Landkreis Traunstein
Nächtlicher Sturm sorgt für Einsatz-Marathon – Etwa die Hälfte der 80 Landkreis-Feuerwehren rücken aus

Bäume stürzen auf Straßen, aber auch auf Häuser und Autos – Zum Glück keine Verletzten

12.07.2023 | Stand 14.09.2023, 21:26 Uhr

n Grassau begrub ein Baum ein Auto unter sich. - Fotos: Kreisfeuerwehrverband

Das Wetter fährt Achterbahn – tropische Hitze tagsüber, Gewittersturm in der Nacht. So hatten die Floriansjünger im Landkreis Traunstein eine arbeitsreiche Nacht auf Mittwoch – mit rund 150 Alarmierungen bis in den Vormittag, wobei immer neue blockierte Strecken gemeldet wurden.

Kurz nach Mitternacht war der Orkan mit lautem Tosen, Blitz, Donner, aber wenig Regen von Westen her über den Landkreis hereingebrochen. Gemessen an den drastischen Unwetterwarnungen und der Vielzahl von Alarmierungen sei man glimpflich davongekommen, so das Fazit von Kreisbrandrat Christof Grundner. Es gab keine großen Sachschäden und auch keine Verletzten.

„Motorsäge war der am häufigsten verwendete Ausrüstungsgegenstand“

Doch fällten die heftigen Böen viele Bäume, wirbelten Äste auf Straßen und Schienen und Schindeln von Dächern. In einigen Fällen fielen Bäume auf parkende Autos oder Hausdächer. Es gab flächendeckend Stromausfälle, Einschränkungen im Zugverkehr und einen Einsatzmarathon für die Feuerwehren. Hart traf es den Zirkus „Boldini“ aus Trostberg, dessen Zelt beim Gastspiel in Staudach schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Ab etwa 0.15 Uhr wurden die Floriansjünger im Minutentakt mit dem Stichwort „Technische Hilfeleistung Unwetter“ angefordert. Rund die Hälfte der 80 Feuerwehren waren im Einsatz. Insgesamt dürften es etwa 250 Einsätze gewesen sein. „Die Motorsäge war dabei der am häufigsten verwendete Ausrüstungsgegenstand“, berichtet Pressesprecher Hubert Hobmaier. Einen Schwerpunkt habe es nicht gegeben, die Einsatzstellen hätten sich auf den gesamten Landkreis verteilt.

Im Feuerwehrhaus in Trostberg absolvierte die Führungsstelle Alz eine lange Nachtschicht, um die Flut an Alarmierungen im Landkreis zu koordinieren, darunter mehrere Brandmeldeanlagen, die automatisch ausgelöst hatten.

Besonders stürmisch war es im Rupertiwinkel. Leserin Theresia Stadler-Mayr aus Lampoding hat der Redaktion ein Foto von ihrem zerstörten Apfelbaum geschickt. „Den hat es richtig zerrissen, auch weil er nicht mehr der jüngste war.“ Der rund 70 Jahre alte Baum trug schon schwer an seinen historischen Sorten. Die noch unreifen Äpfel bekommen jetzt die Rehe im benachbarten Wildgehege, so Stadler-Mayr. „In unserem Obstanger klafft jetzt leider eine Lücke, aber wenigstens hat unsere neue PV-Anlage auf dem Dach die Bewährungsprobe bestanden“, sieht sie es gelassen.

Schadensbegutachtung mit Humor: „Sturmwichteln“ mit Schirm, Trampolin & Co.

Überhaupt war die Bevölkerung im Landkreis bei der Schadensbegutachtung am nächsten Morgen froh, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. In den sozialen Medien nahm man es mit Humor, postete Fotos von herbeigewehten Gartentischen, Trampolins, Mülltonnen oder Sonnenschirmen und lud zum „Sturmwichteln“ ein: „Ich hätte noch einen Pavillon zum Basteln übrig – fein zerlegt und abholbereit...“

„Es war von Ort zu Ort sehr unterschiedlich“, erklärt Trostbergs Kommandant Hans-Peter Heimbach, „Wir hatten in der Nacht gar keinen Einsatz, mussten dann aber am Morgen gegen 6 Uhr ausrücken, weil dann erst Bäume und Äste auf einem Radweg in Wimm und auf der Zugstrecke Altenmarkt-Trostberg oberhalb des Wehrbaus bemerkt wurden.“ Die Stadtteilfeuerwehr in Heiligkreuz musste fünf umgestürzte Bäume beseitigen, bei Wechselberg war ein Verkehrszeichen umgeknickt. In den Morgenstunden wurde die Zufahrt zum Reiterhof Blüml von einem Baum befreit.

Auch fast alle übrigen Feuerwehren im nordöstlichen Landkreis hielt der Sturm auf Trab. Bei den Schnaitseer Aktiven etwa dauerte es wegen fünf entwurzelter Bäume und eines abgebrochenen Straßenspiegels bis 7.30 Uhr. In Kienberg blockierten abgedrehte Baumgipfel mehrere Straßen, kurzzeitig gab es weder ein Durchkommen nach Trostberg noch nach Emertsham. 15 Einsätze hatte die Feuerwehr dort zu bewältigen – unterstützt von Landwirten mit Teleskopladerfahrzeugen.

„Wir waren im Dauereinsatz“, sagt Traunreuts Kommandant Konrad Unterstein. Nach der „Schneiderfahrt“ zum Fehlalarm einer Brandmeldeanlage ging es Schlag auf Schlag mit den Sturmeinsätzen. Mit acht Fahrzeugen und 33 Kräften waren man bei 23 Einsätzen dreieinhalb Stunden in der Kernstadt gefordert – auf von Bäumen und Ästen blockierten Verkehrswegen und um einige Baustellen abzusichern. Neben 14 anderen Einsätzen beschäftigte die Feuerwehr Kammer zwischen Rettenbach und Langmoos eine jahrhundertealte Linde, die abgebrochen war und ein Feldkreuz unter sich begraben hatte.

Allein in Fridolfing waren 20 Floriansjünger zehn Mal im Einsatz. Die Feuerwehr Petting meldet 15 Einsätze. Große Teile des Ortes waren ohne Strom und Festnetzanbindung. Pietling war bis 7.30 Uhr stromlos, das Feuerwehrhaus aber dank Notstrombetrieb „funktionsfähig“. Unter den sieben Einsätzen der Tachinger Wehr war ein Baum, der bei Mauerham auf ein Stadeldach gefallen war und eine Stromleitung abgerissen hatte. Hier kontrollierten die Floriansjünger mit der Wärmebildkamera und informierten den Netzbetreiber.

Am Campingplatz und im ganzen Ort war die Waginger Feuerwehr mit Unterstützung des gemeindlichen Bauhofs im Einsatz. Mehrere Bäume waren auf Campinganhänger gefallen. Der mehrstündige Stromausfall in Wonneberg führte an einem Gebäude dazu, dass sich im Keller Wasser sammelte, weil es nicht abgepumpt werden konnte.

Im südlichen Landkreis war es der folgenschwerste Zwischenfall, dass in Grassau Bäume auf ein Auto sowie auf ein Hausdach fielen, wobei eine Stromleitung abgerissen wurde.

Zum letzten Einsatz wurde die Feuerwehr Seeon um 12.50 Uhr alarmiert. In der Nacht war ein Baum in Bräuhausen auf ein Garagendach gestürzt.

Vermisste Stand-Up-Paddlerin wohlauf – Wegen Stromausfall kein Notruf möglich

Am Chiemsee-Ufer in Arlaching sorgte während des Unwetters in der Nacht zu gestern eine vermisste Frau für Aufregung. Gegen 0.45 Uhr klopfte es an der Haustür von Leopold Siglreitmeier, dem Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Ising. Eine Frau meldete, dass sie und ihre Freundin mit dem Stand-Up-Paddelboard unterwegs waren und die Freundin nun verschwunden sei. Da zeitgleich in Ising der Strom ausgefallen war, gelang es zunächst nicht, einen Notruf abzusetzen. Vom Feuerwehrhaus aus wurden dann die Feuerwehren Chieming, Truchtlaching sowie Einheiten der Wasserrettung und des Rettungsdienstes in Bewegung gesetzt. Viele Bäume blockierten die Zufahrtswege und mussten erst beseitigt werden. Nach kurzer Zeit wurde die Vermisste wohlbehalten gefunden und durch die Aktiven der Feuerwehr betreut, ehe sie in die Obhut der Angehörigen übergeben werden konnte.

− hob