Übersee/Traunstein
Melkroboter auf dem Vormarsch: „Im Stall muss alles zusammenpassen“

–Digitalisierung in der Landwirtschaft – Staat fördert moderne Technik – Besuch auf „Scherer-Hof“ in Übersee

28.04.2023 | Stand 28.04.2023, 8:26 Uhr

In seinem Stallbüro gegenüber der Melkbox kontrolliert Landwirt Willi Siglreitmeier regelmäßig am Computerbildschirm wichtige Daten seiner Rinderherde.

Adria trottet langsam in die Melkbox. Sofort macht sie sich über das Kraftfutter her, das in einen Trog geschüttet wird. Die sechsjährige Milchkuh ist eines von 200 Rindern im Stall des Überseer Landwirts Willi Siglreitmeier, der seit 18 Jahren in seinem Offenstall mit Melkrobotern arbeitet.

2004 übernahm der junge Landwirt den Hof seiner Eltern, den „Scherer-Hof“, und baute kurze Zeit später einen Offenstall mit professioneller Stallbelüftung. Zeitgleich entschied er sich für einen gebrauchten Melkroboter aus den Niederlanden und stockte seine Herde auf 75 Milchkühe auf. „Zunächst wurde ich von Kollegen belächelt“, erinnert sich Siglreitmeier, „aber von überall her kamen Landwirte zu Besuch und schauten sich den Betrieb an.“

Nagelneuer Melkroboter für stolze 160000 Euro

2020 wagte er den nächsten Schritt: Der Überseer kaufte von derselben holländischen Firma einen nagelneuen Melkroboter für stolze 160000 Euro, die aus dem Förderprogramm „Investitionen in Energieeffizienz und CO2-Einsparung in der Landwirtschaft“ bezuschusst wurden. Seither marschieren täglich 80 Milchkühe mehrmals in die Melkbox, das Computerprogramm des Roboters erkennt das Tier am Chip, den es um den Hals trägt, und schüttet automatisch eine bestimmte Menge Kraftfutter in einen Trog. „Das lockt die Tiere noch zusätzlich“, erklärt Siglreitmeier.

Der Reinigungsarm des Melkroboters säubert zunächst mit Bürsten das Euter, bevor der Laser des Melkarmes die ideale Position abtastet. Die „Zitzenbecher“ setzen vorsichtig an, der Melkvorgang beginnt. Danach spritzt der Roboter das Euter noch mit einem Schutzmittel ein, und die Kuh verlässt die Melkbox, um der nächsten, die bereits geduldig wartet, Platz zu machen. Jungtiere lernt der Landwirt behutsam an und achtet darauf, alles ruhig und ohne Hektik anzugehen.

Moderne Technik keineswegs „tierwohlfeindlich“

Im Stallbüro sitzt Willi Siglreitmeier mehrmals täglich vor seinem Computerbildschirm und kontrolliert die verschiedenen Daten. So ermittelt das Programm, an dem ein Funksystem im Stall angeschlossen ist, von jedem einzelnen Tier Brunftzyklus, Trächtigkeit und Geburtstermin für das Kalb. Außerdem erfährt der Landwirt, wie lange die Kuh wiederkäut, den Fett- und Eiweißgehalt sowie Temperatur und Leitfähigkeit ihrer Milch. Wenn hier die Daten nicht im Normbereich sind, könnte das Tier krank sein, etwa an einer Euterentzündung leiden. „Dann muss ich sofort handeln. Im Stall muss alles zusammenpassen, dann gibt es auch fast keine Störungen.“ Willi Siglreitmeier betont, dass die moderne Technik in seinem Stall keineswegs „tierwohlfeindlich“ sei, weil man auf den ersten Blick meinen könnte, dass dadurch der menschliche Kontakt zu den Tieren verloren gehe. „Vielmehr kann ich mithilfe der Sensoren viel rascher auf negative Veränderungen reagieren und so schwere Krankheitsverläufe verhindern.“

Da mit Sohn Michael die Hofnachfolge gesichert ist, planen Vater und Sohn weitere Investitionen für die Zukunft: ein separater Kälberstall sowie ein neuer Be-reich zum Abkalben. „Aber auch die Digitalisierung wird immer wichtiger werden“, vermutet Willi Siglreitmeier. Neben seinem Traktor, der mit einem GPS-System ausgestattet ist, informieren sich beide Landwirte laufend über technische Neuerungen. „Uns interessiert vor allem, was uns bei den täglichen Arbeiten entlasten, dem Wohl der Tiere zugutekommen und Einsparungen bedeuten könnte.“

Das bayerische Sonderprogramm

Mit dem Bayerischen Sonderprogramm Landwirtschaft (BaySL)Digital fördert die Bayerische Landwirtschaftsverwaltung nicht nur Sensortechnologie zur Steigerung des Tierwohls, sondern auch digitale Steuerungstechnik im Pflanzenbau, unter anderem zur bedarfsgerechten Düngerausbringung oder zur Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. - red/csi