Dialogforum: Tunnel nein, Tangente ja

In einer Pressekonferenz wurden die Ergebnisse der sechsten und letzten Sitzung präsentiert – Der Ball liegt beim Bund

19.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:05 Uhr

Die Blechlawine rollt und wird immer größer: Anblicke wie dieser sind jedem, der regelmäßig über den Anger fährt, aus dem Rückspiegel vertraut. Jeder kleine Unfall dort droht den Verkehr in weiten Teilen der Stadt lahmzulegen. Um die Lösung dieses Problems ging es im Dialogforum seit 2018. −Foto: Archiv

Von Johannes Munzinger

Angetreten war das Dialogforum im Frühjahr 2018, um eines der dringlichsten Probleme der Stadt zu lösen: Die Straßen ächzen seit vielen Jahren unter dem immer stärker werdenden Verkehr, vor allem der Anger. Jede kleinste Autopanne dort kann den Verkehr in weiten Teilen der Stadt lahmlegen. Doch was tun? Sollte die Nordtangente trotz des massiven Widerstands im Stadtrat doch kommen? Könnte der von anderen gewünschte Georgsbergtunnel Abhilfe schaffen? Oder gibt es einen ganz anderen, für alle gangbaren Lösungweg? Darüber wurde nun fast fünf Jahre lang diskutiert. Die gestrige sechste Sitzung des Forums am Donnerstag war zugleich die letzte. Das Ergebnis: Der Georgsbergtunnel scheidet aus, die Nordtangente wäre die mit Abstand wirksamste Lösung – und wenn der Bund sie durchsetzen will, kann er das auch. So weit ist es aber noch nicht.

Dass die Erarbeitung einer Lösung eine gewaltige Herausforderung darstellen würde, war klar. So attraktiv Passau dank seiner drei Flüsse und der Hügel ringsum ist, verkehrstechnisch ist die Lage der Stadt ein Alptraum, eine Lösung ohne gravierende Auswirkungen und Nachteile scheint unmöglich.

Zugleich gab es von Anfang an Kritik am Dialogforum. Ein Vorwurf war die mangelnde Transparenz, jede der sechs Sitzungen fand hinter verschlossenen Türen stand. Auch wirkte es von außen so, als sei die Dynamik im Lauf der Jahre erlahmt. Viermal trat das Forum vom März 2018 bis zum 23. März 2019 zusammen, also etwa einmal im Quartal. Seit dem 23. März 2019 sind nun 1398 Tage vergangen, in denen es nur zwei Sitzungen gab: am 18. Mai 2021 und gestern. Aus „einmal im Quartal“ wurde „einmal alle zwei Jahre“.

Darauf angesprochen erklärte OB Jürgen Dupper, dass das in erster Linie an Corona gelegen habe, aber auch an den umfassenden Datenerhebungen und dem Erstellen der Gutachten. Landrat Raimund Kneidinger ergänzte, dass schließlich über 60 Vorschläge geprüft worden seien. Das Ergebnis dieser Prüfungen präsentierten die Oberhäupter von Stadt und Land gemeinsam mit Bastian Wufka vom Staatlichen Bauamt Passau, Dr. Jürgen Weber von der Niederbayrischen Regierung und Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Wüst, Leiter der Abteilung Straßen- und Brückenbau im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr.

Durchgehend Grün gibt es nur für die Nordumfahrung

Wufka zeigte zunächst eine Folie mit den Maßnahmenvorschlägen zum motorisierten Individualverkehr. Umrandet waren einige der eingereichten Ideen in Rot („Fehlende Rechtsgrundlage“), Gelb („Praktisch nicht umsetzbar“) und Grün („Zielerreichung kann möglich sein“).

Rot eingefärbt waren ein 30er-Tempolimit für Anger, Freyunger und Obernzeller Straße sowie das Lkw-Durchfahrtsverbot am Anger. „Diese Vorschläge können wir nicht weiterdiskutieren“, kommentierte Wufka.

Als nicht umsetzbar markiert waren die Reduzierung des Angers auf zwei Fahrspuren, der Georgsbergtunnel sowie weitere Tunnelkonzepte. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass diese Ideen „aus Gründen der Leistungsfähigkeit“ nicht umsetzbar seien, sie würden das Problem lediglich auf andere Bereiche verlagern, erklärte Wufka.

Grün – allerdings nur gestrichelt – umrandet war der Punkt „Neue Brücken“. Hier gebe es ein Angebot an die Stadt, der Vorschlag werde weiter geprüft. Der zu erwartende Effekt einer neuen Brücke sei allerdings nicht besonders groß.

Durchgehend Grün gab es lediglich für die Nordumfahrung. Hierzu erklärte Wolfgang Wüst, dass eine Tangente „eine Maßnahme ist, die zum Teil um den Faktor 10 mehr bringt als andere“. Zudem ist die Nordumfahrung seit 2016 im Bundeswegenetz verankert. Deren Umsetzung – bzw. ob sie umgesetzt wird – sei nun eine der zwei großen Hausaufgaben für Stadt, Landkreis, Bayern und Bund. Die zweite: Der Ausbau des Autobahnzubringers an der St2622, wo bereits mehrere Projekte in Planung seien.

Als Fazit meinte Wüst, dass das Dialogforum nun zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen sei, es sei aber ein „langer und mühsamer Prozess“ gewesen. „Wir können alle zufrieden sein, wir haben sehr viele aktuelle Daten gesammelt“.

Einen Überblick zum ÖPNV gab Dr. Jürgen Lang. Zwar mache der öffentliche Personenverkehr lediglich rund 10 Prozent des Gesamtvolumens aus, dennoch sei es wichtig, „sich intensiv damit auseinanderzusetzen und die Weichen für einen umwelt- und klimagerechten Verkehr zu stellen“. Die Umsetzung nur weniger kleinerer möglicher Maßnahmen – darunter die Einführung einer Busspur auf der B12 bzw. am Anger, Überland-Schnellbusse oder eine Verbesserung des Rufbussystems sei aber nicht zielführend. Sein Appell lautete: „Es braucht ein zwischen allen Gebietskörperschaften abgestimmtes Maßnahmenbündel.“ Diese müssten nun offen für Impulse bei der Schaffung eines Verbundnetzes sein.

Dupper: „Der Bund wird jetzt schauen, wie es weitergeht“

Unterm Strich steht also: Die von Passauer Bürgern und Politikern am heftigsten abgelehnte Variante – nämlich die Nordumfahrung – wäre die wirksamste, und der Bund könnte sie auch gegen den Willen von Stadt und Landkreis umsetzen. „Das ist eine Zwickmühle“, räumte Wüst ein. Rechtlich habe der Bund alle Karten in der Hand, aber es sei gerade heutzutage schwer, solche Projekte gegen großen Widerstand durchzusetzen. Es gelte nun, sich eng mit dem Bund abzustimmen.

Zum Abschluss betonte der OB, dass die Stadt gerade mitten im Erstellen ihres eigenen Verkehrsplanes stecke. Die Ergebnisse des Dialogforums seien nun bloß Handreichungen für die Entscheidungsfindung. „Und der Bund wird jetzt schauen, wie es weitergeht.“ Eine Königslösung, die alle zufriedenstellen würde, gebe es jedenfalls nicht. Und Wüst meinte: „Ab heute beginnt die echte Arbeit an den Projekten.“