Spendenaktion
Sohn stirbt nach Unfall in Paraguay: Familie aus dem Kreis Traunstein jetzt hoch verschuldet

03.12.2022 | Stand 18.09.2023, 20:59 Uhr

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Mathias Schifflechner – er war ein glühender Fan des FC Bayern München – mit seinem Großcousin vor der Auswanderung nach Paraguay. −Fotos: privat

Im fernen Paraguay lag der 33-jährige Mathias Schifflechner aus Schnaitsee (Landkreis Traunstein) nach einem Unfall neun Wochen in einem Armenkrankenhaus. Jetzt hat er den Kampf verloren - und seine Familie viele Schulden. Die Gemeinde sammelt nun Spenden.





Erst lag er im Koma, dann im Wachkoma – die Chancen, dass er jemals wieder komplett hergestellt wird, waren äußerst gering. Seine Mutter weilte täglich an seiner Seite, der Stiefvater bangte in der Heimat um ihn. Aber den Kampf ums Überleben hat der junge Mann verloren: Mathias verstarb am Donnerstag an Organversagen. Die Behandlung verschlang tausende von Euro: Klinikaufenthalt, Medikamente, Rechtsanwältin und vieles mehr, alles musste die Familie selbst bezahlen, jetzt kommt noch eine kostenintensive Überführung hinzu. Die in Schnaitsee lebende Familie hofft nun auf Unterstützung der Menschen in der Heimat.

Er fühlte sich in Schnaitsee nicht mehr wohl

Zu Beginn des Jahres hatte Mathias für sich die Entscheidung getroffen, nach Paraguay auszuwandern. Mit seinem Onkel stand er in Verbindung. Der lebt bereits seit zwei Jahren in Gindi knapp 100 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Asuncion im Süden des Landes, das flächenmäßig größer als Deutschland ist, aber nur gut sieben Millionen Einwohner zählt. Jährlich wandern Hunderte Deutsche dorthin aus, nach offiziellen Angaben waren es zwischen 2012 und 2021 knapp 4700.

Mathias wollte einfach weg, fühlte sich in Schnaitsee nicht mehr wohl und überzeugte Mutter Angelika (56) und Stiefvater Uwe (52) von seinen Plänen. Sie stimmten schließlich schweren Herzens zu, wussten den Bub ja bei seinem Onkel, dem Bruder seiner Mutter, in besten Händen.

„Es hat ihm gut gefallen, er war so positiv“



Im Mai verabschiedete sich der glühende FC-Bayern-Fan Mathias und war auf dem besten Weg, sich in seiner neuen Heimat einzuleben. Er bekam ein Grundstück geschenkt und wollte noch heuer mit dem Bau eines Eigenheims beginnen. „Es hat ihm gut gefallen, er war so positiv“, berichtet Stiefvater Uwe Wirth unter Tränen.

Dann kam der 23. September, ein Freitag. Mathias war als Beifahrer angeschnallt mit seinem Onkel in einem Pick-up unterwegs. An einer Kreuzung kam es zur Katastrophe. Beim Abbiegen rammte ein Lkw den Pick-up. Der Onkel kam mit sieben Rippenbrüchen und einer Schulterblatt-Fraktur in eine Privatklinik, Mathias in ein so genanntes Armenkrankenhaus. Grund: Während der Onkel krankenversichert war, hatte Mathias keine Versicherung, da er auch noch keinen festen Job hatte. Als gelernter Mechatroniker half er aber immer dort, wo er gebraucht wurde. Die Diagnose war erschütternd. Im Klinikbericht steht: „Schwere TCE nach Glasgow, diffuse SAH in der linken Hemisphäre, plus Hämoventrikel, plus Fraktur mit Einsinken des linken Stirnbeins, Verletzung des geschlossenen Thorax, Fraktur des linken Schlüsselbeins.“ Zu deutsch: Schweres Schädel-Hirn-Trauma – Mathias war mehr tot als lebendig.

Mutter musste sich im Krankenhaus um alles kümmern



Mutter Angelika und Stiefvater Uwe Wirth nahmen den nächstmöglichen Flieger nach Paraguay. Während Uwe nach fünf Wochen zurückkehrte, um als Frührentner private Dinge zu erledigen, blieb die Mutter bei ihrem Sohn. Das war auch zwingend notwendig, denn in dem Krankenhaus musste sie sich um alles kümmern: Bettzeug kaufen, Wäsche waschen, die Nahrungszufuhr ergänzen, Medikamente in der Apotheke holen und vieles mehr. Sogar eine Matratze musste sie ins Krankenhaus bringen. „Wäre meine Frau nicht vor Ort gewesen, wäre Mathias sofort verloren gewesen“, sagt Uwe Wirth.

Er machte sich in den letzten Wochen schon große Sorgen um Frau und Sohn. „Sie arbeitete am Anschlag“, berichtet er, der täglich mit ihr korrespondierte. Nach einem Arbeitsunfall ist er selbst immer noch an der Schulter lädiert. Die Zustände in der Klinik bezeichnete Wirth als katastrophal, kein Arzt spreche Deutsch, die Intensivabteilung gleiche einer Abstellkammer. Täglich saß Angelika am Bett ihres Sohnes, war auch in den letzten Minuten bei ihm. Verschiedene Operationen waren noch geplant. Täglich schickte sie mit dem Handy Nachrichten nach Hause, zum Beispiel: „Mathias hat zwei Entzündungsherde im Körper, einen in der Lunge und einen im Hirn. Und beide müssen dringend entfernt werden. Sein Zustand verbessert sich nicht. Der Arzt hat seinen Körper noch gar nicht unter Kontrolle, weder mit Bewegungen noch mit selbständigem Atmen. Man kann nicht sagen, ob und welchen Schaden er zurück behält und ob er überhaupt überlebt.“

Bereits zweiter Schicksalsschlag



Als Uwe Angelika kennenlernte, war der Bub 15. Es war in jenem Schicksalsjahr 2005, als die Familie den ersten schweren Schlag erlitten hatte. Uwes Mutter wurde in Folge zweier Schlaganfälle zum Pflegefall. Ihr Mann kümmerte sich aufopferungsvoll um sie – mit dem schlimmen Ende, dass er mit der Situation völlig überfordert war. Er brachte das Zweifamilienhaus in Schnaitsee zur Explosion, wurde selbst schwer verletzt, überlebte aber im Gegensatz zu seiner Frau. Die 64-Jährige wurde noch in eine Münchner Klinik geflogen, erlag dort aber ihren schweren Verletzungen. Ihr Ehemann erholte sich in einer Münchner Spezialklinik, schied aber ein Jahr später freiwillig aus dem Leben.

„Wir haben alles wieder aufgebaut, fühlten uns in Schnaitsee sehr wohl“, erinnert sich Uwe Wirth, der jetzt selbst auch mit den Nerven am Ende ist. Denn: Die Behandlungskosten in Paraguay schossen durch die Decke. Und rechtlich könne der Unfall nicht aufgearbeitet werden, obwohl sich eine Anwältin vor Ort um alles kümmere. Die Polizei wollte Mathias vernehmen – das ist jetzt nicht mehr möglich. Um für die laufenden Kosten aufzukommen, hatte die Familie eigens einen Kredit aufgenommen.

Gemeinde hat Spendenkonto eingerichtet



„Der Fall macht mich äußerst traurig, auch rechtlich ist alles so schwierig“, sagt Schnaitsees Bürgermeister Thomas Schmidinger. Er versicherte aber, dass die Heimatgemeinde sich bei der Überführung einsetzen und helfen werde. Für solche Fälle stehe auch ein Sozialfonds zur Verfügung. Den betreut Rosi Schönhuber von der Finanzverwaltung in Schnaitsee. „Es geht jetzt darum, den Leichnam von Mathias nach Deutschland zu bringen“, sagt Schönhuber. Und: „Bei Auswanderungen greift keine Versicherung, die Familie muss alles selbst tragen.“ Da müsse die Gemeinde helfen. Die Anteilnahme in und um Schnaitsee ist groß. Der Freundeskreis von Mathias hat schon gesammelt, mit dem stolzen Ergebnis, dass 10.000 Euro zusammengekommen sind. Die freilich waren dafür gedacht, dass er mit einer Spezialmaschine lebend zurückkommt. Weitere Behandlungen und Operationen im Krankenhaus Murnau waren schon angedacht – alles ist hinfällig geworden. Für die Familie von Mathias hat die Gemeinde ein eigenes Spendenkonto eingerichtet. Wer zumindest die finanziellen Sorgen von Mutter und Stiefvater lindern will, kann spenden an: „Spende für Mathias Schifflechner“ bei der Sparkasse Wasserburg, IBAN DE 757115 2680 0030 0346 31.