Tacherting
In Tacherting präsentiert sich die SPD kämpferisch

Erster politischer Aschermittwoch – Sepp Parzinger und Daniela Baumann stellen sich vor – Lob für Kanzler Scholz

23.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:17 Uhr

In der vollen Gaststube im „NoSugar-Café Pertlwirt“ präsentierten zum politischen Aschermittwoch der SPD Landtagskandidat Sepp Parzinger (von rechts), Bezirkstagskandidatin Daniela Baumann und Ortsvorsitzender Helmut Haigermoser ihre Sicht der Dinge. −Fotos: Traup

Von Wolfgang Traup

Es ist gemütlich und voll in der Gaststube im „NoSugar-Café Pertlwirt“ an der B 299 in Tacherting. Konrad Grundner unterhält die etwa 50 Gäste beim Fischessen an der Ziehharmonika und die Bedienungen im neu eröffneten ehemaligen Gasthaus Reitmeier haben alle Hände voll zu tun. Es ist Mittwochabend, in zehn Minuten beginnt der politische Aschermittwoch, den die Tachertinger Sozialdemokraten heuer zum ersten Mal organisieren.

Ortsvorsitzender Helmut Haigermoser ist selbst überrascht von der Resonanz, die der politische Aschermittwoch der SPD hervorgerufen hat. So sehr, dass er anfangs vergisst, Tachertings Bürgermeister Werner Disterer von den Freien Wählern, der ebenfalls unter den Gästen ist, zu begrüßen. Doch er holt das nach und freut sich über die „vielen lieben Freunde der Sozialdemokratie“. Denn auch das ist Haigermoser klar, die übliche Anrede Genossen funktioniert da nicht. So viele Mitglieder zählt die Tachertinger SPD nicht. Haigermoser nutzt die Gelegenheit, um an den Widerstand der Gruppe „Weiße Rose“ gegen das Nazi-Regime zu erinnern. Denn auf den Tag genau vor 80 Jahren war Sophie Scholl mit anderen Mitgliedern der Widerstandsgruppe in München hingerichtet worden. Und Haigermoser erzählt auch, dass eine Tachertingerin, Anna Schenkl, zu der Gruppe gehört hatte. Das Gedenken, zu dem sich alle von ihren Plätzen erheben, ist so auch den Mitgliedern der Weißen Rose gewidmet. Haigermoser dankt der „Wirtin und ihrem Team“ und kündigt für den 1. Mai einen Arbeitnehmergottesdienst an, der zusammen mit der Pfarrei organisiert werden soll. Die Hoffnung Haigermosers, dass sich Pfarrer Michael Brüderl nach dem Aschermittwochs-Gottesdienst noch unter die Bescher mischen würde, erfüllt sich jedoch nicht.

Die Erwartungen an eine Partei-Veranstaltung erfüllt aber die stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Daniela Baumann, die ihren Auftritt nutzt, um sich bei den Gästen als Kandidatin für den oberbayerischen Bezirkstag vorzustellen. Sie wolle, wenn sie gewählt werde, der psychischen Gesundheit und der flächendeckenden Versorgung „eine viel höhere Priorität“einräumen, kündigt die Trostbergerin an. Sie fordert, „die Gesellschaft muss inklusiver sein, damit alle teilhaben können“. Daneben möchte sie die Stellung pflegender Angehöriger stärken und Hilfsbedürftige länger begleiten. Die Gewaltprävention will sie durch vermehrte Beratungsstellen vor Ort ausbauen.

Bei der Suche nach fehlenden Fachkräften besonders im Gesundheitssektor ruft sie dazu auf, diejenigen nicht zu vergessen, die jetzt schon in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen arbeiten. Daneben gelte es, das Ehrenamt zu stärken und Bildung und Weiterbildung nicht aus den Augen zu verlieren. Sie freue sich, hatte die Trostbergerin vorausgeschickt, bei Nachbarn und Freunden zu Gast sein zu dürfen.

„Tacherting ist immer ein guter Platz“, betont auch SPD-Kreisvorsitzender Sepp Parzinger, und es freue ihn, dass das Gasthaus Reitmeier mit den „NoSugar-Café“ eine Wiederauferstehung feiert. Er wolle an diesem Abend über „Verantwortung“ reden, betont Parzinger und stellt seine Bewerbung um ein Landtagsmandat vor. Er erinnert an die Herausforderungen der vergangenen Jahre und stellt klar: „Die politischen Vertreter haben den Auftrag von den Wählern, ihre Vertretung zu übernehmen.“ Dabei seien die Probleme der vergangenen beiden Jahre größer gewesen als in den Jahren davor. Dass bei der Bewältigung dieser Herausforderungen „nicht immer alles gelungen ist“, räumt Parzinger unumwunden ein, betont aber, dass es sich auch um bis dahin einmalige Anforderungen gehandelt habe. Er nennt die Corona-Krise und geht dann auf eigene, positive Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen ein, die er nach einem Sturz und einer Fußverletzung in einem heimischen Krankenhaus gemacht hat. Mit deutlichen Worten kritisiert er die Tatsache, dass es Kräfte im heimischen Gesundheitswesen gibt, etwa die „Bettenschieber“ im Krankenhaus, die in eine eigene Gesellschaft ausgelagert wurden, ohne Betriebsrat und zu geringeren Löhnen. „Das ist eine Sauerei, dass wir das in kommunalen Krankenhäusern zulassen.“ Es gelte, so Parzinger, die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen so zu gestalten, „dass wir auch in Zukunft noch Pflegekräfte haben und vor Ort die Krankenhäuser erhalten“.

Dann zählt der SPD-Kreisvorsitzende „schon die nächste Krise“ auf, „die sich seit 2014 angedeutet hat“, den Krieg in der Ukraine. Vor ziemlich genau einem Jahr sei „der Krieg zurückgekehrt nach Europa“. Mittlerweile seien schon etwa 2000 Geflüchtete aus der Ukraine im Landkreis untergekommen. „Das gebietet die Menschlichkeit“, unterstreicht Parzinger und fährt fort: „Wir sollten als offene Gesellschaft darauf stolz sein.“ Er kritisiert in diesem Zusammenhang „die politischen Brandstifter“ von der AfD, bei denen vielleicht die Sektkorken geknallt hätten. „Diese Partei ist abstoßend und demokratiefeindlich“, sagt Parzinger unter dem Applaus der Anwesenden.

Er sei „froh, dass Scholz in diesem Lande Bundeskanzler ist“, unterstreicht der SPD-Kandidat. „Wenn ich höre, dass immer mehr Waffen gefordert werden, dann merkt man schon, dass manchen der Ernst der Lange nicht bewusst ist“, sagt er, erneut unter dem Applaus der Gäste. Russland sei das flächenmäßig größte Land der Erde, habe 140 Millionen Einwohner und sei Atommacht. Da sei es richtig, dass Scholz keine Alleingänge unternehme. „Wer Waffen liefert, muss auch Verantwortung übernehmen“, konstatiert Parzinger. Deshalb müsse am Ende auch verhandelt werden, denn „ein Krieg kann nur am Verhandlungstisch enden“.

Und dieser Krieg habe auch Auswirkungen auf die Region. Die Preissteigerungen würden gerade diejenigen hart treffen, die sowieso schon wenig haben. Und die Industrie leide unter den steigenden Preisen für Energie. Gerade die chemische Industrie sei davon stark betroffen. „Die Energiesicherheit in der Region ist der zentrale Wirtschaftsfaktor“, folgert Parzinger und leitet daraus die Forderung nach einem Ausbau der regenerativen Energien ab. Hier habe sich Bayern lange als Gegner der Windkraft stilisiert und zeitgleich den Ausbau der Hochspannungsleitungen verschleppt. „Bayern täte es gut, nicht an allen Stellen von der CSU bestimmt zu werden“, unterstreicht Parzinger. Daran ändere auch die Regierungsbeteiligung der Freien Wähler nichts, die der SPD-Kandidat als „orange angestrichene Schwarze“ bezeichnet.

Den Schlusspunkt setzt dann noch einmal der Ortsvorsitzende Helmut Haigermoser, der die Arbeit der SPD-geführten Bundesregierung lobt und heraushebt, wie viel an Neuerungen in den vergangenen eineinhalb Jahren geschaffen worden sei. Dagegen habe die CDU die Themen Rente, Altersarmut und Kinderarmut „jahrzehntelang zerredet“. Er ruft dazu auf, den Kandidaten Sepp Parzinger auf Platz drei der Bayern-Liste zu wählen, damit die Region wieder einen eigenen Landtagsabgeordneten von der SPD habe.

Den Abend umrahmt Konrad Grundner am Akkordeon. Und der ließ es sich nicht nehmen, in einigen Gstanzln seine Sicht der Dinge kundzutun. Er besingt in seinen „Anmerkungen eines einfachen Bürgers“ die Demokratie, in der viel geredet werde, die Luftverschmutzung und den Mülltourismus nach Afrika, den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, Gewalt bei Jugendlichen und das Temperament des Bundeskanzlers. Aber auch lokale Themen wie das Tachertinger Hallenbad, den SPD-Kandidaten Sepp Parzinger oder die Gender-Debatte besingt er in Versform zum Gaudium der Gäste, die es mit dankbarem Applaus quittieren. Danach, mittlerweile sind die meisten schon knapp drei Stunden da, leeren sich die Bänke und Stühle. Und die Verantwortlichen von der SPD sind rundum zufrieden.