Simbach am Inn
Raus mit dem guten Geschirr

Franziska Wanninger zurück in ihrer Heimatstadt mit ihrem neuen Bühnenprogramm

15.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:29 Uhr

„Photoshop ist viel effektiver als Sport“, findet Franziska Wanninger in ihrem neuen Programm, das sie am Freitagabend im Lokschuppen präsentierte. −Foto: Kessler

Von Doris Kessler

Simbach. Bevor Simbach schmunzelt, hat sich der Münchner schon totgelacht. Und somit weiß Franziska Wanninger ganz genau, worauf sie sich eingelassen hat, mit ihrem Auftritt im Simbacher Lokschuppen. Zurück an dem Ort, der ihre Kindheit prägte, hinterlässt die 41-jährige Kabarettistin ein begeistertes Publikum. Und gelacht haben sie auch ganz ordentlich.

„Für mich soll’s rote Rosen hageln“ ist Franziska Wanningers viertes Bühnenprogramm, und bevor sie tief eintaucht in Charaktere und Chakren gibt’s erstmal eine Runde Vergangenheitsbewältigung. Immerhin – Simbach. Hier ist sie aufgewachsen, „hier bin ich in der 5. Klasse aufs Gymnasium gekommen und in der 8. Klasse durchgefallen.“

Sowas bleibt in Erinnerung, auch noch knapp 27 Jahre später. All die negative Motivation, die sonst bei Franziska Wanninger so effektiv zündet – ein „Du schaffst das nicht“ treibt sie zu ungeahnten Höchstleistungen an – verfehlt beim Sprung in die nächste Jahrgangsstufe. Wobei: „Tatsächlich hab ich eine Vier in der Matheschulaufgabe geschafft. Durchgefallen bin ich trotzdem.“

„Für mich soll’s rote Rosen hageln“ dreht sich ums Scheitern und ums Werden. Auf dem Weg zum Werden begleiten den Menschen Regeln, Vorsätze, Zwänge und Höflichkeiten. Traurigstes Beispiel: „Menschen, die niemals das gute Geschirr verwenden.“ Denn Alltag, das ist was für Anfänger. So wollen denn auch alle jungen Menschen heute „Influencer“ werden und mit der zur-Schau-Stellung von Banalitäten zu Reichtum kommen. So wie Marissa, der Social-Media-Star, der an diesem Abend im Simbacher Lokschuppen die „Miracle Spoons“ mitgebracht hat, mit denen man ab sofort nach langen Partynächten keine „puffy Augen“ mehr hat. Esslöffel, über Nacht in den Kühlschrank gelegt und auf geschwollene Augenlider gedrückt – es könnte so einfach sein, doch Marissa hat natürlich einen Rabattcode parat, mit dem man auf die „Miracle Spoons“ auch noch ordentlich Prozente kriegt. Schöne neue Welt.

Oberflächlichkeiten und verschobene, weil künstliche Realitäten sind das neue goldene Kalb. Da fragt man sich bei Homestorys aus dem Insta-Eigenheim angesichts der Sterilität in Naturtönen schon mal: „Wo haben die Leut‘ ihr G‘raffel?“. Weil: Steuerordner, Federbetten, Regenschirm – das muss doch irgendwo hin? Doch dem schönen Schein wird jede Alltagsrealität geopfert. Fazit: „Photoshop ist viel effektiver als Sport“, und die Partnersuche war auch schon mal einfacher. Früher, da hieß es: „Das ist mein Hof, das sind meine Viecher, das ist meine Mutter – überleg’s dir“. Heute analysiert man das Dating-Profil von Männern noch vor dem ersten Treffen: Christoph, 41, Facharzt für Radiologie. „Verdient gut und lebt ned lang.“

„Warum mach ich’s mir so schwer, wie wenn ich erst durchs Wenn was wär“ singt Franziska Wanninger und führt das moderne Streben nach einem Perfektionismus, der schlicht nur Illusion ist, ad absurdum. Zwischen all den Fragen rund um die echten Realitäten streut Franziska Wanninger liebens- und verachtungswürdige Protagonisten. Die Seniorin, die 110 Semmelknödel eingefroren hat für den Fall, dass sie vor ihrem Gatten stirbt und ihn am Ende doch überlebt. Den Gemeinderat, der im Wirtshaus auf dicke Hose macht, beim Telefonat mit dem Bürgermeister dann aber doch selbige voll hat.

„Für mich soll’s rote Rosen hageln“ singt Franziska Wanninger am Ende ihres Programms, und wünscht ihrem Publikum eben diese. Am Ende des Lebens sollte man sich nicht grämen, wie viel man verpasst hat. „Kein Mensch sagt am Sterbebett: Ich hätte noch viel seltener das gute Geschirr her nehmen sollen.“