie erinnern an eine Gesellschaft des Kardinals Mendoza zu Ehren von Christoph Kolumbus, aus der das legendäre Ei des Kolumbus hervorging. Im Kapellenraum hat Kuhnlein seine ausladende „Troika“ aufgebaut, eine Metapher für das fragwürdige Schicksal unserer Welt.

Das Evangelische Dekanat zeigt vier Kuhnlein-Skulpturen in naher Nachbarschaft zur Anna-Kapelle. Trostspendend ist „Die Puppe“, die im Foyer des Evangelischen Zentrums von einem Soldaten an ein kleines Mädchen gereicht wird. „Ohnmacht“ drückt dagegen eine Figur aus, die nebenan in der Kirche St. Matthäus vor dem Altar kauert. Dort sind die ausgestellten Figuren auch Thema von Predigten.

Gabriele Blachnik