Verfahren zieht sich
Missbrauchsprozess in Traunstein: Kläger soll „schwerst drogenabhängig“ gewesen sein

10.01.2024 | Stand 10.01.2024, 18:34 Uhr

Vor dem Landgericht Traunstein ist am Mittwoch der Zivilprozess um einen Missbrauchsfall im Erzbistum München und Freising fortgesetzt worden. − Foto: Britta Schultejans/dpa

Steht einem Mann, der als Kind von einem Priester missbraucht wurde, Schmerzensgeld zu? Und wenn ja, wie viel? Vor dem Landgericht Traunstein zieht sich die Antwort auf diese Frage hin.



Vor dem Landgericht Traunstein ist am Mittwoch der Zivilprozess um einen Missbrauchsfall im Erzbistum München und Freising fortgesetzt worden. Der Kläger, ein früherer Ministrant, gibt an, Mitte der 1990er Jahre von einem Priester in Garching an der Alz einmal sexuell missbraucht worden zu sein. Andreas Perr fordert in dem Zivilprozess mindestens 300.000 Euro Schmerzensgeld vom Erzbistum.

Er sollte am nunmehr zweiten Verhandlungstag in dem Prozess persönlich gehört werden, wie das Landgericht angekündigt hat. Er verspätete sich aber und war zum Auftakt der Verhandlung noch nicht da - darum wurden andere Zeugenaussagen vorgezogen.

Perr sei „schwerst drogenabhängig“ gewesen



Einer der Zeugen war der Leiter einer Psychiatrie, in der Perr 2005 und 2019 behandelt wurde, nachdem er straffällig geworden war. Perr sei „schwerst drogenabhängig“ gewesen, schilderte der Mediziner. Erst bei seinem zweiten Aufenthalt habe er thematisiert, dass er von einem Pfarrer sexuell missbraucht worden war.

Der Psychiater sagte, „dass es ein komplexes Gefüge war, das letztendlich zum Suchtmittelkonsum beigetragen hat“ und dazu, dass Perr schon mit zwölf Jahren angefangen habe, Suchtmittel zu nehmen: zunächst Zigaretten, dann Alkohol, mit 14 Cannabis. Später nahm er laut einer weiteren Medizinerin Heroin, Kokain, LSD, Tabletten - um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Zu diesem „komplexen Gefüge“ gehöre „die häusliche Situation“ mit abwesendem Vater und viel arbeitender Mutter, aber auch der Missbrauch und dass ihm nicht geglaubt worden sei. Perrs ebenfalls als Zeugin geladene Mutter verweigerte die Aussage.

Sachverständiger soll Gutachten verfassen



Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger, der die Verhandlung am Mittwoch verfolgte, soll auch aufgrund dieser Zeugenaussagen ein Gutachten zu der Frage verfassen, ob die psychischen Probleme des Klägers auf den Missbrauch zurückzuführen sind.

Das Verfahren wird sich darum noch länger hinziehen. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, war zunächst völlig unklar - auch, weil unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt noch weitere von den drei Anwälten des Klägers benannte Zeugen gehört werden sollten.

Der Prozess hatte vor allem deshalb bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil unter den Beklagten ursprünglich auch der inzwischen gestorbene Papst Benedikt XVI. war. Als damaliger Kardinal Joseph Ratzinger war er Erzbischof von München und Freising, als der betreffende Priester in sein Bistum versetzt wurde.

Das Verfahren gegen ihn wurde aber abgetrennt, weil nach seinem Tod noch immer unklar ist, wer seine Rechtsnachfolge antritt und damit gewissermaßen auch das Verfahren erbt. Deshalb bleibe das Verfahren in diesem Zusammenhang ausgesetzt, erläuterte das Landgericht.

Fortsetzung des Prozesses war mehrfach verschoben worden



Das Erzbistum hatte über seinen Anwalt bereits zu Prozessbeginn generell akzeptiert, dass der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung hat, sich aber nicht auf eine konkrete Summe festgelegt. Der Anwalt beantragte, die Schmerzensgeld-Klage in der geforderten Höhe abzuweisen. Vielmehr sollte das Gericht eine eigene Einschätzung zu einer Summe geben.

Die Fortsetzung des Prozesses war mehrfach verschoben worden. Der Prozess hatte am 20. Juni begonnen, der zweite Verhandlungstag war ursprünglich für den 12. September geplant gewesen und zunächst auf den 2. November verlegt worden; dann wurde er erneut vertagt.

− dpa