Vilshofen
Schockanrufer gefasst: Polizei nimmt Abholer (22) aus dem Raum Passau in Ingolstadt fest

31.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:12 Uhr

Erst klingelte das Festnetz, später sogar das Handy. Mit perfiden Methoden wurde eine alte Dame aus dem raum Passau so lange bearbeitet, bis sie überzeugt war, mit der Herausgabe ihres Schmucks helfen zu können. Jetzt wurde ein Tatverdächtiger geschnappt. −F.: dpa/Hildenbrand

Heute Mittag ist es wieder vermehrt zu sogenannten „Schockanrufen“ im Bereich des Polizeipräsidiums Niederbayern gekommen: Einer der Schwerpunkte war erneut der Landkreis Passau.

Mehr als zehn Meldungen sind demnach innerhalb einer halben Stunde bei der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Niederbayern eingegangen. „Es ist von weiteren Anrufen in der Region auszugehen“, warnt das dortige Presseteam und hat umgehend eine entsprechende Meldung auf den sozialen Medien veröffentlicht, Zeitungsredaktionen und örtliche Radiosender verständigt. „Uns ist schon klar, dass die wenigsten Senioren aktiv sind in den sozialen Netzwerken – aber wenn nur einer dadurch abgehalten wird, hat es sich gelohnt“, sagt Günther Tomaschko vom Presseteam des Polizeipräsidiums.

Die Masche ist bekannt – und trotzdem schaffen es die dreisten Betrüger, vorwiegend Senioren so unter Druck zu setzen, dass sie Geld oder Wertgegenstände übergeben. „Die Betrüger täuschen eine Notlage eines Familienmitgliedes vor. In den meisten Fällen handelt es sich um einen schweren Verkehrsunfall, bei dem jemand gestorben ist“, so die Polizei. Nur eine hohe Kaution könne den engen Familienangehörigen vor dem Gefängnis bewahren. Das alles ist erfunden und erlogen: „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen und beenden Sie das Gespräch, sobald sie auch nur den geringsten Verdacht schöpfen“, wiederholt der Pressesprecher. Die Polizei erkundige sich am Telefon nie nach Vermögen oder Wertsachen oder hole Geldbeträge oder Wertgegenstände ab.

Es gibt aber auch gute Nachrichten in Zusammenhang mit den Schockanrufen: Mittlerweile sind Bankmitarbeiter sensibilisiert, wenn unangemeldet hohe Summen abgehoben werden, Taxifahrer haben schon Geldübergaben verhindert, weil sie die Polizei verständigten, wenn sich aufgewühlte Senioren zu ihrer Hausbank fahren lassen. Und auch die Polizei selbst hat Fahndungserfolge zu vermelden – so etwa im Fall der 82-Jährigen aus dem Raum Passau, die am 12. Januar Schmuck für mehrere zehntausend Euro einem Abholer auf dem Bürgersteig vor ihrer Wohnung übergeben hat (der VA berichtete).

„Dank der überregionalen Zusammenarbeit mehrerer Kriminaldienststellen in Bayern konnte einem 22-Jährigen nachgewiesen werden, dass er der Abholer war“, bestätigt das Polizeipräsidium Niederbayern. Der Mann wurde in Zusammenhang mit einem anderen Schockanruf, der sich in Ingolstadt abspielte, festgenommen. Der Fall ist fast identisch: Am Mittag des 24. Januar erhielt eine 83-Jährige Ingolstädterin einen Anruf von einer weinerlichen männlichen Person, die sich als ihr Enkel ausgab. Das Gespräch wurde in der Folge an einen vermeintlichen Polizeibeamten übergeben, der unter der Legende, der Enkel hätte einen schweren Verkehrsunfall verursacht, eine hohe Kaution forderte. Die Seniorin übergab schließlich vor ihrem Anwesen Bargeld und Schmuck in Höhe eines niedrigen fünfstelligen Betrags an einen männlichen Abholer. Kurze Zeit später wurde ein Tatverdächtiger, der die Beute bei sich trug, von Beamten der Kriminalpolizei Ingolstadt gefasst. Ein zweiter Tatverdächtiger wurde anschließend an der Rastanlage Köschinger Forst verhaftet. „Die 22 und 34 Jahre alten polnischen Tatverdächtigen wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Ingolstadt vorgeführt. Der Ermittlungsrichter erließ Haftbefehl wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug.“

Während die beiden Polen in Justizvollzugsanstalten gebracht wurden, überprüfte die Kriminalpolizei, ob sie für weitere Taten in Frage kommen – mit Erfolg. „Im Rahmen der weiteren Ermittlungen konnte dem 22-Jährigen auch der Betrug aus dem Raum Passau vom 12. Januar zugeordnet werden“, berichtet das Präsidium. Gegen ihn wurde in der Folge ein zweites Verfahren wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs eingeleitet.

Und wie geht‘s der Passauer Seniorin, die von der Kripo über den Fahndungserfolg unterrichtet worden ist? „Ich bin stolz auf die Polizei, dass sie den Täter gefunden hat. Und ich bin froh, dass zwei Banditen weniger auf der Straße sind, die alten Menschen wie mir so etwas antun“, sagt die 82-Jährige. Ob sie den Verlust ihres Schmucks mittlerweile verwunden hat? „Ein bisschen Hoffnung habe ich wieder, dass er noch gefunden wird“, sagt die 82-Jährige. Bis dahin tröste sie sich mit den schönen Erinnerungen daran. „Lebensnotwendig ist der Schmuck nicht. Aber es sind Andenken an meinen verstorbenen Mann. Wenn die unwiederbringlich weg sind – das tut weh.“