Passau
Solidarität motiviert zum Weitermachen

Viele Betroffene bewahrten die Helfer vor der Resignation – Für die PNP erinnerten sich einige von ihnen

01.06.2023 | Stand 16.09.2023, 6:20 Uhr

Erlebte schon viele Hochwasser, aber 2013 übertraf alles: Der Inhaber des Croatia Oliver Zugic. −Foto: Hatz

Oliver Zugic, Inhaber des Restaurants Croatia an der Donaulände, ist einer von vielen betroffenen Gastronomen. Neben Sandsäcken hat der inzwischen 53-Jährige sein Haus auch mit Aluplatten geschützt. Doch dieses Mal reichte das Wasser bis in den ersten Stock in Zugics Wohnung über dem Lokal, wo zudem der pflegebedürftige Vater evakuiert werden musste.

Der Eigentümer von Lokal und Wohnung stand vor dem Nichts. Keine Socken, kein Rasierapparat, auch das Auto überschwemmt. Zugic war aber auch Medienstar geworden. „Sieben Tage lang war unser Restaurant das berühmteste der Welt.“ Der Wirt wurde beim Einkaufen erkannt und bekam Schreiben und Hilfsangebote früherer Touristen aus den USA oder Australien.

Dennoch: Ein Jahr lang sollten Vater und Sohn praktisch obdachlos sein, kamen mal bei Freunden, mal in günstigen Pensionen unter. Trotzdem ist Zugic bis heute vor allem dankbar: „Wenn ich all die Menschen aufzählen würde, die mir geholfen haben, würde das mehr als eine Zeitung füllen.“ Zehn Jahre danach will er am 13. Juni ein Fest auf die Beine stellen zum Zeichen des Gewinns. Denn den könne die Gesellschaft in Passau für sich verbuchen, die auf die gewonnene Freude und Empathie nur stolz sein könne. „Ich habe alle meine Ängste überwunden“, sagt Zugic. Er würde die guten Dinge nun noch mehr schätzen.

Auch Raoul Kucher war in dieser Zeit Gastronom. Er hatte im Sommer 2012 die Bar Uferlos in der Gottfried-Schäffer-Straße übernommen und für die Renovierung und neue Möbel einen Kredit aufgenommen. Kucher berichtet, er habe ab Freitag ständig die Pegelstände von Inn und Donau beobachtet und gehofft, dass die Kurve der 24-Stunden-Prognose wieder nach unten geht. „Dann kam am Sonntagmorgen ein Anruf vom Ordnungsamt, wir sollen versuchen, noch Dinge zu retten, denn ab ca. 12 Uhr mittags werde die Bar aller Wahrscheinlichkeit schon Wasser an der Tür haben.“ Die Frage, wie hoch der Inn wohl wird, konnte keiner beantworten.“

Relativ schnell sei das Wasser über den Gulli reingekommen. Darin schwamm der „schwimmend“ verlegte Laminatboden. „Wir haben noch versucht mit Pumpen und Eimern soviel Wasser wie möglich wieder nach draußen zu bringen.“ Doch dann habe ein Feuerwehrmann gesagt, sie müssten raus, da es sonst lebensgefährlich werden würde, weil das Wasser vom Unteren Sand her eindringe. „Das war der Moment der Verzweiflung, der Moment, wo man realisiert, dass man nichts mehr machen kann, dass man verloren hat.“ Die folgenden drei Tage saß er zu Hause wie paralysiert. „Die Zukunftssorgen hatten mich geplagt. Wie soll es weitergehen, wie soll man den Kredit zurückzahlen? Wie bekommt man eine neue Einrichtung?“ Am Dienstagmorgen hätten er und Freunde angefangen, den knöcheltiefen Schlamm aus dem Lokal zu schaufeln und die kaputten Sachen vor die Tür zu stellen. „Und es hat keine halbe Stunde gedauert, da waren in meinem Lokal 15 Menschen, die ich gar nicht kannte, die mit eigenen Schaufeln und Eimern angerückt sind und mir geholfen haben. Gegen Mittag kamen Frauen mit Semmeln, Tee und Kaffee zur Versorgung. Es war so eine Aufbruchstimmung und das hat so motiviert, dass alle Zukunftsängste verflogen sind und einfach Anpacken und Weitermachen im Fokus standen. Es war ein sehr schönes Gefühl von Gemeinschaft und Solidarität. Das hat sehr gut getan.“

Sabine Behner wohnte damals in der Lederergasse 31. Am Sonntagabend hatte dort der Inn den Haupteingang erreicht, erinnert sie sich. Sie wohnte im zweiten Stock und blieb. „Plötzlich um 2 Uhr morgens gab es ein lautes Rauschen und Knallen.“ Ein beißender Geruch stieg ihr im Treppenhaus entgegen. Das Wasser war bereits bis fast zum ersten Stock angestiegen und mit Heizöl durchzogen. Sabine Behner und ihre Tochter waren zu weit von den rettenden Schlauchbooten entfernt. Doch sie hielten es im Haus nicht mehr aus. „Wir hatten solche Kopfschmerzen und waren durchgefroren.“ Mutter und Tochter packten Bündel aus Handtuch und Wäsche, nahmen es auf den Kopf und flüchten durch das fünf Grad kalte und von Heizöl durchmengte Wasser teils gehend, teils schwimmend, bis zum Garten hinter dem Haus, von wo sie in die Jahnstraße gelangten. Dort wurden sie von Freunden abgeholt. „Mit blauen Flecken und Schürfwunden haben wir es schlussendlich geschafft.“ Zwei Tage später kam Sabine Behner zurück. Alles, was sie im Keller deponiert hatte, war nicht mehr zu gebrauchen. Darunter neben Werkzeugen auch die Weihnachtskugeln der Großmutter oder Babyfotos, Jugenderinnerungen...

Doch Helfer kamen von überall her. Unter anderem stellten sie den Aufräumenden belegte Semmeln und Mineralwasser bereit. Sie habe noch zwei Jahre dort gelebt. Aber mit jedem starkem Regen sei das Zittern und damit die Erinnerung gekommen.

Heute sagt sie: „Eines hat es uns gezeigt, die Menschen damals haben zusammengehalten, gekämpft und es gab ein wunderbares Miteinander. Viele haben alles oder Wichtiges verloren. Es hat gelehrt, dass die Natur das macht, was sie will und uns in unsere Schranken weist. Ich bin dankbar für alles, was ich jetzt habe, auch wenn es nicht mehr viel ist. Man benötigt auch nicht viel, sondern Menschen, die Empathie zeigen und füreinander da sind.“

− sah