Entscheidung über Passaus Wälder
Die Stimmen pro Bürgerbegehren

Warum Grüne, ÖDP, PaL und Passauer Organisationen „Rettet die Passauer Wälder“ unterstützen

09.09.2023 | Stand 12.09.2023, 16:13 Uhr

Das Jägerholz: Die geplante Rodung von rund drei Hektar Waldfläche (rechts neben der Straße) hat den Stein ins Rollen gebracht. Nur ein Waldsaum soll laut Bauleitplanung stehen bleiben. −Foto: Drohne Passau

Der Stadtratsmehrheit aus SPD, CSU, FWG und FDP stehen drei Fraktionen gegenüber, welche Bürgerentscheid 2 unterstützen: Grüne, ÖDP und PaL.

Das Bürgerbegehren „Rettet die Passauer Wälder“ im Wortlaut

„Sind Sie dafür, dass die Stadt Passau ab sofort zum Erhalt ihrer bestehenden Waldflächen im Sinne des Bayerischen Waldgesetzes:

1. keine weiteren Bauleitplanverfahren einleitet, die eine Rodung von Waldflächen zur Folge hätten, und

2. das derzeitige Bauleitplanverfahren ,GE Jägerholz‘ zur Ausweisung eines Gewerbegebietes im Jägerholz mit einhergehender Rodung des Jägerholzes einstellt?“

Frage an die Fraktionen: Wie stehen Sie zum Bürgerentscheid?

Dr. Stefanie Wehner von den Grünen ist eine offizielle Vertreterin des Bürgerbegehrens, dessen zentrale Anliegen „der aktive Schutz unserer heimischen Wälder zum Erhalt der Lebensqualität in der Stadt Passau und der Klimaschutz“ seien. Die gesamte Grünen-Fraktion stehe geschlossen hinter „Rettet die Passauer Wälder“.

Auch die ÖDP um Urban Mangold, wie seine Grünen-Kollegin offizieller Bürgerbegehrens-Vertreter, stehe voll hinter dem Bürgerbegehren. „Unsere Wälder sind so wichtig für die Artenvielfalt, für den Grundwasserschutz, für die Erholung, für den Schutz vor immer heißeren Sommern. Sie sind unser wichtigster Verbündeter im Kampf gegen die Klimakrise. Wir müssen die Wälder für unsere Kinder und Enkel bewahren.“

Harsche Kritik am Ratsbegehren übt Matthias Koopmann (PaL), der dieses als „Etikettenschwindel“ bezeichnet: „Da wird mit dem Schützen der Wälder geworben, aber im Grunde steht dort nur: ,Es soll weitergehen wie bisher.‘ Jederzeit, wenn ein Investor herkommt, sollen Wälder wieder gefällt werden können. Wir von der PaL-Fraktion werden selbstverständlich für das Bürgerbegehrend stimmen.“

Wie würde ein Erfolg des Bürgerbegehrens die Stadtentwicklung beeinflussen?

Urban Mangold ist davon überzeugt, dass sich Passau weiterhin gut entwickeln könnte, „auch wenn die Wälder geschützt bleiben“. Radwege entlang von Straßen, Kindergärten und Sportplätze könnten seiner Ansicht nach weiter gebaut bzw. erweitert werden. Privatgärten seien nicht betroffen. Mangold betont: „In meinen 31 Jahren im Stadtrat habe ich noch nie erlebt, dass Wald für Wohnungsbau gerodet wurde. Der Wohnungsbau ist also gar nicht betroffen.“ Das Bürgerbegehren umfasse „nur Wälder im Sinne des Bayerischen Waldgesetzes. Diese werden vor Rodung geschützt.“ Überhaupt seien Rodungen „wirtschaftlich nicht notwendig, weil es genügend waldfreie Flächen gibt, falls die ohnehin noch freien Gewerbeflächen eines Tages nicht mehr reichen sollten“. Der Wirtschaftsstandort Passau stehe also mit geschützten Wäldern nicht schlechter da. „Im Gegenteil: Die hier lebenden Menschen schätzen die Wälder als Ort der Erholung. Die Lebensqualität gehört auch zu den wirtschaftlichen Standortfaktoren.“ Gewinnt das Ratsbegehren, „räumen in Kürze die Bagger das Jägerholz weg. Das ist schlecht für Passau.“

In Matthias Koopmanns Augen würde ein Erfolg des Bürgerbegehrens die Stadtentwicklung „erst einmal überhaupt nicht groß“ beeinflussen. Er finde es „lustig, wenn die Stadt sagt, dass sie selber die Wälder schützen will. Dann sollte sie doch kein Problem mit dem Bürgerbegehren haben. Wir haben genug Flächen, auf denen Gewerbegebiete umgesetzt werden könnten.“ Doch die Stadt müsse dafür den Investoren klarmachen: „Passt auf, die tollen Plätze mitten im Wald gehen nicht. Wir haben aber andere Flächen.“

„Zukünftig werden wir uns alle viel sorgfältiger mit dem Thema Flächenverbrauch auseinandersetzen und effizienter mit der Ressource Bauland umgehen“, ist Dr. Stefanie Wehner überzeugt. Das sei eine wichtige Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung: „Der Erhalt der Wälder wirkt sich positiv auf Stadtklima und Lebensqualität aus und ist daher positiv für die Entwicklung der Lebensqualität.“

Egal ob Bauland oder andere Ressourcen, Dr. Wehner sagt: „Knappheit führt zu effizienterem Umgang. Und dieser effiziente Umgang ist notwendig und nachhaltig.“ Um den Wirtschaftsstandort Passau weiterzuentwickeln, seien derzeit noch ausreichend andere Flächen vorhanden, „die vorrangig für Gewerbe, Wohnen und Infrastruktur genutzt werden können“. Ein „klimaangepasst nachwachsender Wald wie das Jägerholz“ sei jedenfalls „viel zu kostbar für ein Gewerbegebiet“.

„Warum unterstützen Sie Bürgerentscheid 2?“

Rückendeckung bekommen Grüne, ÖDP und PAL von Mitvertretern des Bürgerbegehrens – dem Forum Passau, der IG Lärmschutz Passau-West – sowie u.a. der Interessengemeinschaft Verkehr in Passau (IG ViP). Aus der Bürgerschaft setzt sich derweil seit langem das Ehepaar Sonja und Robert Lehneis für das Bürgerbegehren ein.

„Wenn das Jägerholz gerodet ist, welcher Wald wird dann der nächste sein?“, fragt das Ehepaar Lehneis. Es bezeichnet Wälder als „unschlagbare Wasserspeicher, CO2-Speicher und Klimaanlage“.
Extremes Wetter herrsche weltweit, doch im Namen des Wachstums werde weiterhin gerodet. Dies müsse gestoppt werden.

Die IG „Lärmschutz Passau-West“ engagiere sich deshalb, „da wir in der Vergangenheit leidvoll erfahren mussten, wie mit unseren Wäldern umgegangen wurde“, sagen Dorisch Reischl und Gottfried Brunner. Die IG habe den Eindruck, „dass die genehmigenden Gremien solcher Gewerbeflächen den einfachsten und bequemsten Weg gehen wollen und darum lieber Wälder roden, statt bestehende Areale nachzuverdichten“. „Die Vehemenz, mit der die Dupper-Mehrheit die Zerstörung des Stiftswald Jägerholz vorantreibt, zeigt für mich, dass auch alle weiteren Wälder im Stadtgebiet nicht vor großflächigen Rodungen für Gewerbe geschützt sind“, sagt Monika Fecher vom Forum Passau. Als Religionslehrerin liege ihr die Bewahrung der Schöpfung am Herzen: „Es tut mir weh, wenn ich sehe, in welche Klimakatastrophen die mir anvertrauten Jugendlichen hineinwachsen. Aus dieser christlichen Verantwortung heraus habe ich mich für den Schutz der Passauer Wälder engagiert.“ Fecher ist sich sicher: „Mit der Ausgleichsflächenlüge wird kein Wald gerettet.“

Norbert Wahleder von der IG ViP sagt: „Würden in Passau immer weiter bei Nachfragen Wälder für Gewerbegebiete gerodet, hätten wir irgendwann überhaupt keine Wälder mehr.“

Ist das Jägerholz schützenswert?

Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Passau hat im Juli 2018 seine Stellungnahme zum Rodungs-Vorhaben abgegeben. Darin hieß es: „Da die notwendigen Ersatzaufforstungen [...] im Bebauungsplan geregelt und festgesetzt sind, ist nach Art. 16 Abs. 4 BayWaldG keine gesonderte Erlaubnis der Forstbehörde mehr erforderlich.“ Es herrschte Einverständnis mit dem Entwurf des Bebauungsplanes „GE Jägerholz“. Forstdirektor a.D Hans Gaisbauer, heute offizieller Vertreter des Bürgerbegehrens, war damals Forstbereichsleiter am AELF. Der PNP erklärte er nun: „Bei einer Ablehnung der Rodung müssen Versagungsgründe vorliegen wie z.B. eine Unterschutzstellung nach dem Waldgesetz, dem Naturschutzgesetz, wichtige Waldfunktionen oder Vorgaben aus anderen Planungen.“ Dies sei nicht der Fall gewesen. „Emotional fiel mir die Entscheidung schwer. Aber ich musste nach den Vorgaben des Gesetzes entscheiden.“

In einer gemeinsamen Stellungnahme mit Michael Held, ebenfalls Forstdirektor a.D. und Vertreter des Bürgerbegehrens, schreibt Gaisbauer, dass das Jägerholz nach den großen Schadensereignissen viele Ansätze für Nischen zeige, „die für den Naturschutz bedeutend sind“.

Das Hauptanliegen der beiden sei, „dass wir in Zeiten des Klimawandels mit den schon seit Jahren spürbaren Hitzewellen, den extremen Niederschlagsmengen, der Trockenheit meinen, dass die Stadt ein Waldgebiet dieser Güte nicht roden sollte. Ausgleichsmaßnahmen wie Ersatzaufforstungen können auf Jahrzehnte die Leistungen gleichwertig ersetzen.“ Passau brauche eine „zukunftsfähige Stadtentwicklung, die ohne Rodung von Wäldern auskommt“, fordern die Förster.

Ihnen widerspricht Markus Weidenthaler. Der bei der JU engagierte Passauer hat ein Bachelorstudium der Forstwirtschaft abgeschlossen und studiert im Master in Weihenstephan. Er sagt: „Es handelt sich hier, um einen zweifach degradierten Bestand durch Sturm und Käfer.“ Das Gehölz sei isoliert und durch Zäune, Gewerbegebiet, Siedlung und Straße „fast vollständig abgeschnitten“. Sein Urteil: „Das Jägerholz ist nicht das einzigartige Naturjuwel, als das es von den Initiatoren und Befürwortern dargestellt wird.“